Erfolgreich investieren in Polen

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zuletzt aktualisiert am 16. Juni 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


 

 

Wie beurteilen Sie die derzeitige wirtschaftliche Situation in Polen?

Trotz der prognostizierten Verlangsamung wuchs die polnische Wirtschaft im Jahr 2022 um fast 5 Prozent. Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Lage in Europa ist dies ein recht gutes Ergebnis. Die Analysen ergeben, dass dieses gute Ergebnis auf den Anstieg der Lagerbestände und der Verbraucherausgaben, ins­besondere für Bedarfsgegenstände, infolge des Zustroms der Migranten aus der Ukraine zurückzuführen war.
 
Die hohe Inflation, die Zinssätze und der im Verhältnis deutlich niedrigere Anstieg der Löhne und Gehälter in Polen und in Europa haben zu einem Rückgang der Investitionen und des Verbrauchs langlebiger Konsumgüter geführt. Dies blieb nicht ohne Auswirkung auf die Lage der Unternehmen, die Industriegüter herstellen oder in der Baubranche tätig sind. Die durchschnittliche Inflationsrate lag im Jahr 2022 bei über 14 Prozent und das Ausmaß dieses Anstiegs war unter anderem auf den Krieg in der Ukraine und den sich daraus ergebenden An­stieg der Gaspreise zurückzuführen.
 
Andererseits hat Polen die Wirtschaftskrise nicht zum ersten Mal besser überwunden als erwartet. Weder die COVID-19-Pandemie noch der Krieg in der Ukraine haben zu einem drastischen Zusammenbruch der polni­schen Wirtschaft geführt. Die Energiewende, die sich aus dem sprunghaften Anstieg der Gas- und Strompreise ergibt, wird natürlich Geld kosten. Andererseits war es eine positive Überraschung, wie gut der Arbeitsmarkt einen Teil der Flüchtlinge aus der Ukraine absorbiert hat. Dies bedeutet, dass die polnische Wirtschaft weiter­hin neue Arbeitsplätze schafft. Hinzuweisen ist auch auf die Folgen der Abschwächung des Zloty – die Konkur­renz­fähigkeit der polnischen Unternehmen im Ausland ist sogar gestiegen.
 

Wie würden Sie das Investitionsklima in Polen beschreiben? Welche Sektoren haben das größte Potenzial?

Polen verzeichnet weiterhin eine hohe Kennzahl der Auslandsinvestitionen und das Investitionsklima scheint weiterhin attraktiv zu sein und den stetigen Zufluss von neuem ausländischem Kapital zu fördern. Er­wähn­ens­wert ist, dass Polen ein großer Binnenmarkt ist – ca. 38 Millionen Verbraucher, mit einfachem Zugang zum Markt der Europäischen Union. Die Gehälter und Grundstückspreise in Polen sind für Investoren im Vergleich zu anderen europäischen Ländern immer noch attraktiv. Deshalb ist Polens führende Position bei Greenfield-Investitionen in der Region Mittel- und Osteuropa weiterhin stabil.
 
Das Investitionsklima in Polen wird sicherlich bis zu einem gewissen Grad von der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit in Europa und weltweit beeinflusst werden, die auf externe Faktoren wie den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Wirtschaftssanktionen zurückzuführen ist. Wir beobachten, dass die Unter­nehmen ihre Tätigkeit aus Russland, der Ukraine oder Belarus verschieben. Ein Teil davon wird nach Polen ver­lagert. Die derzeitige geopolitische Lage wird auch verstärkte Investitionen in bestimmten Bereichen zur Folge haben, insbesondere im Energiesektor – neue Infrastrukturen werden benötigt, um Energie aus neuen, auch umweltfreundlicheren Quellen zu gewinnen. Andere Bereiche, die sich dynamisch entwickeln dürften, sind neue Technologien und Cybersicherheit.
 
In der heutigen Welt nach der Pandemie, in der die künstliche Intelligenz immer häufiger im Alltag genutzt wird, werden die Investoren den menschlichen Faktor so weitgehend wie möglich durch neue Technologien ersetzen wollen. Eben hier liegt das größte Marktpotential. Die Konkurrenzfähigkeit auf dem Gebiet der Digitalisierung wird ein wesentlicher Faktor bei Investitionsentscheidungen sein. Der Trend zu Investitionen, die den Klima­wandel bekämpfen und Energieeffizienz fördern sollen – es handelt sich um erneuerbare Energien – setzt sich fort. 
 
Ein Mehrwert für Investoren in Polen sind zweifelsohne die staatlichen Beihilfen, die von Unternehmen aus den meisten Branchen beantragt werden können. Investoren, die Investitionsprojekte im Rahmen der Polnischen Investitionszone in ganz Polen umsetzen, können mit einer Ertragssteuerbefreiung von sogar bis zu 15 Jahren rechnen. Die Höhe der Steuerbefreiung wird als Produkt aus der Summe der Investitionsaufwendungen oder der zweijährigen Arbeitskosten und dem Koeffizienten der Intensität der Regionalbeihilfe für den betreffenden Standort berechnet. Die niedrigsten förderfähigen Investitionsaufwendungen hängen jedoch von der Arbeits­lo­sen­quote in der Investitionsregion und dem Status des Unternehmens (klein, mittel oder groß) ab. Des­­halb sind in diesem Fall kleine und mittlere Unternehmen besonders privilegiert. Von dieser Form der Förderung machen immer häufiger auch Unternehmen Gebrauch, die in Polen sog. Shared Services Centers eröffnen.
 
