Indische Einwanderungs- und Beschäftigungsgesetze: Brückenschlag zwischen Europa und Indien

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veröffentlicht am 10. Mai 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


„Deutschland ist nicht nur unser größter Handelspartner in Europa, sondern auch eine wichtige Quelle für Investitionen in Indien“, so der indische Premierminister Narendra Modi bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Indien ist eine wachsende Wirtschaft und eines der bevorzugten Zielländer für viele Natio­nen. Deutsche Unternehmen haben ihre Investitionen in Indien stetig erhöht und ihr Geschäft ausgebaut. Bei der Expansion oder dem Aufbau von Geschäften in Indien entsenden die Unternehmen ihre Mitarbeiter nach Indien. Bei der Entsendung werden die Mitarbeiter mit verschiedenen komplexen indischen Gesetzen konfrontiert. Die größte Hürde für die zugewanderten Mitarbeiter ist die Erlangung der Staatsbürger­schaft bzw. die Erfüllung der Visabestimmungen und die Einhaltung der Arbeitsge­setze des Landes. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Einwanderungs- und Arbeitsgesetze in Indien sowie über die wichtigsten Aspekte, die für Expatriates zu beachten sind.



Einwanderungsgesetze in Indien

Die indischen Gesetze in Bezug auf die Einreise von Ausländern nach Indien sind hauptsächlich im Passport (Entry in India) Act, 1920, im Registration of Foreigners Act, 1939 und im Foreigners Act, 1946 geregelt. Mit die­sen Gesetzen regelt die indische Regierung den Aufenthalt und die Mobilität ausländischer Staatsange­höriger sowie die Festlegung von Beschränkungen im indischen Hoheitsgebiet. Für alle internationalen Besucher ist die Einholung eines Visums der erste Schritt zur rechtmäßigen Einreise in das indische Hoheitsgebiet.

Im Allgemeinen wird Ausländern ein Arbeitsvisum für die Aufnahme einer Beschäftigung in Indien erteilt. Dabei muss die Beschäftigung entweder bei einem in Indien registrierten Unternehmen bzw. einer in Indien regis­trier­ten Firma/Organisation erfolgen oder der Expat muss bei einem ausländischen Unternehmen/einer auslän­di­schen Firma beschäftigt sein, das/die mit der Durchführung eines Projekts in Indien beauftragt ist. Expat­ri­ates haben Anspruch auf ein Arbeitsvisum, wenn sie aufgrund eines Arbeitsangebots oder durch einen unter­neh­mens­internen Transfer oder zur Durchführung eines bestimmten Projekts nach Indien versetzt werden. Ein Ge­schäfts­visum wird in der Regel an Expatriates vergeben, die geschäftlich nach Indien reisen, z.B. für Be­sprech­ungen, Messen, Verkäufe oder zur Herstellung von Kontakten im Namen eines Unternehmens/Arbeit­gebers au­ßerhalb Indiens. Expatriates, die mit einem Geschäftsvisum einreisen, arbeiten in der Regel für sich oder im Auftrag eines ausländischen Unternehmens für eine begrenzte Zeit und erbringen keine Dienstleistungen für einen lokalen/indischen Arbeitgeber.

Gemäß den vom indischen Einwanderungsbüro (FRRO) veröffentlichten Anweisungen ist eine Registrierung für ein Arbeitsvisum nur dann erforderlich, wenn die Laufzeit des Visums – der Zeitraum, für den es erteilt wird – mehr als 180 Tage beträgt (einschließlich Einreise- und Abreisetag). Das gilt unabhängig davon, wie lange sich der Visuminhaber tatsächlich in Indien aufhält. Wird das Arbeitsvisum für eine Dauer von mehr als 180 Tagen ausgestellt, sieht das Gesetz vor, dass es mit einem Vermerk versehen wird, der besagt, dass sich der Visum­inhaber/Expat innerhalb von 14 Tagen nach seiner Ankunft in Indien bei der FRRO registrieren lassen muss. Bei Arbeitsvisa, die für einen Zeitraum von 180 Tagen oder weniger ausgestellt werden, ist eine Registrierung bei der FRRO nicht erforderlich, es sei denn, auf dem Visum selbst ist ein entsprechender Vermerk angebracht. Alle Inhaber von Geschäftsvisa müssen sich bei der zuständigen FRRO registrieren lassen, wenn der Gesamt­aufenthalt in Indien mit einem Geschäftsvisum 180 Tage innerhalb eines Kalenderjahres überschreitet.


Arbeitsgesetze in Indien für Expatriates

Nach der Erteilung des Visums sind die Expatriates oft mit den komplexen indischen Arbeits- und Beschäf­ti­gungs­gesetzen konfrontiert. Die Arbeits- und Beschäftigungsgesetze in Indien beruhen auf den tief verwur­zel­ten Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der sozialen Sicherheit und der sozioökonomischen Bedingungen. Sie wurden erlassen, um das Wohlergehen und die Interessen der Arbeitnehmer zu regeln, zu fördern und zu schütz­en und die Ansprüche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern festzulegen. Diese Gesetze werden sowohl auf bundesstaatlicher als auch auf zentraler Ebene formuliert. Jeder Bundesstaat hat seine eigenen landes­spe­zi­fisch­en Bestimmungen, und alle wichtigen Arbeitsgesetze gelten auch für ausländische Arbeitnehmer, da­run­ter der Employees Provident Fund and Miscellaneous Provisions Act, 1952 („EPF Act“) und der Payment of Gratuity Act, 1972.


