Biodiversität: Bedeutung für Unternehmen und Investoren

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 18. Juli 2025 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Klimarisiken haben in den vergangenen Jahren ihren festen Platz auf Unternehmens- und Investorenagenden gefunden. Doch mit dem Verlust der biologischen Vielfalt drängt sich eine weitere ökologische Krise in den Vordergrund: der Rückgang der Biodiversität. Die Auswirkungen sind vielschichtig – ökologisch, gesellschaftlich und zunehmend auch ökonomisch. Durch zunehmende regulatorische Entwicklungen auch über die ESRS hinaus gewinnt das Thema zusätzlich an Relevanz. Für Unternehmen und Investoren wird Biodiversität zu einer strategisch relevanten Herausforderung, die nicht länger außer Acht gelassen werden kann.

​Was ist Biodiversität?

Der Begriff Biodiversität oder biologische Vielfalt beschreibt die Vielfalt des Lebens auf drei Ebenen: die genetische Vielfalt innerhalb von Arten, die Vielfalt der Arten selbst sowie die Vielfalt von Ökosystemen und Ökosystemfunktionen. 

Die Intaktheit ihrer komplex miteinander verwobenen Systeme samt all ihrer Ökosystemleistungen bildet das Fundament des Lebens auf der Erde – und damit auch die Grundlage für wirtschaftliches Handeln. Der Rückgang dieser Vielfalt, etwa durch Landnutzungsänderungen, Umweltverschmutzung, Übernutzung von Ressourcen, invasive Arten oder den Klimawandel, hat direkte Auswirkungen auf die Stabilität von Ökosys­temen – und damit auch auf Liefer­ketten, Produktions­sicherheit, Kosten­strukturen und Geschäfts­​modelle.

Somit geht es bei dem Schutz der biologischen Vielfalt nicht nur um den Schutz einzelner Tier- oder Pflanzenarten, sondern um existenziell wichtige, natürliche Systeme, die unser Leben und Wirtschaften ermöglichen.

Ökosystemdienstleistungen

Unter Ökosystemdienstleistungen versteht man Leistungen, die die Natur für uns Menschen erbringt. Das sind beispielsweise die Bereitstellung von Nahrung, Trinkwasser, Rohstoffen, sauberer Luft und fruchtbaren Böden. Darunter fallen zudem die Regulierung des Klimas, die Speicherung von CO2 in Wäldern, Mooren und Meeren, intakte Wasserkreisläufe, Erosionsschutz, die Bestäubung von Nutzpflanzen sowie Bionik, medizinische Wirkstoffe, Gesundheit und Resilienz gegenüber Krisen.

Obwohl diese Leistungen häufig nicht in Bilanzen auftauchen und als selbstverständlich betrachtet werden, bilden sie die unverzichtbare Grundlage für unser Leben sowie für jegliche wirtschaftlichen Aktivitäten und haben demnach einen enormen ökonomischen Wert.
Die Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von Ökosystemdienstleistungen finden sich ebenfalls in dem ESRS Biodiversitäts-Standard E4 als Offenlegungsanforderung für Unternehmen wieder. 

Bedeutung für Unternehmen und Investoren

Insbesondere bei Unternehmen, deren Geschäftsmodelle direkt oder indirekt auf natürlichen Ressourcen beruhen – etwa in der Lebensmittel-, Textil-, Bau- oder chemischen Industrie – bestehen starke Abhängigkeiten von Ökosystemdienstleistungen. Durch den Verlust an Biodiversität steigt das Risiko für Produktionsausfälle, Störungen in der Lieferkette oder unkontrollierbare Kostenentwicklungen – mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit und Profitabilität. Somit wird der Schutz von Biodiversität zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

Gleichzeitig steigen die Erwartungen von Gesetzgebern, Investoren und der Öffentlichkeit. Regulatorische Anforderungen wie die CSRD verlangen von Unternehmen, ihre Auswirkungen auf Biodiversität offenzulegen – ebenso wie ihre Abhängigkeiten, Risiken und Chancen. Erst kürzlich hat die Global Reporting Initiative (GRI) einen aktualisierten Biodiversitätsstandard veröffentlicht und das International Sustainability Standards Board (ISSB) erwägt der​​zeit, einen weiteren Standard zu Biodiversität, Ökosystemen und Ökosystemdienstleistungen herauszubringen. 

