Covid-19 in Polen: Krisenschutzschild 3.0 – Neue Lösungen

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veröffentlicht am 22. Juni 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

Autoren: Jarosław Hein und Alicja Szyrner

  

​Der am 14. Mai 2020 verabschiedete Krisenschutzschild 3.0 hat eine Reihe von Änderungen eingeführt, die Einfluss auf die Tätigkeit der Unternehmen haben werden. Es geht vor allem um die Erweiterung des Systems zur Unterstützung von Firmen, die von den Restriktionen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Epidemie beeinträchtigt wurden. 

  

  

Die neuen Lösungen betreffen u.a. die Finanzierung der Gewerbetätigkeit, die Termine der Aufnahme der Tätigkeit der Gerichte bzw. der Beschäftigung von Ausländern (Gesetz über die Änderung einiger Gesetze im Bereich von Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus vom 14. Mai 2020, Dz. U. [GBl.] Jahrgang 2020, Pos. 875). 

Befreiung weiterer Unternehmer von den Sozialabgaben

Die Gruppe der Unternehmer, die zur Inanspruchnahme von Befreiungen berechtigt sind, wurde um Selbstständige (einschließlich derjenigen, die eine „Starthilfe“ [poln. „ulga na start”] in Anspruch nehmen) erweitert, die Beiträge nur für ihre eigene Sozial- oder Krankenversicherung abführen. Sie können die Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der fälligen Sozialabgaben für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 31. Mai 2020 in Anspruch nehmen, wenn:
  • sie vor dem 1. April 2020 eine Tätigkeit ausgeübt haben,
  • die Einnahmen aus dieser Tätigkeit im ersten Monat, für den der Antrag auf Befreiung gestellt wurde, nicht über 15.681 PLN hinausgingen,
  • das Einkommen aus dieser Tätigkeit im ersten Monat, für den der Antrag auf Befreiung gestellt wurde, nicht über 7.000 PLN hinausging. 
Die Befreiung betrifft die Beiträge für April und Mai, auch wenn sie bereits gezahlt wurden. Dank dieser Regelung kann die Befreiung von denjenigen Unternehmen in Anspruch genommen werden, die Einnahmen von mehr als 15.681 PLN erzielen, und gleichzeitig sehr hohe Betriebsausgaben tragen.

Leistungen während des Stillstands und Darlehen

Der „Krisenschutzschild 3.0” ermöglicht es auch Unternehmern, die ihre Tätigkeit vor dem 1. April 2020 – und nicht wie bisher vor dem 1. Februar 2020 – aufgenommen haben, Leistungen während des Stillstands zu beantragen. Eine ähnliche Änderung gilt für Darlehen an Kleinstunternehmen (bisher konnte ihnen nur dann ein Darlehen gewährt werden, wenn sie die Tätigkeit vor dem 1. März 2020 aufgenommen hatten). 

Neue Grundsätze bei Gerichtsverfahren

Aufgrund des „Krisenschutzschilds 3.0” wurden die Vorschriften aufgehoben, auf deren Grundlage die im Verwaltungsrecht vorgesehenen materiell-rechtlichen Fristen und die sonstigen Verfahrens- und Gerichtsfristen nicht zu laufen begannen und bereits begonnene Fristen gehemmt wurden. 
Fristen, die bislang nicht zu laufen begonnen hatten, beginnen bereits 7 Tage nach Inkrafttreten des „Krisenschutzschilds 3.0". Gehemmte Fristen laufen nach 7 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter. In beiden Fällen wird dies der 23. Mai 2020 sein. Die in diesem Zeitraum vorgenommenen Handlungen bleiben – trotz Fristhemmung – gültig.

 Der „Krisenschutzschild 3.0” führt auch folgende Änderungen in Bezug auf die Durchführung von Gerichtsverfahren während des Zustandes der Epidemiegefahr bzw. des Epidemiezustandes aufgrund von Covid-19 und innerhalb eines Jahres nach der Aufhebung des letztgenannten ein:

  1. Verhandlungen werden grundsätzlich als Fernverhandlungen in Form von Telefonkonferenzen durchgeführt, wobei die Beteiligten sich nicht im Gerichtsgebäude aufhalten müssen, es sei denn, dass das persönliche Erscheinen keine übermäßige Gefahr für die Gesundheit der Beteiligten darstellt;
  2. Der vorsitzende Richter kann eine nicht öffentliche Sitzung anordnen, wenn er die Prüfung der Sache für notwendig hält, es sei denn, dass eine der Parteien dem widerspricht;
  3. Wurde das Beweisverfahren vollumfänglich durchgeführt, so kann das Gericht die Verhandlung schließen und seine Entscheidung in einer nicht öffentlichen Sitzung erlassen, nachdem es schriftliche Stellungnahmen von den Parteien oder den Beteiligten des Verfahrens eingeholt hat;
  4. Wurde die Berufung vor dem 7. November 2019 eingelegt, so kann das Gericht zweiter Instanz entscheiden, dass die Sache in einer nicht öffentlichen Sitzung geprüft werden soll, es sei denn, dass die Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt bzw. beantragt hat, dass ein Beweis durch Zeugenaussagen bzw. Parteivernehmung durchgeführt werde, der nicht ausgelassen werden kann. 

