Beseitigungsanspruch bei Verstoß gegen nachbarschützende Brandvorschriften

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​veröffentlicht am 04. Mai 2020

 

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Der vom BGH entschiedene Sachverhalt (BGH, Urteil vom 13.12.2019 - V ZR 152/18) beleuchtet den verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 BGB. Zentrale Fragestellung war der Zustand eines Gebäudes, der im Widerspruch zu nachbarschützenden Brandschutzvorschriften stand. Ein weiterer praxisrelevanter Punkt war der Begriff des Zustandsstörers. Im Ergebnis ist die Beseitigung der Störung erforderlich. Auch wenn ein hoher finanzieller Aufwand damit verbunden ist, steht dies nicht in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Nachbarn.

 

Dem Urteil des BGH vom 13.12.2019 ging folgender verkürzt dargestellter Sachverhalt voraus:

 

 

Die Klägerin hat von der Beklagten die Beseitigung
eines bauordnungsrechtswidrigen Zustands, im vorliegenden
Fall eine fehlende Brandwand, verlangt.
Beide Parteien sind jeweils Eigentümer benachbarter
Grundstücke, die sich aus einer Realteilung ergeben
haben und in einem reinen Gewerbegebiet liegen.
 
Die Klägerin vermietet ihre Räumlichkeiten als
Büro- und Veranstaltungsflächen und hat bereits
eine Brandschutzwand auf ihrem Grundstück, in
Richtung des Nachbargrundstücks, zwischen den
Gebäuden errichtet. Die Beklagte betreibt in ihren
Räumlichkeiten eine Diskothek. Das Grundstück
verfügt über keine eigene Abschlusswand.

 

 

Das Landgericht sowie das Kammergericht Berlin haben die Klage abgewiesen. Davon abweichend hat der BGH das Urteil abschließend aufgehoben und zugunsten der Klägerin entschieden. Der BGH hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

 

VERSCHULDENSUNABHÄNGIGER (QUASINEGATORISCHER) BESEITIGUNGSANSPRUCH GEMÄSS § 1004
ABS. 1 S. 1 BGB ANALOG

Der Beseitigungsanspruch dient dem Schutz des Eigentums vor Beeinträchtigungen und ist eine  Konkretisierung der Eigentümerbefugnisse nach § 903 Satz 1 BGB. Der Anspruch bezweckt die Aufhebung und Vermeidung zukünftiger Beeinträchtigungen. Für die Geltendmachung des Beseitigungsanspruches müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

 

ES MUSS EINE BEEINTRÄCHTIGUNG VORLIEGEN

Es kann entweder eine Beeinträchtigung durch das Tun eines anderen oder durch die Aufrechterhaltung eines bereits aktiven Zustands vorliegen. Im obigen Fall entsprach der Zustand des Gebäudes der Beklagten nicht den nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts, da eine Brandschutzwand bauordnungsrechtlich zwar gefordert wird, allerdings nicht vorhanden ist. Insbesondere ist die drittschützende Wirkung (die Verhinderung der Ausbreitung von Bränden), die von der Brandschutzwand als Gebäudeabschlusswand ausgeht, hervorzuheben.

 

Das Gericht betonte, dass die bereits errichtete Gebäudeabschlusswand aufseiten der Klägerin für das Grundstück der Beklagten nicht mit ausreichend ist. Eine Verwendung „gemeinsamer Bauteile” ist nur dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass im Falle einer Beseitigung einer der baulichen Anlagen die gemeinsamen Bauteile bestehen bleiben können. Eine solche Sicherstellung ist vorliegend nicht gegeben.

 

Der BGH bestätigt hiermit ein weiteres Mal die ständige Rechtsprechung, nach der eine Verletzung nachbarschützender Bauvorschriften einen verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch begründet.

 

DIE BEEINTRÄCHTIGUNG MUSS ZURECHENBAR SEIN

Dies ist erfüllt, wenn diese mittelbar durch ein Verhalten des Störers eingetreten ist oder aufrechterhalten wurde. Die Wertung der Zurechenbarkeit muss im Rahmen einer Einzelfallentscheidung getroffen werden. Das Gericht prüft an dieser Stelle, ob Sachgründe vorliegen, die in der Verantwortung des Eigentümers oder Nutzers der störenden Sache liegen. Sachgründe liegen beispielsweise dann vor, wenn der Zustand des Grundstücks gegen ein Schutzgesetz verstößt. Eine darüberhinausgehende Beeinträchtigung des Nachbarn ist nicht weiter erforderlich.

 

Ebenso muss der Zustand des Gebäudes nicht konkret gefahrenträchtig sein. Vorliegend besteht die Beeinträchtigung in der Missachtung nachbarschützender Brandschutzvorschriften, die Auswirkungen auf den Zustand des Gebäudes haben. Deshalb muss keine Prüfung daraufhin vorgenommen werden, ob sich das zu beurteilende Gebäude in einem gefahrenträchtigen Zustand befindet.

 

DIE QUELLE DER STÖRUNG MUSS „BEHERRSCHT” WERDEN

Nach dem Urteil des BGH muss die Störung beherrschbar sein, wodurch die Möglichkeit zur Beseitigung der Störungsquelle besteht. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da es in der Macht der Beklagten als Eigentümer des Gebäudes steht, den baulichen Zustand, der dem Eigentumsrecht der Klägerin widerspricht, zu beseitigen.

 

 

RECHTSFOLGE

Der Störer ist gemäß dem Beseitigungsanspruch grundsätzlich verpflichtet, die vorhandene Eigentumsbeeinträchtigung (Störungsquelle) zu beseitigen. Der Anspruch wäre jedoch ausgeschlossen, wenn ein wirtschaftlicher Grund in Form eines unverhältnismäßig hohen Aufwands bezüglich der Errichtung der Brandwand bestehen würde. Der BGH hat im zu entscheidenden Fall festgehalten, dass der hohe finanzielle Aufwand nicht in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Nachbarn stehen würde. Dies resultiert aus dem hohen Stellenwert des Schutzzwecks in Form der Verhinderung der Ausbreitung von Bränden auf Nachbargebäude sowie Leib und Leben der dort gegenwärtigen Personen.

 

FAZIT

Werden nachbarschützende Interessen, insbesondere Vorschriften des Brandschutzes, verletzt, die auf einem Schutzgesetz beruhen, so steht dem Betroffenen ein Beseitigungsanspruch zu. Das Schutzbedürfnis des Nachbarn genießt aufgrund der drittschützenden Wirkung bauordnungsrechtlicher Normen einen hohen Stellenwert. Wichtig ist ebenfalls, dass im Rahmen der Abwägungskriterien keine wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit einzelner Maßnahmen festgestellt werden kann, auch wenn diese mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden sind.

 

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Ann-Kristin Kuhn

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