Bei corona-bedingter Schließung ist Miete doch nicht geschuldet

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​LG München I, Urteil vom 22. September 2020 - 3 O 4495/20

Abweichung zum Urteil des LG Frankfurt: Staatlich verordnete Schließungen wegen COVID19 führen doch zu einem Mietmangel. Zudem soll auch die Geschäftsgrundlage entfallen.


Wegen der Corona-Epidemie ordnete der Freistaat Bayern die Schließung sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels in der Zeit vom 18. März bis zum 26. April 2020 an. Dies betrifft auch ein gewerbliches Mietverhältnis über Verkaufs- und Lagerräume eines exklusiven Möbelgeschäfts. Der Mieter informiert den Vermieter, dass er ab April 2020 bis auf weiteres corona-bedingt die Miete um 100% kürze und beruft sich auf höhere Gewalt. Der Vermieter klagt die Mieten von April bis Juni 2020 i.H.v. rund 223.000 EUR ein.


Hierzu – wir berichteten in der Ausgabe vom 27. Oktober 2020 – hat das LG Frankfurt in seinem Urteil vom 2. Oktober 2020, Az.: 2-15 O 23/20 noch festgestellt, dass weder ein Recht zur Mietminderung bestehe noch die Geschäftsgrundlage für die Zeit der Schließung weggefallen sei.


Nach der hier vorliegenden Entscheidung gilt: Der Mieter darf nach § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB mindern, weil die staatlich verordnete Schließung einen Mangel der Mietsache bewirke. Dafür stellt das Gericht auf vier Entscheidungen des Reichsgerichts aus dem 1. Weltkrieg ab. Im Übrigen sei anerkannt, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen als rechtliche Verhältnisse einen Mangel darstellen können, wenn sie sich auf Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Sache beziehen, wobei es auf den vereinbarten Geschäftszweck ankommt und die Beschränkung grundsätzlich bestehen muss. Der Mietzweck – Betreiben eines Möbelgeschäfts – konnte nach den behördlichen Beschränkungen infolge der Epidemie nicht mehr eingehalten werden. Diese Beschränkungen fallen nach Ansicht der Münchener Richter nicht in den Risikobereich des Mieters.


Eine Klausel im Mietvertrag, wonach der Mieter auf sein Risiko etwaige behördliche Genehmigungen einzuholen und aufrechtzuerhalten hat, greife darüber hinaus nicht, weil dies nur baurechtliche oder gegebenenfalls arbeitsrechtliche Genehmigungen betreffen würde. Für die Höhe der Minderung sind die individuellen Umstände zu berücksichtigen.


Zudem liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, da die Parteien die Folgen einer eintretenden Corona-Epidemie und staatlicher Infektionsschutzmaßnahmen offenkundig nicht bedacht haben und so den Vertrag kaum geschlossen hätten (§ 313 Abs. 1 und 2 BGB).

 

Fazit:

Damit liegen nun zwei voneinander abweichende gerichtliche Entscheidungen vor, die zunächst noch die Berufungsinstanz zum jeweiligen OLG überstehen müssen. Sicherlich wird das aber in naher Zukunft den BGH beschäftigen. Bis dahin müssen wir mit der geschaffenen Rechtsunsicherheit leben. Bedauerlich ist das insoweit, weil in juristischen Fortbildungsveranstaltungen Richter am LG München noch die andere Auffassung vertraten.

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