Umsatzsteuer auf patientenindividuelle Zytostatikazubereitungen: Die Problematik des Auseinanderfallens von zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Verjährung.

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​veröffentlicht am 26. Juli 2017; Autor: Lorenz Bonkhoff

 

Seit dem Urteil des BFH vom 24. September 2014 (V R 19/11) und insbesondere seit dem zur Frage der Umsatzbesteuerung der Abgabe von Zytostatikazubereitungen ergangenem BMF-Schreiben vom 28.09.16 klagen die gesetzlichen und privaten Krankenkassen verstärkt gegenüber den Kliniken die Rückzahlung von für dieses Medikament gezahlter Umsatzsteuer ein. Anders als in der Vergangenheit begnügen sich die Krankenkassen daher nicht mehr weitgehend mit Verjährungsverzichtserklärungen seitens der Kliniken. Während nun von den Sozial- und Zivilgerichten gestritten wird oder auch weiterhin zivilrechtliche Verjährungsverzichtserklärungen abgegeben werden, wird eine Problematik häufig übersehen: das Auseinanderfallen von zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Verjährung.

 

[BFH-Urteil vom 24. September 2014 (V R 19/11); BMF-Schreiben 28.09 2016 betreffend Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 b USt]

 

Aktuell fordern viele private und gesetzliche Krankenkassen von den Kliniken großflächig die Umsatzsteuer auf patientenindividuelle Zubereitungen ­ insbesondere Zytostatika ­ zurück. Dies ist insofern problematisch, als dass die Möglichkeit der Rechnungskorrektur und Rückforderung der Umsatzsteuer vom Finanzamt den allgemeinen Regelungen der Umsatzsteuerveranlagung unterliegt. Das bedeutet, dass es dazu kommen kann, dass die Krankenkassen Rückforderungen gegen die Kliniken geltend machen, die Kliniken ihrerseits aber keine Möglichkeit haben, Rückgriff auf das Finanzamt zu nehmen, da die steuerlichen Korrekturmöglichkeiten nicht mehr offen sind.

 

Hintergrund ist dabei, dass der BFH im Jahr 2014 entschieden hatte, dass die Lieferungen von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke in bestimmten Fällen umsatzsteuerfrei zu behandeln ist (BFH-Urteil vom 24. September 2014 (V R 19/11). Das Bundesfinanzministerium hat sich in seinem Schreiben vom 28. September 2016, das am 29. September 2016 in Umlauf gebracht wurde, hierzu geäußert. Das BMF bestätigt den BFH und erweitert sogar den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung auf alle individuellen Arzneimittelzubereitungen. Hierzu hatten wir bereits im Kompass Gesundheit und Soziales in Ausgabe 06/2016 berichtet.

 

Für Umsätze, die bis einschließlich 31. März 2017 ausgeführt wurden, wird die Finanzverwaltung nicht beanstanden, wenn der Unternehmer seine Leistungen dem allgemeinen Steuersatz unterwirft und insoweit aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen weiterhin den Vorsteuerabzug geltend macht.

 

Auch wenn in der rechtlichen Bewertung der eben dargestellten Konstellation noch einige Fragen offen sind, lässt sich in der Praxis erkennen, dass bei den Kliniken – schon angesichts der von den Krankenkassen erhobenen Nachforderungen ­ ein geschärftes Problembewusstsein besteht.

 

Nach unserer Erfahrung fehlt ein solches Problembewusstsein jedoch in Bezug auf die Umsatzsteuerveranlagung der Vergangenheit.

 

Wenn sich ein Krankenhaus entscheiden sollte (oder gerichtlich dazu gezwungen werden sollte), das durch das BMF-Schreiben gewährte Optionsrecht dahingehend auszuüben, dass eine Rechnungskorrektur durchzuführen ist und die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückgefordert wird, muss die Umsatzsteuerveranlagung noch änderbar sein. Die Möglichkeit zur Änderung besteht nur, wenn die Festsetzungsfrist von regelmäßig vier Jahren noch nicht abgelaufen ist.

 

Danach kann die Veranlagung für das betroffene Jahr weder vom Finanzamt, noch vom Steuerpflichtigen geändert werden. In der Umsatzsteuer beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Umsatzsteuererklärung beim zuständigen Finanzamt eingereicht wurde. Regelmäßig haben die Krankenhäuser ihre Umsatzsteuererklärung für 2012 im Jahr 2013 eingereicht. Damit beginnt die Festsetzungsfrist mit Beginn des Jahres 2014 und endet mit Ablauf des 31.12.2017. Zum gleichen Zeitpunkt fällt auch die Nebenbestimmung des Vorbehalts der Nachprüfung weg. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist könnte das Krankenhaus mangels Korrekturmöglichkeit die Umsatzsteuer vom Finanzamt nicht mehr zurückfordern.

 

Die Krankenhäuser haben in der Vergangenheit in Bezug auf die Rückforderungen der Krankenkassen häufig Verjährungsverzichterklärungen abgegeben. Diese Erklärungen haben aber grundsätzlich keine Auswirkungen auf die eben geschilderten Fristen für die steuerliche Korrekturmöglichkeit. Es könnte damit zu einem Auseinanderklaffen der zivilrechtlichen und der steuerlichen Verjährung kommen. Um bei dem oben verwendeten Beispiel zu bleiben, wäre es ohne weiteres möglich, dass Forderungen der Krankenkassen etwa aus dem Jahr 2012 wegen den Verjährungsverzichtserklärungen noch offen sind, die steuerlichen Korrekturmöglichkeiten aber Ende des Jahres grundsätzlich auslaufen.

 

Hinsichtlich der genannten Problematik sollten sich die Krankenhäuser fachkundig beraten lassen, um die Korrekturmöglichkeiten der Umsatzsteuerveranlagung offen zu halten.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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