Erfolgreich investieren in der Ukraine

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zuletzt aktualisiert am 16. Juni 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


 

 

Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in der Ukraine ein?

Derzeit ist die wirtschaftliche Lage in der Ukraine in hohem Maße von den Feindseligkeiten abhängig, die durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine verursacht werden.
 
Im Jahr 2022 haben die Streitkräfte der Ukraine einen großen Teil der im Februar und März 2022 besetzten Gebiete zurückerobert und die Linie der aktiven Feindseligkeiten in den Osten und Süden der Ukraine ver­scho­ben. Dies ermöglichte es den Unternehmen, ihre Tätigkeit in den befreiten Gebieten wieder aufzunehmen.
 
Infolge der militärischen Aggression der Russischen Föderation ist ein Teil der ukrainischen Gebiete immer noch besetzt, und die Unternehmen in anderen Regionen haben aufgrund von Zerstörungen, Schäden an Ein­richtungen, Unterbrechungen des Betriebs und der Energieversorgung sowie Schwierigkeiten beim Verkauf von Produkten erhebliche Verluste erlitten. Vor allem die Exporteure haben aufgrund der eingeschränkten Schiff­fahrt auf dem Schwarzen Meer einen Teil ihrer Einnahmen verloren. Die Nachfrage nach Waren und Dienst­leistungen ging aufgrund der erzwungenen Migration von Millionen von Ukrainern in die Nachbarländer sowie der steigenden Preise zurück.
 
Im Herbst und Winter 2022 bis 2023 verursachte Russland Schäden am ukrainischen Energiesystem, doch gelang es den Mitarbeitern der Energiewirtschaft, eine vollständige Energiekatastrophe zu verhindern. Die Angriffe auf das Energiesystem führten dazu, dass die Unternehmen ihre Arbeitspläne ändern mussten, die Produktion zurückging und Anlagen teilweise geschlossen werden mussten. Die Energiekrise verursachte zu­sätzliche Verluste für die ukrainische Wirtschaft. In den meisten Fällen haben sich die Unternehmen jedoch an die Veränderungen angepasst und ihre Tätigkeit fortgesetzt.
 
In der Landwirtschaft waren die Ergebnisse im Jahr 2022 etwas besser als in anderen Branchen, da die Branche gleichmäßig über die gesamte Ukraine verteilt ist und die ukrainischen Landwirte dank des Getreide­ab­kom­mens ihre Exporte wieder aufnehmen konnten, die sich im Herbst 2022 dem Vorkriegsniveau anzunähern be­gannen. Aber die Kontamination mit Minen ist bereits jetzt ein großes Problem für die Branche und wird es noch viele Jahre bleiben.
 
Trotzdem haben die ukrainischen Unternehmen und die ukrainische Bevölkerung eindrucksvolle Fähigkeit gezeigt, sich an schwierige Bedingungen anpassen zu können. Die meisten Unternehmen arbeiten auch während des umfassenden Krieges weiter, wenn auch mit geringerer Kapazität. Die Landwirte haben eine ordentliche Aussaat durchgeführt, die Energietechniker tun das Unmögliche, um die Stabilität des Stromnetzes aufrechtzuerhalten, der IT-Sektor arbeitet recht stabil, und der Handels- und Dienstleistungssektor hat sich schnell darauf eingestellt, trotz des ständigen Beschusses und der Luftangriffe zu arbeiten. Einige Ukrainer kehren in ihr Land zurück. 
 
Nach Angaben des ukrainischen Finanzministeriums schrumpfte die ukrainische Wirtschaft im Jahr 2022 um 29,1 Prozent; die Steuereinnahmen in den allgemeinen Fonds des Staatshaushalts – ohne Berücksichtigung einer Reihe von Faktoren wie Inflation und erzwungene vorübergehende Nichtrückerstattung der Mehrwert­steuer – stiegen im Vergleich zu 2021 um 2 Prozent und beliefen sich auf UAH 627,7 Milliarden. Die Inflation geht schneller zurück als ursprünglich prognostiziert, von 26,6 Prozent im Dezember 2022 auf 17,9 Prozent im April 2023.
 
Nach Angaben der ukrainischen Nationalbank ist die Arbeitslosenquote im vergangenen Jahr von 9,8 Pro­zent auf 25,8 Prozent gestiegen, und es wird prognostiziert, dass die Arbeitslosigkeit in der Ukraine auch in diesem Jahr hoch bleiben wird.
 

Wie würden Sie das Investitionsklima in der Ukraine beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Es ist verständlich, dass in der momentanen Situation eine Vielzahl der ausländischen Unternehmen noch nicht bereit sind in der Ukraine zu investieren. Dennoch entscheiden sich viele für Neuinvestitionen in der Ukraine. Ukraine braucht ausländische Investitionen, da nur so kann die angeschlagene Wirtschaft in Schwung kommen, neue Arbeitsplätze werden geschafft und die Menschen in der Ukraine bekommen neue Perspektive.
 
