Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers

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veröffentlicht am  26.9.2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 15. September 2023, Az.: V ZR 77/22

Immobilienverkäufer kommen ihrer Aufklärungspflicht nicht dadurch nach, dass wichtige Unterlagen kurz vor Vertragsschluss in den Datenraum eingestellt werden.

Die Beklagte verkaufte der Klägerin mit notariellem Vertrag vom 25. März 2019 mehrere Gewerbeeinheiten. In dem Kaufvertrag versicherte die Verkäuferin, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe. Weiter heißt es in dem Kaufvertrag, die Verkäuferin habe der Käuferin die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre übergeben und die Käuferin habe Kenntnis von dem Inhalt der Unterlagen. Drei Tage vor Vertragsschluss stellte die Beklagte das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 in den Datenraum ein, aus dem sich ergab, dass auf die Käuferin Kosten von bis zu EUR 50 Millionen für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zukommen könnten. Weil die Mehrheitseignerin nicht zahlen wollte, hatte eine andere Eigentümerin Klage erhoben. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die Eigentümer eine Sonderumlage zahlen sollten. Auf dieser Grundlage wurde auch die Klägerin in Anspruch genommen. Die Klägerin klagte bei den Vorinstanzen erfolglos auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und Schadensersatz.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgericht aufgehoben und begründet seine Entscheidung wie folgt: Die Annahme des Berufungsgerichts, die Verkäuferin habe hinsichtlich des Kostenumfangs für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen keine sie treffende Aufklärungspflicht verletzt, ist rechtsfehlerhaft. Die für einen Käufer bestehende Möglichkeit, sich Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand selbst zu verschaffen, schließt die Pflicht eines Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus. Nur weil die Verkäuferin der Käuferin Zugriff auf offenbarungspflichtige Daten ermögliche, bedeutet das nicht, dass diese die Informationen auch zur Kenntnis nimmt. Nur wenn im Einzelfall die Erwartung gerechtfertigt ist, dass die Käuferin in dem Datenraum bereit gestellte Informationen wahrnehmen und in seine Kaufentscheidung einbeziehen wird, ist eine gesonderte Aufklärung durch die Verkäuferin nicht erforderlich. Die Verkäuferin eines bebauten Grundstücks, die der Käuferin Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt daher ihre Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit sie aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass die Käuferin durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa davon, ob und in welchem Umfang die Käuferin eine Due Diligence durchführt, wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert sind, welche Vereinbarungen hierzu getroffen wurden, wie wichtig die Information ist, um deren Offenbarung es geht, und wie leicht sie im Datenraum zu finden ist.

Im vorliegenden Fall konnte die Verkäuferin nicht davon ausgehen, dass die Klägerin die in dem Protokoll enthaltenen Informationen noch vor Vertragsschluss zur Kenntnis nimmt, weil sie das Protokoll der Eigentümerversammlung kurz vor Abschluss des Kaufvertrages in den Datenraum eingestellt hat, ohne die Klägerin hierüber in Kenntnis zu setzen. 

Fazit:

Der Verkäufer einer Immobilie muss den Verkaufsprozess sorgfältig vorbereiten, umsetzen und frühzeitig über wesentliche Informationen aufklären. Allein das Einstellen der Informationen in einen Datenraum ist nicht in jedem Fall ausreichend, um der Aufklärungspflicht nachzukommen. Je bedeutender die Information, desto eher sollte ein Verkäufer ausdrücklich auf die entsprechende Information hinweisen. Da es sich bei der Frage nach der Erfüllung der Offenbarungspflicht um eine Einzelfallbetrachtung handelt, sind neben einer geordneten Datenraumstruktur, geeignete vertragliche Regelungen hinsichtlich des Datenraumes und der zur Verfügung gestellten Unterlagen von wesentlicher Bedeutung. 



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