OLG Frankfurt am Main: Zum Erfordernis der anlegergerechten Beratung bei Stiftungen

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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat in einem Urteil vom 28. Januar 2015 (Az: 1 U 32/13) eine Bank wegen Falschberatung einer gemeinnützigen Stiftung zur Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung und zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Ob und inwiefern diesem Urteil allgemeingültige Aussagen zu entnehmen sind, ist äußerst fraglich.
 
Die klagende Stiftung hatte sich im Jahr 2001 nach einer Beratung durch die beklagte Bank an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt, dessen zu errichtendes Objekt durch ein Darlehen in Schweizer Franken finanziert wurde. Die Ausschüttungen erfolgten zunächst planmäßig, blieben dann allerdings ab 2011 aus. In der Folgezeit richtete sich die Stiftung unter Berufung auf Falschberatung gegen die beratende Bank und hatte damit Erfolg.
 
Als Begründung für die Verurteilung führt das OLG in seinem Urteil im Wesentlichen folgende zwei Beratungsfehler ins Feld: Die Bank habe die Stiftung zum einen nicht über ihre vereinnahmten Rückvergütungen („Kick-Backs”) aufgeklärt. Zum anderen sei die Empfehlung der Anlage in den geschlossenen Immobilienfonds, in den letztlich investiert wurde, nicht anlegergerecht gewesen, da die konkrete Anlage laut OLG „mit der rechtlichen Verpflichtung der Stiftung, ihr Stiftungskapital zu erhalten, unvereinbar” sei.
 
Die Verpflichtung einer Bank, einen potentiellen Anleger über etwaige Rückvergütungen aufzuklären, besteht bereits nach der sogenannten Kick-Back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2006 (Az. XI ZR 56/05) und stellt deshalb keine Neuerung für die vertriebliche Praxis dar. Nach dieser BGH-Rechtsprechung müssen Banken, die einen potentiellen Anleger beraten und den Erwerb von Fondsanteilen empfehlen, diesen auch über etwaige Rückvergütungen aufklären, die die Bank nach der Zeichnung durch den Anleger von einem Dritten erhält. Die Anleger sollen durch die Aufklärung die Möglichkeit bekommen, zu beurteilen, ob die Anlageempfehlung allein im Anlegerinteresse oder aber im Umsatzinteresse der Bank erfolgt ist. Wird ein Anleger hingegen nicht über diese Rückvergütungen aufgeklärt, so steht ihm in aller Regel ein Anspruch auf Rückabwicklung der Fondsbeteiligung sowie ein Schadensersatzanspruch zu.
 
Die Beratung durch die Bank ist nach Ansicht des OLG ferner deshalb fehlerhaft, weil sie nicht stiftungsgerecht, mithin nicht anlegergerecht, erfolgt sei, da die empfohlene Anlage aufgrund möglicher Verlustrisiken nicht mit dem stiftungsrechtlichen Kapitalerhaltungsgrundsatz zu vereinbaren gewesen sei. Die Entscheidung des OLG Frankfurt stellt - in dieser Akzentuierung wohl erstmals - klar, dass im Rahmen einer Anlageberatung einer Stiftung aufgrund der geschuldeten anlegergerechten Beratung auch die stiftungsspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen sind.
 
Ob das OLG hier allerdings eine verallgemeinerungsfähige Aussage treffen wollte ist fraglich.
 
Der stiftungsrechtliche Kapitalerhaltungsgrundsatz ergibt sich aus den Stiftungsgesetzen der Bundesländer. Die Pflicht das Vermögen der Stiftung ungeschmälert zu erhalten und gegebenenfalls es flankierend sicher bzw. sparsam und wirtschaftlich zu verwalten, wird von den meisten Bundesländern aber dadurch eingeschränkt, dass Ausnahmen zulässig sind, wenn die Satzung der Stiftung oder die zuständige Stiftungsbehörde diese zulassen bzw. wenn der Stifterwille auf diese Weise nicht verwirklicht werden kann. Ein ausdrückliches Verbot, Verlustrisiken in jeglicher Form einzugehen, ist den Stiftungsgesetzen jedoch nicht zu entnehmen.
 
Die Anlage in den dem Urteil zugrundeliegenden Fonds war mit „gewissen Verlustrisiken” verbunden, die sich insbesondere aus der Finanzierung in einer Fremdwährung ergaben. Nicht jeder geschlossene Immobilienfonds birgt allerdings die gleichen Risiken in sich, vielmehr hängen diese von der jeweiligen Ausgestaltung des Fonds ab. Ein Rückschluss von einem auf den anderen Fonds ist deshalb nur selten möglich.
 
Interessanterweise spricht das OLG Frankfurt auch eine Verteidigungsmöglichkeit für einen Berater bzw. ein beratendes Unternehmen an: Selbst wenn der beratenden Bank eine nicht anlegergerechte Beratung vorgeworfen werden kann, besteht für sie nach Auffassung des Gerichts die Möglichkeit, sich mit dem Einwand zu verteidigen, der Anleger sei nach einer objektgerechten Beratung ausnahmsweise dazu bereit gewesen, von seiner herkömmlichen Anlagestrategie abzuweichen und ein höheres Risiko einzugehen. Im Prozess hat dies die beratende Bank darzulegen und zu beweisen. Erfüllt die beratende Bank die sich nach heutiger Rechtslage aus dem WpHG und der FinVermV ergebenden Informations- und Dokumentationspflichten ordnungsgemäß, dürfte es ihr wohl unschwer möglich sein, die hierfür erforderlichen Nachweise zu erbringen. Im streitgegenständlichen Verfahren ist die Beklagte beweisfällig geblieben.
 

Ausblick 

Die Entscheidung des OLG Frankfurt polarisiert – viele Fragen bleiben offen, auch sollte man sicherlich keine übereilten Schlüsse ziehen. Ob das Urteil bedeutet, dass geschlossene Fonds von Stiftungen generell nicht als Investitionsobjekte verwendet werden dürfen, kann zumindest bezweifelt werden.
 
Für eine Einbeziehung von geschlossenen Fonds könnte etwa die – im Gegensatz zum entschiedenen Fall – mittlerweile umgesetzte Regulierung, insbesondere durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), ins Feld geführt werden. So könnte durch die auch für Investmentkommanditgesellschaften heute obligatorischen Anlagebedingungen ein entsprechender Abgleich mit stiftungsrechtlichen Vorgaben einschätzbar durchgeführt werden.
 
Bis sich eine rechtssichere Marktpraxis entwickelt hat, ist sicher eine intensivere Befassung mit dem stiftungsrechtlichen Kapitalerhaltungsgebot in Beratungssituationen bzw. eine spezifische Dokumentation in Bezug auf stiftungsrelevante Belange nicht unangebracht.

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Sebastian Schüßler

Rechtsanwalt, Leiter Taskforce Digitale Transformation Geschäftsfeld Rechtsberatung

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