Wirksamkeit einer die HOAI unterschreitenden Honorarvereinbarung?

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Oberlandesgericht Naumburg zur Bindung des Ingenieurs an eine mit dem Auftraggeber vereinbarte Mindestsatzunterschreitung (Urteil vom 15. April 2016, Az.: 10 U 35/15)

​Der Sachverhalt

Die Parteien hatten einen Ingenieurvertrag geschlossen. Gegenstand
waren Planungsleistungen im Zusammenhang mit der Neuerrichtung einer durch Brand zerstörten Produktionshalle. Das Honorar solle pauschal knapp 50.000 Euro betragen. Grundlage dieses Betrages war eine Kostenschätzung der Auftraggeberin (und späteren Beklagten). Die Auftragnehmerin hatte die anrechenbaren Kosten hingegen deutlich höher geschätzt und dies der Auftraggeberin auch mitgeteilt, sich schlussendlich aber dennoch mit dem (niedrigen) Pauschalhonorar einverstanden erklärt. Nachdem die Auftraggeberin den Vertrag ohne Berufung auf einen wichtigen Grund vorzeitig kündigte, forderte die
Auftragnehmerin das noch ausstehende Honorar. Bei ihren Berechnungen legte sie nun die tatsächlich entstandenen Baukosten
sowie die Mindestsätze der HOAI zugrunde, woraus sich ein viel höheres Gesamthonorar von knapp 80.000 Euro ergab. Die Auftraggeberin wies die Forderung zurück und berief sich auf die vereinbarte Pauschale. Die Auftragnehmerin machte den sich nach Abzug der bereits erhaltenen Abschlagszahlungen verbleibenden Betrag sodann klageweise geltend.

 

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Naumburg sprach der Auftragnehmerin den eingeklagten Honoraranspruch zu. Die Honorarvereinbarung im Ingenieurvertrag war wegen Verstoßes gegen das zwingende Preisrecht der Vergütungsregelungen der HOAI unwirksam, da sie zu einem weit unterhalb der Mindestsätze liegenden Honorar führen würde. Zwar richtet sich das Honorar für die von der Klägerin erbrachten Ingenieurleistungen grundsätzlich nach der schriftlichen Honorarvereinbarung, wie sie die Parteien im Ingenieurvertrag getroffen haben. Unterschreitet das vereinbarte Honorar indessen das nach den Mindestsätzen berechnete Honorar, so ist die Vereinbarung in der Regel unwirksam. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die geschuldete Leistung einen besonders geringen Aufwand erfordert, der nicht schon
bei den Honorarbemessungsfaktoren der HOAI zu berücksichtigen
ist, oder wenn besonders enge Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art zwischen den Parteien bestanden. Solche Umstände konnte der Senat in dem zu entscheidenden Fall nicht feststellen.

 

Die Klägerin war auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert,
ihrer Honorarforderung abweichend von der Pauschalvereinbarung
die Mindestsätze der HOAI zugrunde zu legen. Zwar kann sich ein Architekt oder Ingenieur widersprüchlich verhalten, wenn er nach der Vereinbarung eines die Mindestsätze der HOAI unterschreitenden Honorars später gleichwohl nach den Mindestsätzen abrechnet. Ein solches Verhalten steht nach Treu und Glauben der Geltendmachung der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte. Zudem muss er sich darauf in einer Weise eingerichtet haben, dass ihm die Zahlung des
Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den
Mindestsätzen nicht zugemutet werden kann. Dabei ist eine Gesamtabwägung des Verhaltens des Architekten oder Ingenieurs
und der Umstände vorzunehmen, auf die sich das Vertrauen des
Auftraggebers stützt. Ein Auftraggeber, der geschäftserfahren ist oder den Mindestpreischarakter der HOAI kennt, wird sich auf die Bindung der Honorarvereinbarung in der Regel nicht berufen können. Nur ausnahmsweise kann sich auch der kundige Vertragspartner auf die Treuwidrigkeit des Verhaltens des Architekten oder Ingenieurs stützen, wenn er vertretbar davon ausgehen durfte, die Honorarvereinbarung habe Bestand. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er Voraussetzungen für gegeben hielt, die eine Unterschreitung der Mindestsätze ausgeschlossen hätten. Die Voraussetzungen für eine Treuwidrigkeit des Verhaltens der Klägerin lagen aus Sicht des Oberlandesgerichts nicht vor.

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Dr. Julia Müller

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