Erhöhung des abzugsfreien Betrages

Wurde aufgrund von Maßnahmen zur Verhinderung einer SARS-CoV-2-Infektion die Vergütung des Arbeitnehmers gemindert oder hat das Familienmitglied des Arbeitnehmers die Einkommensquelle verloren, steigt die abzugsfreie Vergütung um 25% pro jedes Familienmitglied, das kein Einkommen erzielt und von diesem Arbeitnehmer unterhalten wird. Die obige Lösung stärkt die Position des Schuldners und kann die Wirksamkeit der Vollstreckung des Gerichtsvollziehers beeinflussen.

Berechtigungen für Ausländer

Der „Krisenschutzschild 3.0” sieht vor, dass ein Ausländer Arbeiten zu Bedingungen ausführen kann, die von dem mit der Ausführung der Arbeiten beauftragten Unternehmen geändert wurden, wie z.B. Anordnung von Arbeit im Home Office oder Einführung einer reduzierten Arbeitszeit, ohne dass die Genehmigung geändert, eine neue Genehmigung eingeholt oder eine neue Erklärung über die Übertragung einer Arbeit an einen Ausländer ins Register der Erklärungen eingetragen werden muss.

Denkmalrechte

Der „Krisenschutzschild 3.0” hat auch die Möglichkeit der Bezuschussung von Vergütungen der von einer juristischen Person beschäftigten Arbeitnehmer eingeführt, wenn dieser juristischen Person das Recht auf ein historisches Denkmal bzw. ein in die Liste des UNESCO-Welterbes eingetragenes Denkmal zusteht und die Arbeitnehmer beruflich Tätigkeiten ausführen, die mit dem Denkmal bzw. mit der diesbezüglichen Infrastruktur verbunden sind. 

Die Bezuschussung steht zu, wenn:
  • zum Tag der Ausrufung des Zustandes der Epidemiegefahr und zum Tag der Antragstellung ein solches Unternehmen mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigte,
  • infolge der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Ausrufung des Zustandes der Epidemiegefahr oder der Epidemie die im Zusammenhang mit dem Denkmal erzielten Einnahmen des Unternehmens zurückgegangen sind (um mindestens 25% gegenüber dem Vormonat),
  • dieses Unternehmen keine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln der Vergütungen dieser Arbeitnehmer für dieselben zu vergütenden Leistungen erhalten hat.

Sonstige Änderungen

  1. Als nichtig wird ein Vertrag eingestuft, in dem zwecks Sicherung des nicht direkt mit der Gewerbetätigkeit verbundenen Vertrages eine natürliche Person sich verpflichtet, das Eigentumsrecht an der Immobilie, in der sie wohnt, zu übertragen, wenn der Wert der Immobilie höher als der Wert der besicherten Ansprüche ist, der Wert dieser Ansprüche nicht genannt wurde bzw. wenn vor dem Vertragsabschluss keine Bewertung der Immobilie durch einen Sachverständigen vorgenommen wurde.
  2. Die Immobilie, in der der Schuldner wohnt, kann nur dann versteigert werden, wenn die Höhe des Vollstreckungsbetrages mindestens 1/20 des Immobilienwerts darstellt, es sei denn, dass die Forderung dem Fiskus zusteht, sich aus einem Urteil eines Strafgerichts ergibt oder der Schuldner selbst oder das Gericht der Versteigerung zustimmen. Zusätzlich kann eine solche Versteigerung nicht während des Zustandes der Epidemiegefahr oder während des Epidemiezustandes und nicht 90 Tage nach deren Beendigung stattfinden.
  3. Bei Verträgen über die Erbringung von Telekommunikationsleistungen gilt Folgendes: Schließt der Dienstleister den Vertrag in Dokumentform, d.h. z.B. durch E-Mail ab, dann wird er verpflichtet sein, seine Auflösung in derselben Form zu ermöglichen. Ferner, wenn ein befristeter Vertrag automatisch verlängert wird, wird der Abonnent berechtigt sein, ihn jederzeit unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zu kündigen.
  4. Referendare, die 2020 ein Staatsexamen ablegen sollen, sind berechtigt, den bisher nicht in Anspruch genommenen Teil des entgeltlichen Urlaubs für die Vorbereitung auf das Examen zu einem neuen Termin in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig werden die Referendare, die auf die Teilnahme am Examen zu einem neuen Termin verzichten, die Gebühr erstattet bekommen können. 

Der Krisenschutzschild 3.0 stellt eine Ergänzung der bisher eingeführten Formen der Unterstützung im Zusammenhang mit dem Coronavirus dar. Eine wesentliche Lösung, die den Bedürfnissen vieler Unternehmer entgegenkommt, ist die mögliche Befreiung von den Sozialabgaben in Bezug auf Personen, deren Tätigkeit nicht mit hohen Betriebsausgaben verbunden ist und die aus diesem Grund keine Möglichkeit hatten, die Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Eine wesentliche Änderung, auf die Unternehmen, die Ausländer beschäftigen, gewartet hatten, besteht darin, für solche Arbeitnehmer Kurzarbeit anzuordnen. Der Krisenschutzschild 3.0 führt gleichzeitig eine Reihe von Bestimmungen ein, die die Schuldner in hohem Maße schützen, was sich negativ auf die Wirksamkeit der geführten Zwangsvollstreckungsverfahren auswirken kann. Ein Teil der Probleme der Unternehmer konnte aber bisher nicht gelöst werden. Gegenwärtig sind bereits Arbeiten an einem „Krisenschutzschild 4.0" im Gange, in dem u.a. die Fragen des Resturlaubs und der Fernarbeit geregelt werden sollen. 
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