Beschluss kann nicht von Widerspruch abhängen

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​BGH, Urteil vom 6.7.2018, V ZR 221/17

Ein Beschlussergebnis kann nicht unter der Bedingung festgestellt werden, dass kein Wohnungseigentümer innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht. Geschieht dies dennoch, ist ein Beschluss nicht zustande gekommen.

 

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft plante ein Eigentümer mehrere Dachgauben umzubauen. Der Verwalter informierte die übrigen Eigentümer über die geplanten Änderungen und übersandte ihnen eine Vorlage für einen Zustimmungsbeschluss per Umlaufverfahren. Für die Stimmabgabe setzte er eine Frist bis zum 08.03.2013. Ein Eigentümer lehnte den Beschlussantrag innerhalb dieser Frist ab, die übrigen Eigentümer stimmten zu. Der Eigentümer, der mit „Nein” gestimmt hatte, zog seine Stimme jedoch am 12.03.2013 zurück und erklärte, der Maßnahme nunmehr auch zuzustimmen. Der Verwalter teilte dies den Eigentümern mit und formulierte, dass eigentlich der Beschluss mangels Zustimmung aller Eigentümer innerhalb der Frist abgelehnt sei, er werde den Beschluss aber dennoch als angenommen werten, wenn diesem Vorgehen bis zum 24.03.2013 kein Eigentümer widerspreche. Ein Widerspruch wurde nicht erhoben, woraufhin der bauwillige Eigentümer den Umbau durchführte. Nach Abschluss des Umbaus verlangen die Eigentümer einer Wohnung, dass die Baumaßnahme rückgängig gemacht wird.

 

Zu Unrecht! Dies ergibt sich allerdings nicht schon aus dem „Zustimmungsbeschluss”, denn ein solcher ist nicht wirksam zustande gekommen. Jedenfalls fehlt es nämlich an einer wirksamen Verkündung eines auf dieser Grundlage gefassten Beschlusses. Im Schreiben des Verwalters vom 15.03.2013 wurde kein endgültiges Beschlussergebnis festgestellt, sondern lediglich mitgeteilt, der Beschlussantrag werde zukünftig als angenommen gewertet. Die weitere – mögliche – Feststellung eines Beschlussergebnisses nach Ablauf der Widerspruchsfrist ist aber unterblieben.

 

Allerdings – und das ist bemerkenswert – verstößt es hier nach Ansicht der Richter gegen Treu und Glauben, wenn Eigentümer die Rückgängigmachung einer Maßnahme verlangen, der sie und alle anderen Eigentümer zugestimmt hatten. Widersprüchliches Verhalten sei dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist. Das sei hier der Fall. Es lag die Zustimmung sämtlicher Eigentümer zu der Baumaßnahme vor. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig, denn es musste sich nicht aufdrängen, dass der vom Verwalter initiierte Beschluss nicht zustande gekommen war. Demgegenüber sind für die Eigentümer, die nun den Rückbau verlangen, keine Gründe ersichtlich, die ihr Verlangen trotz der mit einem Rückbau verbundenen erheblichen Nachteile für die Eigentümer, die den Umbau vorgenommen haben, rechtfertigen könnten.

 

Fazit:

Erstaunlich ist die Auffassung des BGH, denn er lässt die streitige Rechtsfrage zu § 22 WEG (erneut) unbeantwortet. Streitig ist, ob immer ein Beschluss zugrunde liegen muss, oder ob nicht die Zustimmung außerhalb des Beschlussweges ausreicht. Faktisch schließt sich der BGH mit seinem Hinweis auf § 242 BGB der Meinung an, dass die Zustimmung zur baulichen Maßnahme auch außerhalb eines Beschlusses erteilt werden kann. Sicher geht, wer gleichwohl einen (richtigen) Beschluss fasst.

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