Mit § 2 b-konformem Personalpooling aus der Fachkräftemangel-Falle

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veröffentlicht am 9. Januar 2018

 

Kleinere und kleine Kommunen tun sich oftmals schon aus haushälterischen Gründen schwer, die nach technischen Regelwerken für Fachaufgaben erforderlichen Fachkräfte vorzuhalten. Zugleich scheuen nicht wenige, zur Problemlösung „gleich” eine überörtliche institutionalisierte Organisation, etwa einen Zweckverband, zu gründen. Das muss auch nicht sein. Denn funktionierende Lösungen können kommunal-, arbeits- und steuerrechtlich unkompliziert auch auf vertraglicher Grundlage herbeigeführt werden.

 

​Technische Regelwerke und Fachkräfte-Anforderungen

Alle Landesgesetzgeber geben den Kommunen ungeachtet von deren Größe die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung als Pflichtaufgaben vor. Die zugehörigen bundesrechtlichen Fachgesetze bestimmen wichtige Grundsätze – Trinkwasser „muss rein und genusstauglich sein” (§ 4 Abs. 1 S. 2 TrinkwV), Abwasser „ist so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird” (§ 55 Abs. 1 S. 1 WHG) – enthalten jedoch keine Vorgaben zu Qualifikation und Kopfzahlen des für die Aufgabenerfüllung einzusetzenden Personals. Allerdings bestehen dazu mit insbesondere den Arbeitsblättern DVGW W 10001 und DWA-M 10002 technische Regelwerke, die abhängig von Umfang und Komplexität der Ver- bzw. Entsorgungsanlage Anforderungsprofile zur Qualifikation – z.B. Klärwärter/Fachkräfte für Abwassertechnik/Abwassermeister/Ingenieure – und Anzahl erforderlicher technischer Fach- und Führungskräfte setzen. Diese Anforderungsprofile zu erfüllen, fällt gerade kleinen Gemeinden häufig schwer – ob des „Preises” für solche Fachkräfte, der Frage, wie höher qualifizierte Fachkräfte auf kleinen Anlagen sinnvoll ausgelastet werden können und auf dem „platten Land” nicht zuletzt auch mit den Schwierigkeiten, überhaupt geeignetes Personal gewinnen zu können.

 

Die Nicht-Erfüllung der personellen Anforderungsprofile führt zwar, da die technischen Regelwerke nicht den „Rang” förmlicher Gesetze haben, nicht unmittelbar zu Sanktionen. Allerdings können gebotene Nachweise, dass die Anlagen und ihre Organisation den allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) entsprechen, nicht (mehr) geführt werden; damit stehen Genehmigungen und Zulassungen „auf der Kippe”. Und klar sollte auch sein: Bei bewusstem, mehr als nur vorübergehendem Unterschreiten der aaRdT steht (jedenfalls Eventual-) Vorsatz im Raum, sodass im Fall von Personen-, Sach- oder Vermögensschäden der gemeindliche Versicherungsschutz „weg” sein dürfte bzw. wenn die Versicherung doch für den Schaden eintritt, sie nach den jeweiligen Versicherungsbedingungen Rückgriff bei dem oder den verantwortlichen Organen als Schadensverursachern nehmen kann – und dies wohl auch tun wird. 

 

Vertragliches Personalpooling zur Fachkräfte-Bündelung 

Nun besteht zwar seit jeher die Möglichkeit, dem Fachkräftemangel durch die Übertragung der betreffenden Aufgaben auf überörtliche institutionalisierte Organisationen – insbesondere Zweckverbände – zu begegnen, weil dadurch größere Einheiten geschaffen werden, denen es naturgemäß leichter fällt, die erforderlichen Fachkräfte zu finden, auszulasten und zu finanzieren. Und dass sich diese Möglichkeit bewährt hat und weiter bewährt, dürfte schon die schiere Zahl von z.B. mehr als 400 Wasserversorgungs-Zweckverbänden allein in Baden-Württemberg und Bayern3 zeigen. Allerdings nehmen wir doch wahr, dass soweit kleinere und kleine Gemeinden bisher solche überörtlichen Organisationen nicht errichtet bzw. sich ihnen angeschlossen haben, sie sich auch scheuen, dies heute noch zu tun. Als Gründe werden der erwartete zeitliche, personelle und finanzielle Aufwand für Errichtung und Betrieb solcher Organisationen – eigene Organe, Gremien, eigenes Haushalts- und Rechnungswesen – angeführt, aber durchaus auch das politische Argument, dass mit einer institutionalisierten Zusammenarbeit wesentliche Entscheidungen, z.B. zu Investitionen und Gebühren, nicht mehr alleine, sondern nur noch zusammen mit den weiteren Mitgliedern der institutionalisierten Zusammenarbeit getroffen werden können, man also, jedenfalls anteilig, „nicht mehr Herr im eigenen Haus ist”.