Die deutsche Regierung unterstützt die deutschen Investitionen und sichert die Investitionen ab. Nach An­gaben der deutschen Wirtschaftsministerium sind zur Zeit elf Projekte mit 21 Investitionsgarantien mit einer Kapitaldeckung von insgesamt 221 Millionen Euro durch die Bundesregierung abgesichert, 21 Anträge sind laut Ministerium derzeit noch offen (Stand April 2023). Die Bundesregierung sichert auch die deutsche Exporte ab, vor allem die Bahnwaggons mit Getreide-, und Saatgutexporten. 
 
Es ist zu hoffen, dass der Krieg in der Ukraine bald wieder zu Ende geht. Wenn es zu einem Friedensabkommen kommt, wird das ukrainische BIP in den nächsten Jahren rapide wachsen. Die Ukraine wünscht sich eine stärkere Anbindung an die EU und möchte mit dem Wiederaufbau des Landes schnell vorankommen. Sehr viele europäische Länder haben der Ukraine bereits Wiederaufbauhilfen zugesagt. Es daher vollstellbar, dass nach dem Krieg die Ukraine die größte Baustelle Europas wird, was wiederum sehr große Möglichkeiten für Inves­toren bedeutet. 
 
Folgende Branchen boten bis Ausbruch des Krieges in der Ukraine großes Potenzial und sie werden auch nach Ende des Krieges wieder von großer Bedeutung sein: 
  • Lebensmittelindustrie
  • Bauindustrie
  • Landwirtschaft;
  • leichte Industrie;
  • Autozuliefererindustrie
  • IT-Bereich
  • Maschinenbau
  • Logistik
 

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in der Ukraine gegenüber?

Im Moment ist die größte Herausforderung, die wirtschaftliche Tätigkeit in der Zeit des Kriegszustands weiter­hin auszuführen. Sehr viele Unternehmen und auch deren Mitarbeiter sind in die Ukraine zurückgekehrt. Im Wintermonaten waren die Energieengpässe sowie damit verbundene Stromausfälle eine große Herausforderung nicht nur für die Unternehmen sondern auch für die ganze Bevölkerung. Da 7 Millionen Ukrainer ihr Land ver­lassen haben, sind Arbeitskräftemangel in manchen Regionen des Landes eine große Herausforderung. Die Ämter sowie die Behörden arbeiten weiter, so dass die administrative Angelegenheiten problemlos und ohne Verzögerung erledigt werden können. 
 

Warum sollten sich Unternehmen für einen Markteintritt/-verbleiben in die Ukraine entscheiden?

Unternehmen sollten schon jetzt in die Zukunft blicken. Jeder Krieg wird irgendwann zu Ende gehen. Dann werden sich neue, interessante Investitionsmöglichkeiten ergeben. Die Ukraine war schon immer ein Land mit sehr gut ausgebildetem Personal und hat von der Nähe zur EU-Außengrenze profitiert. Die künftige, enge An­bindung der Ukraine an die EU, der mögliche EU-Kandidaten-Status, würde für die Ukraine enorme Chancen für das wirtschaftliche Wachstum bedeuten. 
 
Außerdem verfügt die Ukraine über sehr viele Bodenschätzen, vor allem große Gasreserven und Lithium. Das Gesamtbild verspricht enorme Investitionsmöglichkeiten und positive Entwicklung für die Ukraine. 
 
Der Ausbruch des Krieges wirkte für die Wirtschaft leider wie eine Vollbremsung. Im Moment halten sich sehr viele ausländische Investoren mit Investitionen in der Ukraine zurück. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Investoren, dass gerade jetzt den Eintritt auf den ukrainischen Markt wagen. Es ist aus unseren Sicht richtig und wichtig, die Ukraine für die Zukunft als Investitionsstandort im Fokus zu behalten und schon jetzt die Investitionen nach der Beendigung des Krieges planen. 
 

Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Ukraine weiterentwickeln?

Es hängt alles von der Dauer des Krieges ab. 
 
Nach Angaben der Weltbank wird die ukrainische Wirtschaft in diesem Jahr um 0,5 Prozent wachsen, „nach dem erstaunlichen Abschwung von 29,2“ Prozent im Jahr 2022. 
 
Außerdem hat die Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Mit diesem Status hat die Ukraine Zugang zu EU-Finanzhilfen, die für Länder bestimmt sind, die sich auf den EU-Beitritt vorbereiten, und die in Form von Zuschüssen, Investitionen und technischer Hilfe gewährt werden. Andererseits verpflichtet dieser Status das ukrainische Parlament, eine Reihe wirtschaftlicher und politischer Reformen durchzuführen, um die Ukraine in vielen Bereichen des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens mit den EU-Standards in Einklang zu bringen.

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Klaus Kessler

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