Die neue Anlageverordnung – mehr erhoffte Spielräume oder zu viel Risiko?

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veröffentlicht am 1. Juli 2025


​Mit dem Inkrafttreten der novellierten Anlageverordnung (AnlV n. F.) am 7. Februar 2025 verbindet sich der Anspruch, wichtige Impulse für die institutionelle Kapitalanlage auf der einen Seite und für die Finanzierung der nachhaltigen Transformation in Deutschland auf der anderen Seite zu geben. Für viele kommunale Kapitalanleger in Nordrhein-Westfalen beispielsweise, die aufgrund des Runderlasses zur kommunalen Geldanlage ebenfalls an die Anlageverordnung gebunden sind, stellt sich nun die Frage: Bietet die neue Anlageverordnung tatsächlich den benötigten erweiterten Spielraum bei der Kapitalanlage oder führt sie vielmehr zu einer riskanteren Positionierung, die die langfristige Haushaltsstabilität gefährden könnte?

Wesentliche Kernpunkte der novellierten Anlageverordnung im Überblick

  1. Anhebung der Risikokapitalquote um 5 Prozentpunkte: Die zulässige Quote für Risikokapitalanlagen, die insbesondere Anlagen in Aktien und alternative Investments umfasst, wird in § 3 Abs. 3 Satz 1 AnlV n. F. von 35 % auf 40 % angehoben.
  2. Einführung einer eigenständigen 5%-Infrastrukturquote: Mit dem neuen § 3 Abs. 7 AnlV n. F. schafft die neue Verordnung gezielte Anreize für Investitionen in Infrastrukturprojekte.
  3. Nutzung der Öffnungsklausel bei Überschreiten von Streuungsgrenzen: Ein Überschreiten der geltenden Streuungsgrenzen im Hinblick auf einzelne Schuldner oder Investments ist unter Nutzung der Öffnungsklausel nun zulässig.

Diese lang erwarteten Änderungen betreffen nicht nur Versicherungsunternehmen im klassischen Sinn, sondern auch kommunale Pensionsfonds, Versorgungswerke, Pensionskassen und Beteiligungen in Nordrhein-Westfalen.

Eine wesentliche Änderung der Anlageverordnung ist die Anhebung der Risikokapitalquote von 35 % auf 40 %. In welchem Maß dieser neue Spielraum nutzbar ist, wird weiterhin vom Anlage- und Risikomanagement sowie der Risikotragfähigkeit des jeweiligen Investors bestimmt. Unter die Risikokapitalquote fallen neben Aktien, Nachranganleihen und Genussrechten insbesondere auch alternative Anlageklassen wie Immobilien, erneuerbare Energien, Private Equity/Debt oder Hedgefonds. Viele Portfolios kommunaler Anleger mit langfristigem Anlagehorizont weisen eine maximale Risikoquote inkl. klassischer alternativer Investments in Höhe von 25 % und darüber auf. Die Möglichkeit, die Risikoquote auf maximal 40 % zu erhöhen, wird voraussichtlich Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien zugutekommen.

Mit der Einführung einer eigenständigen Infrastrukturquote ist das klare Ziel verbunden, Infrastrukturinvestitionen durch institutionelle und kommunale Anleger zu fördern. Wie schon der Regierungsentwurf begründete, ist die Anlage des Sicherungsvermögens in Infrastrukturvermögen nicht auf 5 % beschränkt. Vielmehr konkurrieren Investitionen, die unter diese neue Infrastrukturquote fallen, nicht mit anderen Anlagen und sind entsprechend weder Teil der Risikokapitalanlagenquote noch Teil der bestehenden Mischungsquoten nach § 3 Abs. 1 bis 6 der Anlagenverordnung.

In § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b AnlV n. F. stellt der Gesetzgeber weiterhin klar, dass geschlossene „Beteiligungs-AIF“ auch in Infrastruktur-Projektgesellschaften investieren dürfen.

Solange die absoluten Anlageverbote nach § 2 Abs. 4 AnlV nicht griffen, ermöglichte die sog. Öffnungsklausel bereits zuvor eine Investition in nach § 2 Abs. 1 AnlV grundsätzlich unzulässige Anlagen bzw. eine über die jeweils durch die Anlageverordnung vorgegebenen Mischungsquoten hinausgehende Investition. Die neue Fassung der Anlageverordnung regelt darüber hinaus die Möglichkeit, im Rahmen der Öffnungsklausel in Anlagen zu investieren, die die Streuungsgrenzen nach § 4 Abs. 1 bis 4 AnlV übersteigen. Dies bietet mehr Flexibilität im Hinblick auf einzelne Schuldner oder einzelne Investments, um beispielsweise den Spielraum für Anlagen mit höheren Renditen zu erweitern. Eine Erweiterung der Kapazität der Öffnungsklausel geht damit nicht einher. Diese beträgt weiterhin 5 % bzw. 10 % mit Genehmigung der Aufsichtsbehörden.

Fazit

Die Achte Verordnung zur Änderung der Anlageverordnung ist kein Paradigmenwechsel, vielmehr stellt sie für kommunale Kapitalanleger eine spürbare Liberalisierung dar. Allerdings gibt es die neue Freiheit nicht ohne Preis: Sie verlangt eine fundierte Auseinandersetzung mit der eigenen Risikotragfähigkeit, eine Professionalisierung des Asset-Managements und eine fortlaufende Überwachung und Dokumentation. Die Investition in Aktien, alternative Anlageklassen und Infrastrukturprojekte kann viele neue Chancen hervorbringen – vorausgesetzt, sie erfolgt im Rahmen eines klar strukturierten Anlageprozesses, der die Risikotragfähigkeit und das öffentliche Interesse wahrt. Gerade kommunale Anleger sollten die neuen Spielräume nicht als Einladung zur Spekulation verstehen, sondern als Gelegenheit, ihr Portfolio nachhaltiger, diversifizierter und zukunftsorientierter aufzustellen. Dabei ist es wichtig, die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört ein systematischer und objektiver Auswahlprozess zur Identifizierung solcher Investitionsmöglichkeiten, eine verständliche und umfassende Anlagerichtlinie, regelmäßige Kommunikation und vor allem eine sachgerechte Kontrolle und Überwachung der Anlagen mit quartalsweiser Dokumentation.

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