Soziale Sicherheit

In Indien ist der EPF Act das maßgebliche Gesetz, das sich mit den Sozialversicherungsleistungen für Arbeit­nehmer befasst. Der Geltungsbereich des EPF-Gesetzes wurde 2008 erweitert, um eine weitere Kategorie von Arbeitnehmern mit der Bezeichnung „International Worker“ zu erfassen. Die Definition des Begriffs „Inter­natio­naler Arbeitnehmer“ im Rahmen des EPF-Gesetzes umfasst ausländische Staatsangehörige, die für einen Be­trieb in Indien arbeiten, für den das EPF-Gesetz gilt. Eine Befreiung von der Beitragspflicht in Indien ist mö­glich, wenn sie unter den Bedingungen des Sozialversicherungsabkommens zwischen Indien und ihrem Hei­mat­land Beiträge zu einem Sozialversicherungsprogramm ihres Heimatlandes leisten.

Das wird dadurch erreicht, dass ausländische Arbeitnehmer für den Zeitraum und die Bedingungen, die in ei­nem solchen Sozialversicherungsabkommen festgelegt sind, den Status eines „abgeordneten Arbeitnehmers“ genießen. Folglich verbleiben sie in ihrem Heimatland und dürfen Beiträge zum Sozialversicherungssystem ihres Heimatlandes leisten. Findet das Sozialversicherungsabkommen keine Anwendung, müssen inter­na­tio­nale Arbeitnehmer in Indien in die indische Rentenversicherung, den Employees' Provident Fund, einzahlen. Internationale Arbeitnehmer sind verpflichtet, unabhängig von der Höhe ihres Gehalts Beiträge zur indischen Sozialversicherung zu zahlen.


Steuerliche Aspekte

Eine Folge des Auslandseinsatzes ist in der Regel die Änderung der steuerlichen Ansässigkeit. Das muss nicht unbedingt im Vertrag festgehalten werden, sollte aber bei der allgemeinen Strukturierung des Auslandsein­satz­es und der generellen Gestaltung des Vertrages berücksichtigt werden.

Ähnlich wie im deutschen Recht richtet sich die Steuerpflicht einer natürlichen Person in Indien nach ihrer steu­erlichen Ansässigkeit. Das ergibt sich aus Section 6 des Income Tax Act, 1961 (ITA). Anders als in Deut­sch­land ist nicht die Angabe eines Wohnsitzes entscheidend, sondern nur die physische Anwesenheit. Der Zweck des Aufenthalts oder die Staatsangehörigkeit sind unerheblich. Grundsätzlich wird zwischen „ansässig und ge­wöhn­lich ansässig“, „ansässig, aber nicht gewöhnlich ansässig“ und „nicht ansässig“ unterschieden. Bei der Be­ur­teilung der steuerlichen Ansässigkeit ist zu beachten, dass das indische Finanzjahr am 1. April eines jeden Jahres beginnt und am 31. März des Folgejahres endet. Wenn der Arbeitnehmer beispielsweise während des in­dischen Finanzjahres seinen Hauptwohnsitz in Indien hat und einen Wohnsitz in Deutschland unterhält, kann er von beiden Staaten als ansässig behandelt werden.

In solchen Fällen entscheidet das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Bundes­re­publik Deutschland und der Republik Indien (DBA) über das Wohnsitz- und Besteuerungsrecht der Staaten. Die DBA zielen auch darauf ab, eine Doppelbesteuerung desselben Einkommens zu vermeiden, indem sie entweder entsprechende Steuerbefreiungen oder Steueranrechnungen vorsehen. Die Anwendbarkeit der DBA-Bestim­mung­en ist im Jahr der Ausreise und im Jahr der Rückkehr besonders wichtig, da in der Regel die Gefahr einer Doppelbesteuerung besteht. Daher sollten diese Aspekte im Voraus geprüft und geplant werden, um eine Doppel­besteuerung zu vermeiden.

Auf Konzernebene kann auch eine so genannte Tax Equalization Policy eingeführt werden, die – falls erfor­der­lich – einen Steuerausgleich für den Arbeitnehmer vorsieht, um sicherzustellen, dass die Entsendung ins Aus­land nicht zu einem steuerlichen Nachteil für den Arbeitnehmer führt. Es ist wichtig zu beachten, dass Expats, die nach Indien kommen, für eine Entsendung, eine doppelte Beschäftigung oder eine Beschäftigung ohne Nie­der­lassung kommen können, was aus steuerlicher Sicht schwerwiegende Folgen hätte.


Zusammenfassung

Bei der Gestaltung der Beschäftigung eines Expatriates in Indien sind viele Aspekte zu berücksichtigen, da­run­ter die Mindestgehaltsanforderungen aus Sicht der Einwanderung, die Sozialversicherungsgesetze und die Steu­er­gesetze. Außerdem sollte die Auslandstätigkeit so strukturiert werden, dass das Risiko einer Doppel­be­las­tung durch die Sozialversicherungs- und Steuergesetze des Heimatlandes und Indiens minimiert wird.  Es ist auch wichtig anzumerken, dass aufgrund der starken bilateralen Beziehungen zwischen Indien und den Mit­glie­dern der Europäischen Union (EU) und der jüngsten Urteile, in denen die indischen Gerichte im Interesse der sozialen Sicherheit, der Unternehmen und der Wirtschaft Stellung bezogen haben, die Zahl der Unternehmen und Expatriates in Indien voraussichtlich steigen wird.

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