 

Alleine überfordert und zu einer „Zweckehe” nicht bereit – da ist es von Vorteil, dass es noch eine weitere Handlungsoption gibt. Denn ein Fachkräftemangel kann auch dadurch ausgeglichen werden, dass zwei, drei oder mehr Gemeinden sich auf vertraglicher Basis ihr vorhandenes Personal nach Bedarf wechselseitig zeitanteilig und gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellen und so einen Fachkräfte-Personalpool schaffen. Sind bei keiner der beteiligten Gemeinden die erforderlichen Anforderungsqualifikationen besetzt, so kann dies auch ein Personalpool nicht heilen. Gängig ist aber doch, wenn die beteiligten Gemeinden nach Komplexität und Aufgabenumfang ihrer Anlagen höher qualifizierte Anforderungsprofile – etwa umwelttechnische-Berufe-Fachkräfte, geprüfte Abwasser bzw. Wassermeister – vorhalten müssen, nach der Größe ihrer Anlagen aber nicht in Vollzeit. Gleiches gilt auch für weniger hoch qualifizierte Fachkräfte, wenn diese zwar als solche bei den Gemeinden vorhanden sind, mit weiteren Aufgaben in den Gemeinden – üblicherweise für die Bauhöfe – auf den Anlagen nur zeitanteilig zur Verfügung stehen können und das eben nicht immer dann, wenn es gerade erforderlich ist. In solchen Ausgangslagen – und gerade diese sind bei kleinen Gemeinden häufig anzutreffen – bietet ein vertragsbasiertes Fachkräftepooling die Lösung, um die personellen Anforderungsprofile der technischen Regelwerke abdecken und bedarfsabhängig in den beteiligten Gemeinden auch einsetzen zu können.

 

Kommunalrechtlich ist der Weg dazu mit den nach allen Landesgesetzen zur interkommunalen Zusammenarbeit (Landes-KomZG) zugelassen Zweck- bzw. öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen (örV) eröffnet. So bestimmen Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen in ihren Landes-KomZG ausdrücklich die Möglichkeit der zeitanteiligen Personalleihe. Und die Landes-KomZG der anderen Flächenbundesländer kennen jedenfalls örV, mit denen einem Beteiligten durch den oder die anderen Beteiligten Aufgaben vollständig (delegierend) oder nur zur Durchführung (mandatierend) übertragen werden können – was dann den „Aufhänger” für zeitanteilige Personalüberlassungen bildet.

 

 

Bleibt als letzte Hürde das Steuerrecht. Und in der Tat unterfallen entgeltliche Personalgestellungen von einer an eine andere Gemeinde als solche erst einmal der Umsatzbesteuerung. Ein Fachkräftepooling würde sich damit für die beteiligten Gemeinden so verteuern, dass es deutlich an Attraktivität verlieren würde. Allerdings kann mit dem zum 1. Januar 2016 in das UStG eingefügten und seit 1. Januar 2017 wirksamen § 2b UStG ein Fachkräftepooling auch umsatzsteuerfrei gestaltet werden, wenn die entgeltliche Leistung „wechselseitige zeitanteilige Personalgestellung” (vgl. § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a) – d) UStG)

 

  • zwischen jPöR auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen erfolgt → unproblematisch, weil zwischen Gemeinden und weil die in den Landes-KomZG vorgesehenen örV öffentlich-rechtliche Vereinbarungen in diesem Sinne sind,
  • dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dient → kann für die pflichtigen Daseinsvorsorgeaufgaben Wasserver- und Abwasserentsorgung der beteiligten Gemeinden dargelegt werden,
  • von den Leistenden im Wesentlichen nur an andere jPöR erbracht wird unproblematisch, weil das Fachkräftepooling zwischen den beteiligten Gemeinden bleibt und die der Leistungserbringung zugrunde liegende örV
  • langfristig und nur auf Kostenerstattung ausgerichtet ist → muss (nur) so vereinbart werden.

 

Dass die Umsatzsteuerfreiheit nicht nur in der Theorie mit Blick ins Gesetz, sondern tatsächlich möglich ist, steht mit unseren in Abstimmung mit den Finanzbehörden bereits umgesetzten Gestaltungen (Stichwort: „Verbindliche Auskunft”) fest.

 

Die Bildung eines Fachkräftepools auf der Grundlage wechselseitiger zeitanteiliger Personalüberlassungen kann damit für alle beteiligten Beteiligten nur Win-win-Situationen schaffen: Die personellen Anforderungsprofile der technischen Regelwerke werden erfüllt, damit Risiken, Schäden und Folgeschäden vermieden, und das Ganze, ohne dass die einzelne Gemeinde den vollen Personalaufwand aus bei ihr besetzten, isoliert bei ihr aber nicht voll ausgelasteten Fachkräften tragen muss. Zugleich rücken neue/weitere Fördermittel in Reichweite, weil von Fördermittelgebern vorausgesetzte/geforderte personelle Anforderungsprofile abgedeckt werden, die von der einzelnen kleinen Gemeinde eher nicht vorgehalten werden. Und nicht zuletzt können die einbezogenen Arbeitnehmer profitieren, weil mit dem erweiterten Einsatzbereich auch Höhergruppierungen in Betracht kommen.

 

 

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1 DVGW-Arbeitsblatt: Anforderungen an die Qualifikation und die Organisation von Trinkwasserversorgern

2 DWA-Merkblatt: Anforderungen an die Qualifikation und die Organisation von Betreibern von Abwasseranlagen

3 beck-online, Praxis der Kommunalverwaltung (PdK) Baden-Württemberg bzw. Bayern, Erl. 1.1 Einführung zu GKZ BaWü bzw. Erl. 1 zu Art. 1 BayKommZG.

4 Wortlaut § 4 Abs. 3 S. 1 TVöD: „Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung).”

 

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