Eine andere attraktive Form der Förderung für Investoren, die Investitionen von Schlüsselbedeutung für die polnische Wirtschaft umsetzen, ist der sog. Regierungszuschuss.
 
Unabhängig davon soll Polen ein großer Begünstigter der Förderung aus EU-Mitteln, mit der in diesem Jahr be­gonnen wurde, werden. Es handelt sich um einen Betrag von ca. 76 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027, wovon ein Teil für die Projekte von Unternehmen gewährt werden wird. In Polen werden vor allem folgende Be­reiche gefördert werden: Innovation, Unternehmergeist, Infrastruktur, Umweltschutz, Energetik, Bildung und soziale Angelegenheiten. Die Unternehmen können mit Zuschüssen und Darlehen zu Präferenzbedingungen für Forschung und Entwicklung, Investitionen in ökologische Veränderungen, darunter den Übergang zu er­neu­er­baren Energien, sowie die Einführung von Innovation oder Digitalisierung rechnen.
 

Welchen Herausforderungen sehen sich deutsche Unternehmen bei ihren geschäftlichen Unternehmungen in Polen gegenüber?

Die größte Herausforderung, der sich deutsche Unternehmen gegenübersehen, ist das polnische Steuerrecht mit seinen ständigen Novellierungen. Die Aufnahme von Investitionen in Polen ist bereits ganz am Anfang mit einigen Entscheidungen verbunden, die weitreichende Folgen haben, zum Beispiel mit der Wahl der am besten geeigneten Rechtsform. Diese legt die späteren Steuerfolgen und den Umfang der Verantwortlichkeit des In­vestors fest – durch das Körperschaftsteuergesetz wurde beispielsweise die Pflicht zur Besteuerung von Kommandit­gesellschaften eingeführt, was zu einer Doppelbesteuerung der Gewinne, die vom Komplementär und den Kommanditisten erzielt werden, führt. Nicht leichter wird es für die Unternehmer auch durch die Novellierung der Abgabenordnung im Bereich der Zuständigkeit der Steuerbehörden für die Abrechnung der pauschalierten Ertragssteuer/Quellensteuer, welche die Steuerzahler von Gebietsfremden erheben. 
 
Andererseits darf man auch nicht die vielen Anreize und Erleichterungen für Unternehmer vergessen, wie zum Beispiel die Vorzugsbedingungen für Investitionstätigkeit oder die Möglichkeit zur Anwendung zweier alter­nativer Besteuerungsvarianten (estnische Körperschaftsteuer oder Investitions-Sonderfonds). 
 

Polen ist unter Deutschlands Handelspartnern mit Abstand der größte in Osteuropa und der fünftgrößte weltweit. Welche Chancen eröffnet dies für die deutsch-polnische Zusammenarbeit?

Riesige. Zum ersten Mal haben wir eine so hohe Platzierung erreicht. Dabei haben wir sogar so große Volks­wirt­schaften wie Italien überholt, was davon zeugt, dass die Bedeutung Polens als Außenhandelspartner Deutschlands von Jahr zu Jahr wächst. Die polnischen Unternehmen sehen bereits Chancen zur Anknüpfung fester Kontakte mit dem deutschen KMU-Sektor. Dies eröffnet Entwicklungschancen für viele Wirt­schafts­sektoren, wie zum Beispiel Energie, digitale Technologien, Autoindustrie oder Pharmazie.
 

Wie wird sich Polen Ihrer Ansicht nach entwickeln?

Seit 2021 erholt sich die polnische Wirtschaft zusehends von den Auswirkungen der Pandemie und des Lock­downs. Es gibt auch einige Veränderungen durch den Konflikt in der Ukraine – den Zustrom neuer Arbeitskräfte und die Verlagerung vieler Unternehmen aus dem Osten eben nach Polen. Darüber hinaus dürfte das kürzlich eingeführte hohe Budget für die Förderung Polens aus EU-Mitteln die Reform des Landes, größere und kleinere Investitionen im Energiesektor, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien, erheblich beschleunigen und über die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten Innovationen im weitesten Sinne anziehen. Erneuerbare Energien und andere ökologische Investitionen, zum Beispiel in emissionsarme Wasser­stoff­pro­duktions­technologien, dürften deutlich an Bedeutung gewinnen. Optimistische Szenarien gehen von einer deutlichen Beschleunigung der Wirtschaftstätigkeit in manchen Sektoren aus, insbesondere in den­jenigen, auf die die Europäische Union setzt, das heißt in den Bereichen Dekarbonisierung, Energie, Forschung und Entwicklung neuer Technologien, Digitalisierung, Robotisierung oder Cybersicherheit. 
 
Eine gute Nachricht für die Zukunft der polnischen Wirtschaft ist die Tatsache, dass die Manager großer Unternehmen immer größeren Wert auf die digitalen Kompetenzen der Bewerber legen, hier kann sich Polen einer soliden technischen Infrastruktur sowie großer Ressourcen an gut ausgebildeten und talentierten Ingenieuren, Informatikern und Technikern rühmen. Die beobachtete starke Zuwanderung aus der Ukraine kann sich ebenfalls positiv auf die Erhöhung des Arbeitskräfteangebots in Polen auswirken.
 
Die Herausforderung für die Regierenden wird zweifellos darin bestehen, die Inflation unter Kontrolle zu bringen und den Anstieg der Zinssätze zu stabilisieren, so dass das in den letzten Jahren trotz der vorüber­gehenden Rezession erreichte Wirtschaftswachstum erhalten bleibt.

 Wirtschaftliche Besonderheiten in Polen

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