Vergaberecht: Ausschreibung eines Wirtschaftlichkeitslückenmodells im sog. Lückenschlussprogramm

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veröffentlicht am 1. Juli 2025


Im Rahmen des Wirtschaftlichkeitslückenmodells werden der Netzausbau und -betrieb von Breitbandnetzinfrastruktur in einem einheitlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben. Das ausgewählte Unternehmen erhält das Recht bzw. übernimmt die Verpflichtung, die Breitbandnetzinfrastruktur unter Nutzung der gewährten Investitionsbeihilfen zu errichten, das Breitbandnetz in Betrieb zu nehmen und für mindestens sieben Jahre zu betreiben.1 Das sog. Lückenschlussprogramm ermöglicht es, für förderfähige Gebiete, die im Rahmen eines geplanten, laufenden oder abgeschlossenen Ausbaus nicht erschlossen wurden und aufgrund ihrer geringen Größe auch zukünftig nicht erschlossen würden (Lückenschluss-Gebiet), eine Förderung zu erhalten, um ihre Erschließung zu ermöglichen.

I Verfahrensart


Eine Ausschreibung im Wirtschaftlichkeitslückenmodell kann entweder im Rahmen eines offenen Verfahrens oder als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erfolgen. Je nach antizipierter Komplexität bietet es sich an, ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zu wählen, um beispielsweise auf eine etwaige Anpassung der Förderkulisse sachgerecht reagieren zu können.

Die Bieter reichen in diesem Verfahren einen Teilnahmeantrag ein. Im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs wird die Eignung der Bieter geprüft. Sofern die Unternehmen als geeignet einzustufen sind, werden sie zur Abgabe eines Erstangebotes aufgefordert. Es kann sich anbieten, hier eine Reduzierung der Bieter vorzunehmen und beispielsweise nur die besten2 drei Bieter aufzufordern. Die eingereichten Erstangebote werden mit den Bietern verhandelt. Verhandeln heißt, dass Auftraggeber und Bieter den Vertragsinhalt so lange erörtern, bis klar ist, wie Leistung und Gegenleistung konkret beschaffen sein sollen, und die Parteien ein gemeinsames Verständnis von dem zu erfüllenden Auftrag haben. Im Anschluss werden die Bieter zur Abgabe von endgültigen Angeboten aufgefordert. Das wirtschaftlichste Angebot, gemessen an den Zuschlagskriterien, erhält schließlich den Zuschlag. 

II Bewilligungszeitraum vs. Verfahrensfrist 


In der Praxis zeigt sich, dass der Bewilligungszeitraum für Förderungen nach dem sog. Lückenschlussprogramm äußerst knapp gewählt ist. Anders als in den bisherigen Förderprogrammen, in denen es möglich war, über einen Änderungsantrag vor bzw. im Rahmen der Konkretisierung einen längeren Bewilligungszeitraum zu erwirken, scheint sich im Moment abzuzeichnen, dass der Fördergeber strikt am einmal im Bescheid gesetzten Bewilligungszeitraum festhalten will. Im Rahmen des gesetzten Bewilligungszeitraumes ist das Vergabeverfahren durchzuführen und die Leistung zu vergeben. Das obsiegende Telekommunikationsunternehmen muss sodann planen, die geförderten Adressen erschließen und die Netzinfrastruktur in Betrieb nehmen. Das Ende des Bewilligungszeitraumes ist nicht selten schnell erreicht.

In einem solchen Fall kann es sich bereits im Rahmen der Verfahrenswahl anbieten, den „Zeitfaktor“ mitzudenken. Soweit kein großer Verhandlungsbedarf zu erwarten ist, kann die Wahl eines offenen Verfahrens vorzugswürdiger sein, um wertvolle Zeit zum Ende hin zu gewinnen. 

Auch hier zeigt die Praxis, dass eine Verhandlungsrunde in nicht wenigen Fällen dazu führt, die angebotene Wirtschaftlichkeitslücke zu reduzieren, da beispielsweise etwaige Synergien im Rahmen der Trassenführung abgestimmt werden können. Daher erscheint vielen Auftraggebern das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorzugswürdiger.

Im ersten Schritt kann natürlich in Erwägung gezogen werden, die Verfahrensfristen auf die Mindestfristen zu verkürzen oder mit entsprechender Begründung sogar die Mindestfristen zu verkürzen. Diese Begründung sollte gut dokumentiert sein. Der Grund für die Verkürzung der Mindestfrist darf nicht auf eine Ursache zurückgehen, die der Auftraggeber zu verantworten hat.

Ebenfalls kann sich der Auftraggeber vorbehalten, das Erstangebot zu bezuschlagen, ohne in die Verhandlung einzutreten. Dies hat er in der EU-Bekanntmachung anzukündigen. Es bietet sich an, zusätzlich einen Hinweis auf diesen Vorbehalt in die Vergabeunterlagen aufzunehmen. Von diesem Vorbehalt kann er allerdings nur dann Gebrauch machen, wenn tatsächlich kein Verhandlungsbedarf besteht. Soweit ein Unternehmen beispielsweise einen kommentierten Vertrag eingereicht hat, ist dies wohl als Verhandlungsbedarf zu werten. Um ein langwieriges Verfahren zu vermeiden, kann es sich daher aus Sicht der Unternehmen anbieten, Rückfragen zum Vertrag bereits vor Abgabe des Erstangebotes beim Auftraggeber zu adressieren.

III Beauftragung


Anders als bei Ausschreibungen von Wirtschaftlichkeitslückenmodellen nach Gigabit 2.0 kann im Rahmen des sog. Lückenschlussprogramms der Zuschlag regelmäßig nach Auswertung der Angebote erteilt werden. Der Auftraggeber ist also schneller mit dem Verhandlungsverfahren fertig und kann auch die Beauftragung vornehmen. Damit kann die Leistungserbringung schneller erfolgen.


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1 Ziffer 3.1 der Gigabit-Richtlinie 2.0 in der Änderungsfassung vom 30. April 2024.
2 Gemessen an den Teilnahmekriterien.

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Freya Weber, geb. Schwering

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht, Europajuristin (Univ. Würzburg)

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