Wohnungseigentümer als „Verbraucher“ im Verwaltungsverhältnis

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veröffentlicht am  03.01.2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten

 

EuGH, Urteil vom 27.10.2022 – Az. C-485/21

Ein Wohnungseigentümer ist bei Abschluss eines Verwaltungsvertrages als „Verbraucher” im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG anzusehen, wenn er „Partei” des Vertrages ist.


D ist Eigentümerin einer Wohnung, die Teil eines im Miteigentum stehenden Gebäudes in Nessebar (Bulgarien) ist. Gemäß eines von ihr unterschriebenen Vertrages über die Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche dieses Gebäudes, welcher die „SV“ (eine Handelsgesellschaft bulgarischen Rechts) als Verwalterin ausweist, ist D als Miteigentümerin verpflichtet, der „SV” für die Verwaltung und Instandhaltung des Gebäudes eine Jahresgebühr zu zahlen. Nach diesem Vertrag ist die Gesellschaft im Fall eines Zahlungsverzugs berechtigt, auf den geschuldeten Betrag Zinsen i. H. v. 0,1 % pro Verzugstag zu erheben. Am 26.8.2020 forderte die „SV” die D unter Fristsetzung zum 31.08.2020 zur Zahlung der geschuldeten Jahresgebühr für die Zeit nach 2012 samt Verzugszinsen auf. Da D der Aufforderung nicht nachkam, erhob die „SV” schließlich Klage beim Rayongericht Nessebar, dem nun vorlegenden Gericht. D ist der Auffassung, die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 93/13/EG sei vorliegend anwendbar, sie sei in diesem Sinne „Verbraucherin” und werde durch die im Vertrag enthaltenen missbräuchlichen, unbestimmten Klauseln sowie die übermäßig hohe Verzugsentschädigung unangemessen benachteiligt. Die entsprechenden Klauseln seien zwischen den Parteien auch nicht im Einzelnen ausgehandelt worden.


Der EuGH äußerte sich hierzu wie folgt: Eine natürliche Person, die Eigentümerin einer Wohnung in einem im Miteigentum stehenden Gebäudes ist, ist als „Verbraucher” im Sinn dieser Richtlinie anzusehen, wenn sie mit einem Verwalter einen Vertrag über die Verwaltung und Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche dieses Gebäudes schließt, sofern sie diese Wohnung nicht zu Zwecken verwendet, die ausschließlich ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Der Umstand, dass ein Teil der vom Verwalter erbrachten Leistungen auf der Notwendigkeit der Beachtung besonderer Anforderungen des nationalen Rechts im Bereich der Sicherheit und der Raumplanung beruhen, kann diesen Vertrag nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie entziehen.


Nach Ansicht des EuGH bleibt eine natürliche Person, die Eigentümerin einer Wohnung in einem im Miteigentum stehenden Gebäudes ist, auch dann „Verbraucherin” im Sinne der Richtlinie, wenn der Verwaltungsvertrag zwischen dem Verwalter und der Hauptversammlung der Miteigentümer oder der Gemeinschaft der Eigentümer dieses Gebäudes abgeschlossen wird. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Wohnungseigentümerin als „Partei” dieses Vertrags eingestuft werden kann und – auch in diesem Fall – ihre Wohnung nicht ausschließlich zu Zwecken verwendet, die ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind.

 

Fazit:

Der EuGH schließt die Anwendbarkeit der Richtlinie bei Verwaltungsverträgen über Wohneigentum also nicht gänzlich aus, sondern macht die Anwendbarkeit davon abhängig, ob die jeweilige natürliche Person Vertragspartei geworden ist. Sofern das der Fall ist, bleibt die Verbrauchereigenschaft bestehen, auch wenn der Verwaltungsvertrag von der Hauptversammlung der Miteigentümer oder der Gemeinschaft der Eigentümer abgeschlossen wird. Anders verhält es sich, wenn der Wohnungseigentümer nicht Vertragspartei ist, da die Hauptversammlung der Miteigentümer oder die Gemeinschaft der Eigentümer keine „natürliche Person” ist und daher nicht als „Verbraucher” eingestuft werden. Gleichwohl stellt der EuGH klar, dass die Richtlinie nationaler Rechtsprechung nicht entgegensteht. Die Richtlinie umsetzende Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz werden so ausgelegt, dass diese auch auf einen Vertrag Anwendung finden, den ein Rechtssubjekt wie eine Wohnungseigentümergemeinschaft abschließt, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und somit eigentlich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.

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