Haftung und Verantwortung bei Baumschäden

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zuletzt aktualisiert am 8. Juli 2020  | Lesedauer: ca. 4 Minuten

 

Jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, unterhält oder hierfür aus anderen Gründen verantwortlich ist, muss die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die sogenannte FLL-Baumkontrollrichtlinie kann bei der Beurteilung der Anforderungen der Verkehrssicherungspflichten bei Bäumen herangezogen werden. Eine Delegation von Verkehrssicherungspflichten ist möglich, die Anforderungen sollten aber nicht unterschätzt werden.

  

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    Wird ein Schaden durch einen Baum verursacht, stellen sich immer wieder haftungsrechtliche Fragen: Wer haftet im Schadensfall? Wer ist für den Baum verantwortlich? Welche Verkehrssicherungspflichten hat der für den Baum Verantwortliche? Wie weit gehen seine Pflichten?

    Für Kommunen kann eine unzureichende Pflege von Bäumen, die im öffentlichen Raum stehen, zu schwerwiegenden Rechtsfolgen führen, wenn beispielsweise durch herabbrechende Äste oder umstürzende Bäume Personen- oder Sachschäden verursacht werden.

    Aber auch im privaten Bereich stellen sich immer wieder haftungsrechtliche Fragen, wenn es durch Bäume zu Schäden kommt. Die Frage, ob die Kommune oder der private Eigentümer bei einem Schaden haftet oder wegen des allgemeinen Lebensrisikos nicht herangezogen werden kann, muss im Streitfall einzelfallbezogen von dem zuständigen Gericht geprüft und entschieden werden.

    Zur Vermeidung solcher Streitfälle sollten Kommunen und private Eigentümer einige Grundsätze beachten, die hierzu in der Rechtsprechung entwickelt worden sind. Die Grundsätze befassen sich allgemein mit den Verkehrssicherungspflichten bei Bäumen und auch mit der Übertragung dieser Verkehrssicherungspflichten auf Dritte. 
      

    Verkehrssicherungspflichten im Allgemeinen

    Nach ständiger Rechtsprechung muss derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, unterhält oder hierfür aus anderen Gründen verantwortlich ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die Verkehrssicherungspflicht erfasst dabei diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger und in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren. Da jedoch ein hundertprozentiger Ausschluss aller Schäden nicht erreichbar ist, muss der Pflichtige nicht für alle denkbaren Schäden Vorsorge treffen. 

    Aus diesen allgemeinen Grundsätzen leiten sich auch Regeln für die Verkehrssicherungspflichten bei Bäumen ab. 
      

    Bäume im öffentlichen Raum – Verantwortung der Kommunen

    Nach der Rechtsprechung des BGH hat der für Bäume auf öffentlichen Grundstücken Verantwortliche die Bäume regelmäßig zu kontrollieren, um drohende Schäden und Gefahren für Dritte zu erkennen und zur Schadensvermeidung die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Der BGH verlangt, dass die Kontrollen in regelmäßigen Zeitabständen vorgenommen werden und bei Feststellung von Gefahren die objektiv erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen sind (BGH, III ZR 217/63). Wie oft Baumkontrollen durchzuführen sind, richtet sich dabei nach dem Alter, Zustand sowie dem Standort des Baumes. Nach der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechen wird empfohlen, dass eine Baumkontrolle mindestens zweimal im Jahr durchzuführen ist. So sollten die Bäume mindestens einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand geprüft werden. Eine eingehende fachmännische Untersuchung hat jedoch erst zu erfolgen, wenn ein begründeter Verdacht, Zweifel oder besondere Umstände (z. B. äußere Beschädigungen, statischer Aufbau, hohes Alter) vorliegen. Wenn der Baum nicht mehr standsicher ist oder Äste herabzustürzen drohen, muss der Verantwortliche Teile des Baumes entfernen bzw. ihn sogar fällen. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen werden, die nach der Erfahrung auf eine Gefahr durch den Baum hinweisen. 

    Da die einzelfallbezogene und in der Praxis schwierig umsetzbare Rechtsprechung ungelöste Fragen aufgeworfen hat (Was sind zumutbare Maßnahmen? Was sind regelmäßige Zeitabstände bei den Kontrollen? Was sind die konkreten Anforderungen der Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten? Welche Kenntnisse muss der zuständige Mitarbeiter bei der verkehrssicherungspflichtigen Behörde haben?), hat das die Forschungsstelle Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) dazu bewogen, Richtlinien für Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen zu erstellen, die sog. FLL-Baumkontrollrichtlinie.

