(Navigatorische) Herausforderungen im Rahmen von IT-Vergaben: Markterkundung

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veröffentlicht am 3. Januar 2022​

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Nicht nur in Zeiten der COVID-19-Pandemie rüsten sich immer mehr öffentliche Auftraggeber mithilfe von Beschaffungen im IT-Bereich aus. Dies kann zum einen die Hardware (z. B. Laptops), aber auch Software-Beschaffungen (z. B. ERP-Systeme) betreffen. Dabei stellen sich neben den Fragen zum richtigen Vergabeverfahren vor allem auch inhaltliche Fragen, wie die nach der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Nicht selten enden Projekte auf hoher See in Orientierungslosigkeit. Dabei kostet Orientierung oft nur einen Bruchteil der Gesamtkosten. Beratung am Anfang des Projekts sichert den Erfolg der Expedition: Ein sichereres, termingerechtes Ankommen am geplanten Ort – der erfolgreichen Beschaffung.


Dreh- und Angelpunkt für das Gelingen der Ausschreibung ist eine „gute” Leistungsbeschreibung. Nur wann ist eine Leistungsbeschreibung „gut”? In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Die Leistungsbeschreibung enthält die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebotes erforderlich ist, sowie die Umstände und Bedingungen der Leistungsbeschreibung.1 Die Durchführung von Vergabeverfahren hingegen lediglich zur Markterkundung und zum Zwecke der Kosten- oder Preisermittlung ist unzulässig.2

 

Hierzu muss der öffentliche Auftraggeber wissen, was er braucht. Gerade im IT-Bereich ist diese Frage jedoch nicht immer leicht zu beantworten. Zumeist ruft sie auch zahlreiche Folgefragen auf den Plan, wie etwa die Frage nach Schnittstellen und der richtigen Systemumgebung, um nur die Klassiker zu nennen. Oft steht am Anfang einer Beschaffung nur eine Problembeschreibung und keine Lösung. Spätestens dann ist die sogfältige Abwägung des weiteren Vorgehens unter sachkundiger Anleitung mehr als angezeigt. Dabei kann man das Projekt gut mit einer Expedition vergleichen. Eine Kursänderung am Beginn der Überfahrt hat nachweislich die größte Auswirkung. Peilt man die Karibik an, landet es sich in Grönland umso schmerzvoller. Deshalb ist es besonders hilfreich, sich in systematischer Weise klar darüber zu werden, welche operativen Anforderungen an eine IT-Lösung gestellt werden. Dazu gehört die Niederschrift von Anforderungen aus Anwendersicht. Denn die Anwender sind es, die am Ende final beurteilen werden, ob ein Projekt als erfolgreich angesehen werden kann oder nicht.

 

Vor Einleitung eines Vergabeverfahrens darf der öffentliche Auftraggeber daher Markterkundungen zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Unternehmen über seine Auftragsvergabepläne und -anforderungen durchführen.3 Eine Markterkundung ist im Hinblick auf die Anforderung, dass die Leistungsbeschreibung eindeutig und erschöpfend zu erstellen ist, fast ausnahmslos sinnvoll. Im Gegenteil könnte eine ohne vorher erforderliche Markterkundung erfolgte Ausschreibung mangels Ausschreibungsreife sogar vergaberechtswidrig sein.4

 

Die Markterkundung ist somit ein Kommunikationsinstrument, das sowohl öffentlichen Auftraggebern als auch Unternehmen die Zurverfügungstellung von Informationen über Inhalte einer Auftragsvergabe vor Beginn eines Vergabeverfahrens erlaubt.5 Es hilft dabei sich zu orientieren, welche Lösungen am Markt für die bestehenden Herausforderungen verfügbar sind. Es geht also nicht nur um eine Auswahl einer bekannten Lösung, sondern nicht selten auch darum, sich überhaupt erst einen Überblick über die denkbaren Problemlösungsansätze zu verschaffen.

 

Der öffentliche Auftraggeber kann sich also einen ersten Eindruck über bspw. die angebotenen Produkte, das potenzielle Bieterfeld und das Marktpreisniveau verschaffen. Entscheidend ist, dass die Markterkundung der Vorbereitung der Auftragsvergabe dient, also „die Erkundungen unzweifelhaft auf die Herstellung der Ausschreibungsreife abzielen”.6

 

Der öffentliche Auftraggeber sollte zu jeder Zeit klarstellen, dass es sich nicht um ein Vergabeverfahren, sondern eine unverbindliche Marktabfrage handelt. Auch sollte die Markterkundung nicht dazu führen, dass den angefragten Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil in Form von bspw. Sonderwissen im Hinblick auf das spätere Vergabeverfahren verschafft wird.

 

Die Markterkundung sollte umfassend dokumentiert werden, insbesondere auch die mit den Unternehmen geführten Gespräche zu den besprochenen Themen.

 

 

PRAXISTIPP
Entwerfen Sie einheitliche (kurze) Fragebögen, die Sie an die infrage kommenden Unternehmen adressieren.

 

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1 § 121 GWB.
2 § 28 Abs. 2 VgV.
3 § 28 Abs. 1 VgV.
4 Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 10.6.2015, VK 1-40/15 statt weiterer.
5 Contag in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2018, § 28 VgV Rn. 6.
6 Kadenbach, in Müller-Wrede, VgV/UVgO Kommentar, 1. Aufl. 2017, § 28 Rn. 13.

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Freya Weber, geb. Schwering

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht, Europajuristin (Univ. Würzburg)

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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Datenschutzbeauftragter (GDDcert.EU), Master of Laws Rechtsinformatik (Universität Passau)

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