Reisebeschränkungen für Deutsche: Steuerliche Auswirkungen des Coronavirus auf Montageprojekte am Beispiel Indiens

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veröffentlicht am 13. März 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Zum Schutz gegen eine Ausbreitung des neuen Coronavirus hat die indische Regie­rung am 11. und am 12. März 2020 weitreichende Reisebeschränkungen erlassen. U.a. dürfen Deutsche Staatsbürger nicht länger nach Indien einreisen. Neuanträge auf Arbeits- und Businessvisa werden nicht bearbeitet, bereits erteilte Visa ausgesetzt. Unternehmen holen ihre Mitarbeiter schon aus Gründen der Fürsorge nach Deutsch­land zurück.

 

 

Diese Entwicklung trifft mit dem Maschinen- und Anlagenbau viele deutsche Unternehmen, die in Indien derzeit ihre gelieferten Anlagen schlüsselfertig erstellen. Werden die Montagen oder Montageüberwachungen nicht innerhalb von 6 Monaten abgeschlossen, entsteht nach Art. 5 Abs. 2 (i) DBA Deutschland-Indien eine ertragsteuerliche Betriebsstätte. Das deutsche Unternehmen wird dann mit dem der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinn in Indien steuerpflichtig. Eine umfassende steuerliche Compliance ist einzurichten, vor Ort eingesetzte deutsche Mitarbeiter und Subunternehmer werden sofort in Indien steuerpflichtig, Zahlungen an sie unterliegen der Quellen- bzw. Lohnsteuer.

 

Zur Berechnung der 6-Monats-Frist ist die Projektlaufzeit entscheidend, nicht die Aufenthaltsdauer einzelner Mitarbeiter. In die Fristberechnung einzubeziehen sind Zeiten eingesetzter Subunternehmer. Das Projekt endet erst, wenn keine weiteren Arbeiten mehr vor Ort erbracht werden.

 

Die aktuelle Lage in Indien und die erlassenen Einreisebeschränkungen können dazu zwingen, Montagen in Indien zu stoppen. Bei Fortsetzung der Montage nach Ende der Krise, ist die Frist von 6 Monaten vielleicht überschritten. Ein Projekt, dass in 3 Monaten erledigt worden wäre, wird somit leicht die Grenze von 6 Monaten überschreiten. Die Frage ist nun, ob man die Unterbrechung der Montage aufgrund des Abzugs der deutschen Arbeiter von der Berechnung der 6 Monatsfrist ausnehmen kann, d.h. der Fristlauf gehemmt wird.

 

Sicht der indischen Finanzverwaltung

Grundsätzlich nimmt die indische Finanzverwaltung eine restriktive Haltung ein. Unterbrechungen der Arbeiten sind in aller Regel irrelevant und hemmen den Fristlauf nicht. Die Finanzverwaltung (z.B. im Fall Krupp Uhde, ITAT Mumbai, 2009) verweist dabei vor allem auf ein Beispiel aus dem Kommentar der OECD zum OECD Muster-abkommen („OECD MA“). Hierin unterbricht ein Bauunternehmen die Arbeiten an einer Straße wegen saisonal schlechter Witterung für 3 Monate. Insgesamt und unter Einbezug der Unterbrechung dauern die Arbeiten 13 Monate, was die Grenze zur Begründung einer Baubetriebsstätte von 12 Monaten nach Art. 5 Abs. 3 OECD MA übersteigt. Die OECD hält hier eine Betriebsstätte für gegeben.

 

Allerdings erscheint es fraglich, ob dieser Fall auf die aktuelle Situation angewandt werden kann. Das Coronavirus war schlicht nicht vorherzusehen. Es ist zwar ein naturgegebenes Ereignis, aber eben nicht saisonal. Es ist noch nicht einmal mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit wie schlechtes Wetter vorhersehbar. Es ist einfach nicht kalkulierbar, es ist klassische höhere Gewalt. Zudem ist schlechtes Wetter beim Straßenbau ein Ereignis, dass gerade aufgrund der Art und Weise der Bauausführung – unter freiem Himmel – mit dem konkreten Arbeitsablauf verbunden ist. Eine Montage in der Halle wäre von schlechtem Wetter sicher nicht negativ betroffen. Im Unterschied dazu betrifft der Coronavirus jede Art der geschäftlichen Tätigkeit, vom Friseur bis zum Montageunternehmen und sogar das soziale Leben.

 

Es fehlt also ein Beispiel im offiziellen Kommentar der OECD. Ob im Einzelfall die virusbedingte Dauer der Unterbrechung den Fristlauf hemmt, wird von den konkreten Umständen abhängen. Voraussetzung ist zunächst, dass alle Personen von der Baustelle abgezogen wurden und keine Subunternehmer die Arbeiten (z.B. im reduzierten Tempo) fortsetzen.

 
Wesentlich sind ferner:

  • Wie lange dauerte die Unterbrechung im Vergleich zur gesamten Montage?
  • Gab es – wie aktuell – offizielle Reisebeschränkungen oder wurden die Arbeiten freiwillig unterbrochen?

 

Sicht der deutschen Finanzverwaltung

Eine Bauausführung oder Montage gilt nach Auffassung der deutschen Fachliteratur und der Rechtsprechung des BFH nicht als beendet, wenn die Arbeiten durch im Betriebsablauf begründete Ursachen vorübergehend unterbrochen worden sind. Jahreszeitlich bedingte oder andere vorübergehende Unterbrechungen, z.B. wegen schlechter Witterung, Streik und Unterbrechungen aus im Betriebsablauf liegenden Gründen, z.B. wegen Materialmangels oder anderer bautechnischer Gründe, sind daher bei der Ermittlung der Berechnung der Dauer einer Bauausführung einzubeziehen. Resultiert die Unterbrechung der Arbeiten aus nicht im Betriebsablauf liegenden Gründen, kommt es zu einer Fristhemmung. Dies bedeutet, dass Unterbrechungen der Arbeiten, die nicht in der Risikosphäre des Unternehmens liegen, bei der Fristberechnung berücksichtigt werden sollten. So kommt es nach Ansicht der Rechtsprechung zu einer Hemmung des Fristlaufs, wenn das Personal vor Ort abgezogen wird und die Unterbrechung länger als 14 Tage dauert. Somit sprechen zumindest nach deutscher Ansicht gute Gründe dafür, dass etwaige Unterbrechungen in den Arbeiten aufgrund des Coronavirus nicht bei der Fristberechnung zu berücksichtigen sind.

 

Vorgehen

Der Grund für eine Unterbrechung sollte gut dokumentiert werden. Beispielsweise durch Protokolle und textliche Kommunikation mit Auftraggebern und Subunternehmern. Aus Emails kann sich später herauslesen lassen, dass das deutsche Unternehmen gerade aufgrund des Coronavirus die Arbeiten komplett unterbrechen und alles Personal abziehen musste.

 

Neben der Frage der Entstehung einer Betriebsstätte bei Kurzzeitprojekten, ist auch zu entscheiden, ob die zusätzlichen Kosten des Abbruchs der Arbeiten bei Langzeitprojekten den zu versteuernden Gewinn einer bestehenden Montagebetriebsstätte reduzieren oder ob sie durch das Stammhaus in Deutschland zu tragen sind. Aufgrund der thematischen Nähe des Ereignisses zur Montage selbst, spricht vieles dafür, den durch den Abbruch entstandenen Aufwand gewinnmindernd der Betriebsstätte zuzurechnen. Dies wird aber sicherlich für Diskussionen mit der indischen Finanzverwaltung sorgen.

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