Die Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24a, Nr. 24b EnWG – ein idealer Einstieg für die Immobilienbranche in die Energiewirtschaft?

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veröffentlicht am 01. August 2018

 

Kundenanlagen im Sinne von § 3 Nr. 24a, 24b EnWG unterliegen nicht der energiewirtschaftlichen Regulierung und können für Immobiliengesellschaften ein guter Einstieg auch in die Energiewirtschaft sein. Die in den Definitionen der Kundenanlage und der Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe sind zwar durch Entscheidungen der Bundesnetzagentur und auf obergerichtlicher Ebene bereits näher konkretisiert worden. Da jedoch stets eine Einzelfallentscheidung zu treffen ist, sind die Voraussetzungen einer Kundenanlage in Bezug auf das konkrete Projekt intensiv zu prüfen.

 

Die Kundenanlage als Chance und Geschäftsmodell für die Immobilienbranche

Vermieten Sie Wohn- oder Gewerberaum und versorgen Sie beispielsweise die Mieter Ihres Mietshauses oder Ihrer Ladenzeile über ein gemeinsames objektbezogenes Stromnetz mit Energie? Oder besitzen Sie ein Industriegrundstück, auf dem Unternehmen über Ihr grundstücksbezogenes Stromnetz mit dem öffentlichen Netz des lokalen Stadtwerks verbunden sind? Dann könnten Sie ggf. als Netzbetreiber und Ihr Netz als „Energieversorgungsnetz” im Sinne des EnWG angesehen werden. In diesem Falle würden Sie der strengen Netzregulierung und damit umfangreichen Pflichten unterliegen, die für Immobilien- und Grundstücksbesitzer schon praktisch kaum zu bewältigen sind. Mangelnde Erfahrung mit diesen energiewirtschaftlichen Themenbereichen birgt ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko.

 

Eine Möglichkeit, der strengen Regulierung und dem damit verbundenen Pflichtenkatalog des EnWG und den Vorgaben der Regulierungsbehörden, insbesondere der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu entgehen, bieten die Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG sowie die Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung nach § 3 Nr. 24b EnWG. Betreiber von Versorgungsinfrastruktur können ihre Stromversorgungseinrichtungen in der Regel so gestalten, dass sie als Kundenanlage nicht der energiewirtschaftlichen Regulierung unterfallen. Für Grundstückseigen-tümer oder Immobiliengesellschaften, die bislang noch nicht in der Energiewirtschaft Fuß gefasst haben, kann die Planung und Umsetzung einer Kundenanlage durchaus ein willkommenes neues Geschäftsfeld eröffnen, denn Kundenanlagen bieten gerade für Immobiliengesellschaften ideale Möglichkeiten, in die Energiewirtschaft einzusteigen.

 

Um ein solches Vorhaben rechtssicher umzusetzen und Haftungsrisiken zu umgehen, sollten in jedem Falle die Voraussetzungen einer Kundenanlage in Bezug auf das konkrete Projekt intensiv geprüft und unbedingt eingehalten werden.

 

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Kundenanlage sind durch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt. Diese wurden zwar mittlerweile durch Entscheidungen der BNetzA sowie der Oberlandesgerichte in Frankfurt und Düsseldorf etwas klarer umrissen, da allerdings stets eine Einzelfallentscheidung auf Basis der Gesamtumstände zu erfolgen hat, sind damit noch lange nicht alle denkbaren Konstellationen geklärt. Anders als das OLG Frankfurt hat das OLG Düsseldorf in seinen aktuellen Beschlüssen aus dem Juni dieses Jahres die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen. Eine baldige höchstrichterliche Befassung mit den Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Kundenanlagen und Energieversorgungsnetzen ergeben, ist also wahrscheinlich.

 

Spezielle Probleme bei der Abgrenzung Stromnetz/ Kundenanlage

Abzugrenzen von der Kundenanlage sind das Stromnetz (vgl.
§ 3 Nr. 16 EnWG) – ggf. in der besonderen Ausprägung des Netzes der allgemeinen Versorgung, § 3 Nr. 17 EnWG – und das geschlossene Verteilernetz (vgl. § 110 EnWG). Diese Abgrenzung ist entscheidend, da sie sich unmittelbar auf die Regulierungsbedürftigkeit der Energieanlage auswirkt.

 

Sowohl die BNetzA als auch die Oberlandesgerichte haben bereits klargestellt, dass die Kundenanlage eine Ausnahme zum Versorgungsnetz bleiben soll, um das Ziel der effizienten Regulierung des Strommarktes zu verwirklichen. Die Kriterien für eine Kundenanlage sind jedoch nicht „starr” anzuwenden, sondern es ist eine dem Einzelfall gerechte Entscheidung zu treffen.

 

Insbesondere die Frage der räumlichen Zusammengehörigkeit wird im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Kundenanlage regelmäßig thematisiert. Unter Berücksichtigung der ergangenen Entscheidungen lassen sich folgende Parameter herausbilden: Eine räumliche Zusammengehörigkeit ist im Zweifel anzunehmen, wenn ein Grundstück betroffen ist, ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, wenn sich eine Energieanlage über mehrere Grundstücke erstreckt. Erforderlich ist dann aber, dass das Gebiet aus der Sicht eines objektiven Betrachters als einheitlich wahrgenommen wird. Die räumliche Zusammengehörigkeit eines Gebiets wird in der Regel durch trennende Elemente, wie Straßen, Gleise etc. gestört.  Für die Bewertung, ob eine Straße im Einzelfall der Annahme eines räumlich zusammengehörenden Gebiets entgegensteht, sind die Ausge-staltung der Verkehrsquerung, die Breite und Widmung der Straße sowie Art und Ausmaß der Nutzung zu berücksichtigen. Maßgeblich ist insbesondere, ob die Straßen hauptsächlich der Erschließung des Gebietes dienen. So hat das OLG Düsseldorf eine mehrspurige Straße mit begrüntem Mittelstreifen als ein die Zusammengehörigkeit störendes Element eingestuft, eine u-förmige Anliegerstraße jedoch nicht. Gemeinsam genutzte Versorgungsleitungen (z.B. dasselbe Wärmenetz) helfen ebenso wenig über einen fehlenden räumlichen und somit gebietsbezogenen Zusammenhang hinweg, wie bauliche und optische Elemente (architektonische Ähnlichkeit). Gleichwohl kann eine baugleiche Beschaffenheit den Eindruck der räumlichen Zusammengehörigkeit des Gebiets bestärken.
 
