Bürgerenergieprojekte unter dem KAGB

PrintMailRate-it
Von Philipp Marx und Dr. Dietrich Wagner
 
Am 22. Juli 2013 ist das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in Kraft getreten und hat die EU-Richtlinie über „Alternative Investment Fonds-Manager” (AIFM-Richtlinie) in na­tionales Recht umgesetzt. Damit besteht erstmals ein Rechtsrahmen für nahezu alle strukturierten Kapitalanlagen. Auch Bürgerenergieprojekte unterliegen der neuen gesetzlichen Regulierung, wenn für sie der Anwendungsbereich des KAGB eröffnet ist. Ein vom Gesetzgeber kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens eingeführter Ausnahmetatbestand ermöglicht allerdings für Bürgerenergiegenossenschaften erhebliche aufsichtsrechtliche Erleichterungen.
 
Das KAGB reguliert alle Beteiligungsmodelle, die gemäß § 1 Abs. 1 KAGB vom Begriff des „Investmentvermögens” erfasst werden. Dazu gehört „jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Zahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Fi­nanzsektors ist”. Auf nationaler Ebene ist es Aufgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Begriffsmerkmale zu konkretisieren. In ihrem Auslegungsschreiben vom 14. Juni 2013 hat die BaFin darauf hingewiesen, dass auch Bürgerenergieprojekte unabhängig von ihrer Rechtsform unter den Begriff des „Investmentvermögens” fallen können. Danach können beispielsweise Energiegenossenschaften, deren Unternehmensgegenstand auf die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Erzeugung von Energien sowie auf den Absatz der gewonnenen Energien gerichtet ist und deren Mitglieder vom Unternehmensgewinn eine Dividende auf ihre Einlage erhalten, als „Investmentvermögen” einzuordnen sein. Dies gelte auch bei der Wahl einer anderen Rechtsform, denn entscheidend sei, ob die Anleger gemeinsam für Erfolg und Risiko des Organismus einstehen.
 
Vom Anwendungsbereich des KAGB sollen allerdings „operativ tätige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors” nicht erfasst werden. Damit möchte der Gesetzgeber dem Bedürfnis Rechnung tragen, Unternehmen der Realwirtschaft des Produktions- und Dienstleistungssektors von den Anforderungen des KAGB auszunehmen. Gemeint sind insbesondere solche Unternehmen, die Immobilien errichten und entwickeln, Güter und Handelswaren produzieren, kaufen, verkaufen, tauschen oder sonstige Dienstleistungen außerhalb des Finanzsektors anbieten. Dabei ist die Auslagerung einzelner Tätigkeiten auf fremde Dienstleister oder unternehmensinterne Gesellschaften unschädlich, sofern gewährleistet ist, dass die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb bei dem Unternehmen selbst verbleiben. Auch operative Unternehmen erneuerbarer Energien fallen damit nicht in den Anwendungsbereich des KAGB, wenn durch konkrete Ausgestaltung des Projekts die Anlage selbst betrieben wird. Der BaFin zu Folge ist das KAGB auch im Rahmen der Projektentwicklung, etwa bei noch ausstehender Errichtung der Anlage, nicht anzuwenden. In Zweifelsfällen entscheidet die BaFin, ob ein Unternehmen dem KAGB unterliegt oder ein „Investmentvermögen” gemäß § 1 Abs. 1 KAGB vorliegt.
 
Ist der Anwendungsbereich eröffnet, werden Bürgerenergieprojekte zukünftig als geschlossener Alternativer Investmentfonds (AIF) zu qualifizieren sein. Im Gegensatz zu offenen Investmentvermögen beteiligen sich die Anleger bei einem geschlossenen AIF mit einer Mindesthaltefrist von über einem Jahr, das heißt ohne das Recht einer vorzeitigen Rückgabe ihrer Anteile. Mit dem Anwendungsbereich des KAGB sind umfangreiche aufsichtsrechtliche Anforderungen an AIF und ihre Verwalter verbunden. So müssen für die Verwaltung eines AIF eine „Kapitalverwaltungsgesellschaft” (KVG) und eine „Verwahrstelle” beauftragt werden. Damit sind hohe Fondsmanagementkosten verbunden.
 
Die vorgenannten Anforderungen verdeutlichen die praktische Relevanz der in § 2 KAGB benannten Ausnahmetatbestände, nach denen das KAGB nur eingeschränkt anzuwenden ist. Für Bürgerenergieprojekte hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 4b) KAGB einen speziellen Ausnahmetatbestand geschaffen. Um in den Genuss der gesetzlichen Erleichterungen zu kommen, muss der inländische Publikums-AIF in der Rechtsform einer Genossenschaft aufgesetzt sein und satzungsgemäß eine Nachschusspflicht ausgeschlossen haben. Darüber hinaus dürfen die Vermögensgegenstände einschließlich Leverage den Betrag von 100 Mio. Euro nicht überschreiten und es muss sichergestellt sein, dass aufgrund gesetzlicher Regelungen wie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ein Mindestertrag aus der Nutzung des Sachwerts langfristig sichergestellt ist. Der AIF muss intern verwaltet werden, das heißt der AIF ist zugleich die KVG. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dann sind die gesetzlichen Anforderungen sehr begrenzt. Die interne KVG muss sich bei der BaFin registrieren lassen und dabei bestimmte Informationen über die bestehende Anlagestrategie vorlegen. Im Rahmen der Registrierung sind die Geschäftsleiter anzugeben und Nachweise über deren Zuverlässigkeit und fachliche Eignung zu erbringen. Abgesehen von regelmäßigen Berichtspflichten gegenüber der BaFin, müssen keine weiteren Anforderungen  nach dem KAGB erfüllt werden.
 
Die Initiatoren von Bürgerenergieprojekten müssen sich auf umfangreiche gesetzliche Anforderungen einstellen, wenn ihr Projekt in den Anwendungsbereich des KAGB fällt. Der Anwendungsbereich ist grundsätzlich für Bürgerenergieprojekte eröffnet, wenn es sich nicht um ein „operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors” handelt. Dies macht eine Prüfung im Einzelfall unabdingbar. Allerdings bietet auch bei Einschlägigkeit des KAGB der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 4b) KAGB Bürgerenergieprojekten nicht zu unterschätzende aufsichtsrechtliche Erleichterungen.

Kontakt

Contact Person Picture

Dr. Christian Conreder

Rechtsanwalt

Partner

+49 40 2292 975 32

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Meike Farhan

Rechtsanwältin

Associate Partner

+49 40 22 92 97 – 5 33

Anfrage senden

Profil

Weitere Informationen

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu