Erfolgreich investieren in Schweden

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zuletzt aktualisiert am 21. Juni 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


 

 

​​​​Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Schweden ein?   

Die derzeit instabile internationale Situation hat großen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage und Aussicht in Schweden. Der Ukraine-Krieg hat das Wirtschaftswachstum gebremst, es ist aber davon auszugehen, dass das Wirtschaftswachstum über dem Zehnjahresdurchschnitt bleibt.
 
Nach einem starken Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von nahezu 5 Prozent 2021 kehrt Schwedens Wirtschaft auf das Vor-Corona-Niveau zurück und es wird mit einem realen Wachstum des BIP von knapp über 3 Prozent in 2022 gerechnet. Grund für den verhaltenen Optimismus ist der russische Einmarsch in die Ukraine, die globalen Folgen der Krise und die damit verbundene Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung. 
 
Anders als in den skandinavischen Nachbarländern bleibt die Arbeitslosigkeit in Schweden über dem Vorpan­de­mie­ni­veau. Überdurchschnittlich betroffen sind der Bergbau, Dienstleister, der Handel sowie die Gastwirtschaft. Dennoch ist mit einem stetigen Rückgang der Arbeitslosigkeit zu rechnen. 
 
Die noch bis in den Herbst 2021 gemäßigte Inflation hat zum Jahreswechsel deutlich angezogen. Laut neuester Prognose soll die Inflation im Gesamtjahr 2022 mit 5,7 Prozent beim nahezu dreifachen Wert des Inflationszieles der Zentralbank (Riksbank) liegen. Kurz- und mittelfristig werden sich daraus Änderungen des Konsumverhaltens ergeben und Investitionen eher zurückhaltend sein. Die Riksbank sieht vorerst keine Zinserhöhungen vor. Sollte der Inflationsdruck aber nicht wie erhofft in der zweiten Jahreshälfte abnehmen, könnte sich die Einstellung ändern.


Wie würden Sie das Investitionsklima in Schweden beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Schweden gilt als wachsender Markt mit großem Entwicklungspotenzial v.a. in den Bereichen Umwelt, Auto­ma­ti­sierung und Digitalisierung. Dennoch ist das derzeitige Investitionsklima stark von der weiteren Entwicklung des Ukraine-Krieges und der globalen wirtschaftlichen Lage und Aussicht abhängig.
 
Sollte die schwedische Zentralbank (Riskbank) aufgrund des deutlichen Inflationssprungs eine Zinserhöhung vor­nehmen, würde dies die Investitionslust schwedischer Unternehmen dämpfen. Bereits heute führen die unsichere globale Wirtschaftslage, der Fachkräftemangel sowie Lieferkettenprobleme zu einer vorsichtigen Planung. Zwar hatten die Investitionsausgaben der verarbeitenden Industrie 2021 zugenommen, allerdings gaben wichtige Sek­to­ren wie Energie- und Wasserversorgung, Logistik und Handel deutlich weniger als 2020 aus. Insgesamt sind die Industrieinvestitionen 2021 im Jahresvergleich um 2 Prozent gesunken. 
 
Der Ausblick für 2022 fällt ebenfalls leicht negativ aus. Die globalen und nationalen Unsicherheiten erschweren die Einschätzung der Wirtschaftsentwicklung in 2023 und machen Investitionsentscheidungen auf Unter­neh­mens­ebene schwer. 
 
Laut einer Ende 2021 vom Statistischen Nationalamt (SBC) durchgeführten Umfrage zeigten sich Hersteller von Zwischen-und Gebrauchsgütern besonders zurückhaltend. Jedoch will die verarbeitende Industrie zumindest für Maschinen mehr ausgeben als im Jahr 2021. Überdurchschnittlich große Chancen rechnen sich Kfz-, Chemie-, Möbel- sowie Getränkeproduzenten aus und es wird damit gerechnet, dass Maschinenkäufe stabiler als die Gesamt­investitionen bleiben.
 
Bereits in den letzten Jahren hat sich die Entwicklung im Bereich von Automatisierung, Digitalisierung sowie For­schung & Entwicklung rasant entwickelt. Schwedische Unternehmen sind marktführend im Bereich der Infor­ma­tions- und Kommunikationstechnologie. Diese Branchen sind weiterhin extrem zukunftsträchtig. Nachhaltigkeit ist weiterhin großgeschrieben und Schweden ist im Bereich der erneuerbaren Technologien gut aufgestellt. In­dus­trie­prozesse werden immer mehr elektrifiziert und Produktionskapazitäten entsprechend erhöht.


Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Schweden gegenüber?

Schweden ist die größte Marktwirtschaft Nordeuropas mit schnellem Bevölkerungswachstum und Brücken­funk­tion zu den nordischen Ländern. Finanzanlagen gelten dank der geringen Staatsverschuldung als sicher, der F&E-Sektor ist stark und kooperationswillig, die Verwaltung effizient und leistungsfähig und die hoch entwickelte Clusterlandschaft erleichtert die Suche nach Geschäftspartnern. Schweden und Deutschland sind traditionell eng verflochten, die gemeinsamen Zukunftsziele eine gute Basis für die Zusammenarbeit, und es besteht ein großes Synergiepotenzial. 
 
Der Markteinstieg in Schweden kann aus deutscher Sicht gleichzeitig herausfordernd sein. Beispielsweise gilt das schwedische Besteuerungssystem trotz der Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts in der EU als relativ kom­pli­ziert und es gibt große nationale Unterschiede. Als Unternehmer bei allen unterschiedlichen steuerlichen Regelungen in Schweden und Deutschland den Überblick zu behalten, ist nicht so einfach. Die rigide Gesetzeslage am Arbeitsmarkt, die Entlassungen nahezu unmöglich machen, schreckt viele Arbeitsgeber ab, neue Stellen zu schaffen. Darüber hinaus zählen die Lohnkosten zu den höchsten in Europa.
 
Schweden ist bekannt für seine wenig hierarchische Unternehmenskultur, die auf Konsens, Dialog und Koopera­tion ausgerichtet ist. Dennoch kann es bei den Themen Entscheidungsfindung oder Führungsstil zu Konflikten kommen, wenn unterschiedliche Wertehaltungen aufeinandertreffen. Während in Deutschland die Richtung oftmals eindeutig vorgeben wird, werden in Schweden Vorschläge ausführlich diskutiert und die Entscheidungs­prozesse sind aufgrund der Konsenskultur teilweise lang. 


In Nordschweden entsteht der größte Onshore-Windpark Europas. Welche Chancen ergeben sich daraus?

Unter dem Oberbegriff „fossilfreies Schweden“ wird in Schweden tatkräftig an umweltfreundlichen Lösungen gearbeitet. Schweden hat die Vorteile der Windenergie frühzeitig erkannt und baut sie weiter aus. Auf Wasser und Windkraft entfällt bereits heute ein Anteil von mehr als 50 Prozent an der Stromerzeugung. Mit dem Windpark Önusberget wollen GE Renewable Energy und der unabhängige Asset Manager Luxcara – nach USA – den größten Einzelwindpark an Land in Europa mit 137 Turbinen und einer Leistung von 753 MW bauen. Die Infra­struk­tur­ar­beiten in Nordschweden haben begonnen und die ersten Windenergieanlagen wurden im Sommer 2021 installiert. Das Projekt mit seinen Teilparks Kallamossen und Djupdal soll genug Strom produzieren, um mehr als 200.000 schwedische Haushalte pro Jahr zu versorgen und im Laufe seiner Lebensdauer fast 1.000.000 Tonnen CO2 einsparen. Schweden weist bereits heute einen Windstromanteil von gut 15 Prozent auf. Mit dem Projekt wird die Stromproduktion im Kontext eines langfristigen Stromvertrags über 25 Jahre vermarktet und Schweden baut so seine Vorreiter-Position im Bereich Windkraft aus.


Wie wird sich aus Ihrer Sicht Schweden weiterentwickeln?

Die wirtschaftlichen Aussichten sind aufgrund der internationalen Lage leicht getrübt und das Wirtschafts­wachs­tum ist ins Stocken geraten. Die Entwicklung in 2023 steckt daher vor einigen Fragezeichen. Externe Faktoren wie die inflationsgetriebene Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise, die Fortsetzung der globalen Transport- und Versorgungsengpässe, die Entwicklung der globalen Finanzmärkte und die Aussichten für die globale Konjunktur in 2023 spielen hierbei eine große Rolle. Intern stellen die anstehende Reichstagswahl im September 2022 und die Politik der neuen schwedischen Regierung einen gewissen Unsicherheitsfaktor dar. 
 
Die derzeit steigende Inflation führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Kaufkraft und Konsumlaune. Laut der allmonatlichen Erhebung des schwedischen Konjunkturinstituts sackte das Verbrauchervertrauen im März 2022 auf das niedrigste Niveau seit der Finanzkrise 2009. Der Zeitpunkt für größere Anschaffungen ist eher schlecht.
 
Trotzdem bietet der für 2022 erwartete Konsumanstieg von über 3 Prozent Chancen. Vor allem Dienstleister sollen vom während der zwei Pandemiejahre aufgebauten Nachholbedarf bei Tourismus und Freizeit profitieren.
 
Was den Außenhandel betrifft, wird damit gerechnet, dass die Entwicklung auf ein Normalniveau zurückkehrt. Obwohl die Dynamik im Jahr 2021 deutlich höher war, sollen die schwedischen Ein- und Ausfuhren jeweils um knapp 5 Prozent wachsen. 

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