Das OLG Frankfurt hat das Vorliegen der Voraussetzungen einer Kundenanlage verworfen, da der Betreiber der Stromverteilungsanlagen nicht nachweisen konnte, dass diese jedermann unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Unentgeltlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang zunächst vordergründig, dass der Betreiber einer Kundenanlage kein Nutzungsentgelt von durchleitenden Energielieferanten fordern darf. Allerdings darf den Kunden auch kein verbrauchsabhängiges weiteres Entgelt für den Betrieb der Anlage in Rechnung gestellt werden. Die Gesetzesbegründung sieht es als zulässig an, wenn eine Kundenanlage im Rahmen eines vertraglichen Gesamtpaketes zur Verfügung gestellt wird (z.B. im Rahmen eines Miet- oder Pachtvertrages) oder eine verbrauchsunabhängige Umlage der mit dem Kundenanlagenbetrieb verbundenen Kosten erfolgt.

 

Weitere Voraussetzung für die Annahme einer Kundenanlage ist, dass die Energieanlagen für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität unbedeutend sind. Das OLG Frankfurt vertritt – unter Verweis auf die Beschlusspraxis der Bundesnetzagentur – die Auffassung, dass 457 bzw. 515 Wohnungen eine Grenze überschreiten, ab der nicht mehr von einer Bedeutungslosigkeit ausgegangen werden könne, sofern nicht im jeweiligen Einzelfall sonstige Tatsachen hinzutreten, die eine andere Einschätzung nahelegen. Bei einer Anzahl von deutlich über 100 angeschlossenen Letztverbrauchern könne nicht mehr ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dies unbedeutend für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs sei. Maßgeblich ist eine gewisse Übersichtlichkeit / deutliche Abgrenzbarkeit der versorgten Personenanzahl. Die geografische Ausdehnung darf dabei keine Ausmaße überschreiten, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen über Kundenanlagen im Auge hatte.

 

Fazit und Handlungsempfehlung

  • Wegen des Anreizes der „Regulierungsfreiheit” wird der Begriff der Kundenanlage heftig diskutiert und ist in seinen einzelnen Facetten noch umstritten. Durch Entscheidungen der BNetzA und zweier Obergerichte wurden einzelne Aspekte bereits konkretisiert.
  • Sollten Sie z.B. die Mieter Ihres Mietshauses mit Strom aus einem gemeinsamen objektbezogenen Stromnetz versorgen oder in ähnlichen Konstellationen tätig werden, sollten Sie sorgfältig prüfen, ob es sich bei den Energieanlagen noch um Kundenanlagen handelt. Werden die Stromerzeugungsanlagen wirklich jedermann unentgeltlich zur Verfügung gestellt? Wie groß ist die Anzahl der Letztverbraucher und versorgt die Anlage ein räumlich zusammengehöriges Gebiet?
  • Sollten Sie sich – beispielsweise als Immobiliengesellschaft – dafür interessieren, in die Energiewirtschaft einzusteigen und als Energieversorger z.B. die Mieter Ihres Mietshauses mit Energie durch ein BHKW oder eine PV-Anlage zu versorgen, so stellt die Kundenanlage nach § 3 Nr. 24 a) EnWG eine sehr gute Möglichkeit dar, einen neuen Geschäftszweig zu eröffnen
  • Besonders für kleinere Areale oder Mietshäuser mit einer eher kleineren oder mittelgroßen Anzahl an Parteien (im Ergebnis Anschluss von nicht weitaus mehr als 100 Letztverbrauchern) stellt die Kundenanlage eine interessante Möglichkeit für Grundstücks- und Immobilienbesitzer dar.
  • Zu beachten gilt es jedoch, das auch für den Fall, dass Sie nicht als Netzbetreiber im Sinne des EnWG einzustufen sind, Sie als „Stromlieferant” Versorger im Sinne des Stromsteuerrechts und Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2017) gewissen Vorgaben und Pflichten unterliegen, die ebenfalls eine fun-dierte Beschäftigung mit energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfordern.
  • Sie sind daher gut beraten, wenn Sie  die Voraussetzungen des Vorliegens einer Kundenanlage und die übrigen sich aus Ihrem Handeln ergebenden Pflichten gründlich prüfen  lassen, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

 

Liegen die Voraussetzungen einer Kundenanlage vor, so müssen anschließend die Rollen der verschiedenen Akteure und insbesondere der Betreiber der Kundenanlage bestimmt werden. 

Die folgende Checkliste enthält noch einmal wesentliche Punkte für das Vorliegen einer „allgemeinen” Kundenanlage auf einen Blick zusammengefasst:

 

Checkliste Voraussetzungen der "allgemeinen" Kundenanlage

Abb. 1: Checkliste „allgemeine” Kundenanlage (Bild anklicken zum Vergrößern)

 

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