Fehlende Leistungsdefinition im Bauvertrag oder „Was ist das bestmögliche Ergebnis?”

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veröffentlicht am 03. November 2015

 

von Tanja Nein

 

Bei Bauprojekten ist das Kernstück eines guten Vertrags die Definition der zu erbringenden Leistung mit den Zielen, die der Bauherr mit dem Bauvorhaben erreichen will und entsprechenden Sanktionen. Fehlen konkrete Vereinbarungen, muss im Streitfall ein Richter den Vertrag aus der Sicht eines Außenstehenden nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen beurteilen, die ihm das Gesetz dafür vorgibt. Es liegt auf der Hand, dass die Gerichte den Vertrag nicht immer so auslegen, wie ihn der Bauherr verstanden haben wollte.
 
Das ist die Frage, mit der sich das OLG Dresden in einem Verfahren wegen behaupteter Mängel einer Wasserkraftanlage zu beschäftigen hatte (Urteil vom 9. Juli 2015, Az. 9 U 1777/08). 
      
Die beklagte Fachfirma plante, lieferte und errichtete für den Auftraggeber eine Wasserkraftanlage. Konkrete Leistungsdaten, insbesondere eine bestimmte Ausführung, eine Jahresenergiemenge ö.ä. waren nicht vereinbart worden; eine konkrete Leistungsbeschreibung lag ebenfalls nicht vor. 
          
Der Auftraggeber rügte noch bei der Abnahme verschiedene Mängel, die insgesamt zu einer Leistungsverringerung der Anlage führen. Diese Mängel möchte er nun von dem Auftragnehmer beseitigt haben, das OLG Dresden lehnte den Anspruch des Auftraggebers ab. 
  
Das Fehlen einer vertraglichen Leistungsbestimmung allein ist noch nicht so problematisch. § 633 Abs. 2 BGB regelt für diesen Fall, dass die Leistung sich für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen muss, die der Besteller üblicherweise erwarten kann. Im vorliegenden Fall hatte der Auftragnehmer, nach Ansicht des Gerichts, eine Anlage bereitzustellen, „die die nach den örtlichen Gegebenheiten verfügbare Wasserkraft bestmöglich zu nutzen imstande sein sollte”.
 
Eine Antwort darauf, wie genau die Anlage zu errichten ist, gibt das Gesetz natürlich nicht. Die Kunst des Planens und Bauens bei einer Wasserkraftanlage besteht – wie der Sachverständige im Prozess ausgeführt hat – darin, Orte und Strecken der Entstehung von Verlusten bei der Wasserfallhöhe zu vermeiden und nachteilige Folgen so gering wie möglich zu halten. „Das verdeutlicht, dass schon die Festlegung dessen, was denn nun die nach den örtlichen Gegebenheiten bestmöglich konzipierte Wasserkraftanlage zu leisten imstande sein muss, nicht zweifelsfrei bestimmbar ist. Die Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse mit ihren Schwankungen in der Wasserzufuhr und der Notwendigkeit, hierauf und auf Verunreinigungen im Wasser leistungsoptimiert zu reagieren, machen jede Wasserkraftanlage zu einem mit anderen Wasserkraftanlagen nicht ohne weiteres vergleichbarem Werk.” 
 
Zwar stellte der Sachverständige im Verfahren diverse Punkte fest, die bei der konkreten Anlage hätten anders ausgeführt werden können oder sogar müssen, sodass technisch eben gerade nicht die bestmögliche Anlage für den Standort gebaut wurde und der
bestmögliche Energieertrag nicht erreicht werden konnte.
 
Das Gericht ist aber der Ansicht, dass dies allein keinen Mangel der Wasserkraftanlage darstellt, solange der Energieertrag nicht mehr als 15 Prozent hinter dem technisch erreichbaren zurück bleibt. Es billigt dem Auftragnehmer also einen Spielraum zu und berücksichtigt bei dessen Festlegung, dass die „Wasserkraftanlage aus mehreren ineinander greifenden Einzelkomponenten besteht, die jeweils in ihrer Planung und Ausführung auf die Vor-Ort-Situation abzustimmen waren.” Die hier ausgeurteilte Grenze von 15 Prozent hat das Gericht nach den Gegebenheiten des Falles gewählt, auch dafür gibt es keine gesetzliche Regelung.
 

Praxishinweis

Dieser Fall steht exemplarisch für viele Projekte und Verträge mit einer unzureichenden Definition des vertraglichen Leistungsumfangs, z. B. im Rahmen einer funktionalen Leistungsbeschreibung, Pauschalpreisabreden oder einfach nicht konkret definierten Zielen des Auftraggebers.
  
Der Rechtsstreit dreht sich zwar um die theoretische Frage, ob die bestmögliche Anlage errichtet wurde oder nicht, also ob das üblicherweise Geschuldete hergestellt wurde. Diese Frage hatte das Gericht aber nur zu klären, weil die einfache Mangeldefinition des § 633 Abs. 2 S. 1 BGB „Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat.” hier nicht greift und somit überhaupt erst die weiteren unbestimmten Definitionen des Gesetzes bemüht werden mussten.
  
Die gerichtliche Auseinandersetzung hätte man vermeiden können, wenn der Auftraggeber seine Anforderungen an die Leistung konkret beschrieben und den Vertrag entsprechend gestaltet hätte.
  
Dem Auftraggeber kommt es bei solchen Projekten erfahrungsgemäß darauf an, die Anlage unter Berücksichtigung von Herstellungs- und Betriebskosten wirtschaftlich zu betreiben. Dabei ist es ihm vermutlich zwar auch wichtig, die bestmögliche Anlage zu erhalten. Wichtiger wird ihm aber sein, dass er für einen angemessenen Preis eine Anlage bekommt, deren Betrieb ihm einen Überschuss erwirtschaften wird.
  
Geholfen hätte hier beispielsweise eine gestaffelte Beauftragung von Planung und Umsetzung, die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Festlegung der Leistungsdaten usw. Dies kombiniert mit einer darauf aufsetzenden fundierten Wirtschaftlichkeitsrechnung des Auftraggebers für die Anlage und der Ermittlung eines angemessenen Herstellungspreises hätte dem Auftraggeber schon vorab ermöglicht abzuschätzen, ob die von dem Auftragnehmer geplante Anlage für den vereinbarten Preis für ihn einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglicht und sich die Ausgabe damit lohnt.
  
Wie mit einer umfassenden Definition des Leistungsumfangs Nachträge reduziert und damit Zeit und Geld für den Auftraggeber gespart werden kann, diskutieren wir gerne mit Ihnen bei unserem Bauamtsleitertag Bayern am 18. November 2015 im Stammhaus von Rödl & Partner in Nürnberg.

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Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

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