    Diese Richtlinie kann bei der Beurteilung der Anforderungen der Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden, sie bindet jedoch nicht die Gerichte, da es sich um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Empfehlungen handelt. Unabhängig von der FLL-Richtlinie ist zu beachten, dass die zuständigen Mitarbeiter über den Sachverstand verfügen, um erkennen zu können, worauf es bei der Beurteilung der Gesundheit und Standfestigkeit eines Baumes ankommt. Die regelmäßigen Kontrollen sollten nachvollziehbar dokumentiert werden. 

    Bäume im privaten Bereich – Verantwortung der Privateigentümer

    Das  Oberlandesgericht Düsseldorf beschäftigtet sich in einem Urteil Urteil vom 23. Juli 2013 – 9 U 38/13  mit der Frage der Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf eine ca. 200 Jahre alte Eiche. 

    Die Eiche befand sich auf einem Privatgrundstück. Sie stürzte während eines stärkeren Sturms um und verursachte dadurch Schäden am Gebäude der Klägerin. Der Gebäudeversicherer der Klägerin übernahm die Kosten für die Schadensbeseitigung und nahm anschließend die beklagte Grundstückseigentümerin in Regress. Das Gericht entschied, dass ein Anspruch der Gebäudeversicherung in diesem Fall nicht vorlag. Denn es bestünde im konkreten Fall keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, da die tatsächlich vorhandene Erkrankung der alten Eiche für einen Laien äußerlich nicht erkennbar gewesen war. 

    Die Entscheidung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es grundsätzlich die Pflicht jeden Eigentümers eines Grundstücks ist, Bäume auf Schäden und Erkrankungen in regelmäßigen Abständen zu untersuchen und sie im Falle des Verlustes der Standfestigkeit zu entfernen, damit von ihnen keine Gefahren ausgehen. Im Falle von Bäumen im privaten Bereich kann nach der grundlegenden Entscheidung des OLG Düsseldorfs die Untersuchung durch den Eigentümer selbst erfolgen, einen Fachmann muss er erst dann hinzuziehen, wenn er Zweifel an der Verkehrssicherheit hat.

    Delegation von Verkehrssicherungspflichten

    Im Fall des OLG Düsseldorf war neben den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten auch die Frage der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf einen Dritten Gegenstand der Entscheidung. Das Gericht bejahte die Möglichkeit der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten bei der Haltung von Bäumen auf Dritte und bejahte im gegebenen Fall auch die Wirksamkeit der Übertragung. 

    Besonders bei der Beauftragung externer Dienstleister mit umfangreicheren Aufgaben, die über die der Baumpflege hinausgehen, ist die Frage der Wirksamkeit einer Übertragung von Pflichten von erheblicher Bedeutung. 

    Basis für eine rechtssichere Delegation ist zunächst die eigene Kenntnis der vorhandenen, einzuhaltenden und damit ggf. zu übertragenden Pflichten. Dieser Punkt ist oft von besonderer Schwierigkeit. Zunächst ist eine  Analyse der konkreten Situation (Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, bei Wegen, bei technischen Einrichtungen / Anlagen, öffentlichen Einrichtungen, Wasserversorgung, gebäudebezogen Pflichten, u.a.) erforderlich. Hierauf aufbauend müssen allgemein die konkreten Pflichten für den jeweiligen Sachverhalt anhand gesetzlicher Vorgaben, einschlägiger Regelwerke, DIN-Normen u.a. herausgefiltert werden. Die dann festgestellten und zu übertragenden Pflichten sollten klar definiert und bestimmt sowie im jeweiligen Vertragswerk juristisch eindeutig vereinbart werden. Die fachlich technischen und juristischen Anforderungen an die Feststellung der jeweiligen Pflichten und die vertragliche Vereinbarung einer klaren Delegation sind nicht zu unterschätzen. Das Risiko, dass Pflichten nicht erkannt bzw. erkannte Pflichten nicht wirksam übertragen worden sind, kann im Schadensfall zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen.

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    Klaus Forster, LL.M.

    Rechtsanwalt, Verbandsjurist

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