Finanzmarktanpassungsgesetz – Neufassung der Regeln zur Abgrenzung von offenen und geschlossenen AIF

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Am 14. Juli 2014 ist die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 694/2014 der Kommission vom 17. Dezember 2013 zur Ergänzung der Richtlinie 2011/61/EU („AIFM-Richtlinie”) im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Bestimmung der Arten von Verwaltern alternativer Investmentfonds („Delegierte Verordnung”) in Kraft getreten. Es liegt somit nunmehr eine verbindliche europarechtliche Grundlage für die Abgrenzung von offenen und geschlossenen AIF vor. Entsprechend wurden durch das Gesetz zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarktes („Finanzmarktanpassungsgesetz”), das seinerseits am 19. Juli 2014 in Kraft getreten ist, insbesondere die zugehörigen definitorischen Änderungen innerhalb des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) vorgenommen.
 

Änderungen der Begriffsbestimmungen des KAGB 

Im neuen § 1 Absatz 4 Nr. 2 KAGB werden entsprechend den Vorgaben der Delegierten Verordnung alle derartigen AIF als offene definiert, deren Anteile vor Beginn der Liquidations- oder Auslaufphase des AIF auf Ersuchen eines Anteilseigners direkt oder indirekt aus den Vermögenswerten des AIF und nach den Verfahren und mit der Häufigkeit, die in den Vertragsbedingungen oder der Satzung, dem Prospekt oder den Emissionsunterlagen festgelegt sind, zurückgekauft oder zurückgenommen werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach jetziger Rechtslage AIF, die vor ihrer Liquidation Rückkaufs- oder Rückgaberechte vorsehen, als offene AIF zu qualifizieren sind. Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung in § 1 Absatz 4 Nr. 2 KAGB enthaltene Voraussetzung, dass Rücknahmen mindestens einmal im Jahr möglich sein müssen, wurde mithin aufgegeben.
 

Abweichende Definition „geschlossener AIF” in KAGB-Übergangsvorschriften 

Da die Delegierte Verordnung jedoch für die Zwecke der Übergangsbestimmungen der AIFM-Richtlinie eine abweichende Definition von geschlossenen AIF enthält, wurde entsprechend in das KAGB die neue Vorschrift des § 352a KAGB eingefügt. Hiernach gelten für die Übergangsbestimmung des § 353 KAGB auch solche AIF als geschlossen, deren Anteile vor Beginn der Liquidations- oder Auslaufphase erst nach einer Wartezeit von mindestens fünf Jahren zurückgegeben werden können. Problematisch ist diese Fünfjahresfrist dabei insbesondere für „Kurzläufer-Altfonds”, das heißt für AIF, die grundsätzlich nach der bisherigen Rechtslage vollen Bestandsschutz genossen, die aber aufgrund der Neuregelung wieder aus dem Bestandsschutz herausfallen können, sofern sie die vorausgesetzte Fünfjahresfrist nicht einhalten (vgl. Fonds-Brief direkt 8. Januar 2014)
 

Spezielle Übergangsregelungen – Übergangsfrist für „Umstellung” 

Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, sofern dies aufgrund der verbindlichen europarechtlichen Vorgaben durchführbar ist, die durch die Änderungen der Abgrenzung von offenen und geschlossenen AIF im KAGB entstehen können, wurden zudem in § 353 KAGB neue Übergangsbestimmungen in den Absätzen 9 bis 13 geschaffen.
 
So trifft etwa § 353 Absatz 11 KAGB eine Regelung insbesondere für AIF, die vor dem 22. Juli 2013 aufgelegt wurden und nach alter Rechtslage als geschlossene AIF zu qualifizieren waren, die aber die neue Anforderung der fünfjährigen Wartefrist nicht erfüllen. Für derartige AIF besteht nunmehr die die Möglichkeit, auch weiter als geschlossene AIF zu gelten, sofern die Rückgaberegelungen entsprechend angepasst werden und die Anpassungen spätestens am 19. Januar 2015 in Kraft treten.
 

Problem – Definition „Rückgaberechte” 

Trotz der verbindlichen Neuregelung bestehen nach wie vor erhebliche Anwendungsprobleme bei der Qualifizierung von offenen und geschlossenen AIF, da derzeit noch nicht abschließend geklärt ist, wie Rücknahme- oder Rückkaufsrechte im Sinne der Delegierten Verordnung zu verstehen sind.
 
Insbesondere ist noch unklar, wie Sonderkündigungsrechte etwa in Fällen von Erwerbsminderungen von Anlegern zu behandeln sind. Sollten derartige Sonderkündigungsrechte als Rücknahme- oder Rückkaufsrechte angesehen werden, so könnte dies bei Altfonds, die nach der bisherigen Rechtslage vollen Bestandsschutz als geschlossener AIF genossen haben, dazu führen, dass die in Delegierten Verordnung angeführte fünfjährige Wartefrist verletzt wird. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass der betreffende AIF nach neuer Rechtslage als offen zu qualifizieren wäre, wenn er nicht von der Umstellungsfrist Gebrauch macht.
 

Ausblick

Sowohl bezüglich der laufenden Fondskonzeption als auch bei der Behandlung von Altfonds bestehen im Hinblick auf die Qualifizierung als offener bzw. geschlossener AIF auch nach der europarechtlichen verbindlichen Definition durch die Delegierte Verordnung erhebliche Anwendungsunsicherheiten. Da jedoch durch das Finanzmarktanpassungsgesetz eine differenzierte Abfolge von Übergangsregelungen zur Abmilderung der Folgen der Neufassung der Abgrenzungskriterien geschaffen wurde, sollten speziell Verwalter von Alt- bzw. Bestandsfonds ihre verwalteten AIF auf entsprechenden Anpassungsbedarf untersuchen, um von den (neuen) Übergangsregelungen in § 353 KAGB optimal profitieren zu können.

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Sebastian Schüßler

Rechtsanwalt, Leiter Taskforce Digitale Transformation Geschäftsfeld Rechtsberatung

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