Ergänzend dazu entstehen internationale Rahmenwerke wie die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD), die einen praxisnahen Rahmen für die Integration von Naturrisiken in Unternehmens­stra­tegien bietet, sowie die Science Based Targets for Nature (SBTN), die bei der Entwicklung wissenschafts­basierter Ziele und Maßnahmen unterstützen. ​Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 fordert verbindliche Maßnahmen zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme und einen wirksameren Schutz von Arten und Lebensräumen – mit direkten Implikationen für Landnutzung, Lieferketten und Berichtspflichten und auch die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) setzt klare Rahmenbedingungen.

Als Hilfestellung zu diesem Thema haben das DRSC und RNE im Dezember 2024 eine anschauliche Handreichung mit dem Namen „Biodiversitätsmanagement für Aufsichtsräte“ veröffentlicht. Sie zeigt auf, wie Unternehmen Biodiversität schützen, regulatorische Anforderungen erfüllen und langfristige Wettbewerbs­fähigkeit sichern können.

All diese Entwicklungen verdeutlichen, dass Biodiversität zunehmend in der Unternehmensführung an Relevanz gewinnt. Die Erfüllung regulatorischer Anforderungen ist nicht nur eine Frage der Compliance, sondern bietet die Chance, Vertrauen bei Investoren, Kreditgebern und Konsumenten zu stärken. Insbesondere Investoren erkennen zunehmend die Notwendigkeit, biodiversitätsbezogene Risiken in ihren Investitionsentscheidungen zu gewichten. 
Demnach lohnt es sich für mittelständische Unternehmen trotz aktueller Unklarheiten bezüglich der geplanten Änderungen der Berichtspflichten auf EU-Ebene, frühzeitig Strukturen aufzubauen, um Transparenz zu schaffen und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Welche Maßnahmen können Unternehmen zur Förderung der biologischen Vielfalt treffen?

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der biologischen Vielfalt beitragen können. Zunächst einmal ist es wichtig, die eigenen Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Biodiversität zu identifizieren, zu verstehen und zu bewerten. Dies kann durch eine ganzheitliche Biodiversitätsanalyse erfolgen. Auf dieser Grundlage lässt sich ein strategisches, zielführendes Biodiversitätsmanagement errichten. 

Wirkungsvolle Maßnahmen, die Unternehmen treffen können, sind unter anderem das Setzen von wissen­schafts­ba­sier­ten Biodiversitäts­​zielen (z. B. anhand der SBTN), strengere Nachhaltigkeitsstandards und -kri­te­rien für Lieferanten, Kooperationen mit NGOs und Forschungsinstituten, die Sensibilisierung der Mitarbei­tenden, Geschäftspartner und Kunden durch Aufklärung und Schulungen sowie die Integration des Themas Biodiversität in die Nachhaltigkeitsberichterstattung, z. B. nach ESRS E4, der TNFD oder in den freiwilligen VSME-Standard. Wichtig ist allen voran, das Thema in seiner Komplexität ernst zu nehmen und jede Maßnahme auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. 

Fazit

Der Verlust biologischer Vielfalt wirkt sich nicht nur auf Ökosysteme, sondern direkt auf Rohstoffverfügbarkeit, Produktionsbedingungen und Betriebskosten aus – und kann somit ganze Geschäftsmodelle ins Wanken bringen. Gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderungen für Unternehmen sowie das Interesse von Investoren, Kreditgebern und Verbrauchern an transparenter Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Ein systematisches Biodiversitätsmanagement bietet Unternehmen die Chance, Risiken zu reduzieren, Ressourcen langfristig zu sichern und sich im Wettbewerb zu positionieren. Be​sonders in einem Umfeld wachsender Erwartungen und begrenzter Ressourcen sollten Unternehmen frühzeitig Strukturen aufbauen, um ihre Auswirkungen und Abhängigkeiten zu verstehen, gezielt zu steuern und transparent zu berichten. Indem Biodiversitätsziele in Unternehmensstrategie und Governance-Strukturen integriert und offengelegt werden, tragen Unternehmen nicht nur zum Schutz der Biodiversität bei, sondern übernehmen eine entscheidende Vorreiterrolle – und genau das braucht es, damit Biodiversitätsschutz nicht Ausnahme, sondern Standard unternehmerischen Handelns wird.

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