ESG-konforme Immobilien – oder Green Lease?

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​veröffentlicht am 1. Februar 2023




Schätzungen zufolge verursacht der Immobilienbereich rund 38 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland. In den vergangenen Jahren hat die Politik über Fördermaßnahmen und Auflagen versucht, die Immobilenbranche zum Umdenken zu bewegen. Viele der Maßnahmen waren bisher aber eher Stückwerk. Hinzu kommt, dass das Thema Nachhaltigkeit in der tagesaktuellen Presse in den vergangenen Monaten etwas untergegangen ist. Im Hintergrund gehen jedoch die vom Gesetzgeber vorgesehenen und eingeleiteten Maßnahmen stetig weiter. 


Um die Klimaziele erreichen zu können, wird der Gebäudesektor in der Zukunft in weit stärkerem Maße gefordert sein müssen. Neben den Anreizen aus der Politik sind dabei vor allem derzeit Zertifizierungen verschiedenster Art en vogue. Der Green Building-Markt boomt: Während bis 2013 lediglich etwa 550 Gebäude zertifiziert wurden, waren es 2021 bereits ca. 2.600 – ein Wachstum um rund 250 Gebäude je Jahr. Auch das Transaktionsvolumen kann sich sehen lassen: 12,4 Milliarden Euro wurden 2021 bei Single Deals mit nachhaltig zertifizierten Gebäuden erzielt. Damit wurde zum dritten Mal in Folge die 10-Milliarden-Euro-Marke für grüne Immobilien überschritten. Es scheint, als würden Zertifikate wie DGNB, BREEAM oder LEED im Zuge der letzten gesetzlichen Aktivitäten (EU-Taxonomie und Transparenzverordnung) einen starken Bedeutungszuwachs erleben (Quelle: BNP Paribas Real Estate). 

Dabei ändert sich gerade in diesem Zusammenhang die Sichtweise und damit auch verbunden das sprachliche Verständnis in Bezug auf das „grüne Gebäude”. Heute versteht man darunter nicht nur ein Gebäude, das gewisse Anforderungen in ökologischer Hinsicht wie etwa die Energie-Effizienz eines Bürogebäudes oder die verwendeten Materialien einhält, sondern die Immobilie wird auch nach sozialen Aspekten wie beispielsweise, ob sich die Mitarbeitenden an ihren Arbeitsplätzen wohlfühlen, bewertet. Natürlich geht es dabei auch um die Verbindung von Wirtschaftlichkeit, Good Governance und Umwelt. Besser als „grünes” würde deshalb „nachhaltiges Gebäude” oder „ESG-konforme Immobilie” passen.  

Gesetzliche Aktivitäten

Die Transparenz-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor enthält eine Offenlegungspflicht von Finanzmarktteilnehmern und Finanzberatern in Bezug auf nachhaltige Investitionen. Es müssen Nachhaltigkeitsrisiken dargelegt werden – das sind Ereignisse in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung – deren Eintreten den Wert einer Investition verringern könnte. 

Die Taxonomie-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.6.2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen ergänzt dies seit 2022 im Rahmen des Green Deals der EU als ein zentraler Baustein. Um eine deutliche Absenkung des CO2-Ausstoßes zu erreichen, ist ein klimafreundlicher Umbau sämtlicher Wirtschaftssektoren notwendig. Deshalb sollen mehr private Investitionen in dieses Vorhaben eingebunden werden – als „Lenker”; damit wird die Nachhaltigkeit zu einem Kriterium des Risikomanagements in der Finanzwirtschaft. Dies dient der Bekämpfung des Klimawandels, der Anpassung an den Klimawandel, der nachhaltigen Nutzung und dem Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, dem Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, der Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und dem Schutz und der Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Eine Markt-Aktivität gilt als „taxonomiekonform”, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen von mindestens einem dieser Ziele leistet und keines der anderen Ziele wesentlich beeinträchtigt.

Derzeit erfasst also der Anwendungsbereich der Verordnungen noch nicht die komplette Immobilienbranche. In den nächsten Monaten werden zahlreiche weitere Vorgaben der Europäischen Union in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften in Kraft treten. Deshalb ist zu erwarten, dass künftig – neben den alternativen Investmentfonds – weitere Marktteilnehmer aus der Immobilienbranche unmittelbar von EU-Regulierungen betroffen werden.

Die Privatwirtschaft 

Die Privatwirtschaft behilft sich mit Prüfsiegeln, die von unabhängigen Organisationen vergeben werden. Die wichtigsten sind:

BREEAM: Dahinter steht eine der weltweit angesehensten Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Infrastruktur und Gebäuden. Die Analyse erstreckt sich dabei über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie, vom Neubau über die Nutzung bis zur Sanierung. Um Objektivität zu gewährleisten, setzt die BRE-Gruppe dazu auf die Prüfung nach einem umfangreichen Kriterienkatalog durch eine dritte Partei.

LEED: Das Akronym steht für ‚Leadership in Energy and Environmental Design‘ und bezeichnet das weltweit am weitesten verbreitete Bewertungssystem für umweltfreundlich konzipierte Gebäude. Der Kriterienkatalog wurde mit dem Ziel erstellt, einen Rahmen für gesunde, hocheffiziente und kostensparende ‚Green Buildings‘ zu schaffen.

DGNB: Der Name ‚Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen‘ ist Programm – die Non-Profit-Organisation engagiert sich auf unterschiedlichster Ebene für ökologisches Bauen und stellt ein selbstentwickeltes Zertifizierungssystem zur Verfügung, das für nahezu alle Immobilientypen individuelle Anwendung finden kann. Wichtig dabei: Das Zertifikat gibt es in Platin, Gold und Silber, was bei der ersten Orientierung zur Nachhaltigkeit hilfreich ist.

Daneben hat der ZIA schon im Jahr 2018 eine Broschüre „Green Lease” herausgegeben. Ein „Green Lease” ist ein auf Nachhaltigkeit gerichteter Mietvertrag, der durch seine besondere Ausgestaltung den Mieter/Nutzer zu einer möglichst nachhaltigen Nutzung und den Vermieter zu einer möglichst nachhaltigen Bewirtschaftung der Immobilie veranlassen soll – aber ihn nicht verpflichtet. Die Publikation des ZIA enthält neben der Definition für den „Green Lease” eine Fokussierung auf die wichtigsten Regelungsempfehlungen. Mieter und Vermieter bekommen so ein praxisnahes Instrumentarium von „grünen” Mietvertragsklauseln an die Hand, anhand derer die Green Leases sinn- und zweckorientiert verhandelt und mit Inhalt befüllt werden können. Derzeit bestehen Überlegungen, den Green Lease-Vorschlag um die Anforderungen des ESG zu erweitern. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten.

Fazit

Die Klassifikation einer Immobilie als ESG-konform wird schon bald als wertbildender Faktor und damit insbesondere als Werterhaltung einer Immobilie zur Geltung gelangen. Unabdingbarer Baustein wird dabei der grüne Mietvertrag/Nutzungsvertrag und die damit verbundene Zertifizierung sein.  



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Andreas Griebel

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