Entscheidung BGH: Rückforderung privater Krankenkassen gegen Kliniken wegen zu Unrecht abgerechneter USt bei Zytostatika

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veröffentlicht am 22. Februar 2019; Autoren: Mathias Lorenz, Norman Lenger-Bauchowitz, Lorenz Bonkhoff

 

Anmerkung zur Pressemitteilung des BGH vom 20.02.2019 (zu den Az.: VIII ZR 7/18; VIII ZR 66/18, VIII ZR 115/18; VIII ZR 189/18)

 

Der Bundesgerichtshof in Zivilsachen (nachfolgend BGH) hat am 20.02.2019 in vier Entscheidungen zur Rückforderung von Privaten Krankenkassen nur auf den ersten Blick zum Nachteil der Kliniken bezüglich zu Unrecht abgerechneter Umsatzsteuer auf durch die Krankenhausapotheke patientenindividuell hergestellten Zytostatikazubereitungen entschieden.

 

Aktueller Streitstand

Den Entscheidungen des Gerichts liegt das Urteil des Bundesfinanzhofs (nachfolgend BFH) aus 2014 zugrunde. Hiernach ist die Verabreichung von individuell hergestellten Zytostatika im Rahmen einer ambulanten Heilbehandlung als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Im Jahr 2016 erklärte das Bundesministerium der Finanzen (nachfolgend BMF) das BFH-Urteil für allgemein anwendbar und bestimmte eine Übergangsfrist bis Ende März 2017 für die Umstellung dieser Leistungen auf umsatzsteuerfrei ohne Vorsteuerabzug.

 

Zeitgleich kam es mit der geänderten Verwaltungsauffassung zu einer Welle von Rückforderungen seitens der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherungen gegen die Krankenhäuser. Hierbei konnten die gesetzlichen Krankenkassen bisher vor den Sozialgerichten ihre Rückforderungsansprüche nicht durchsetzen, wobei aber noch eine entsprechende Entscheidung des Bundessozialgerichtes (nachfolgend BSG) aussteht. In den Verfahren zwischen Privaten Krankenversicherungen und Krankenhäusern vor den Zivilgerichten zeichnet sich hingegen eine uneinheitliche Entscheidungslandschaft ab.

 

Grundsätzlich rechtmäßiger Rückforderungsanspruch

In der Sache hat sich der BGH nun insoweit zugunsten der klagenden Krankenkassen geäußert, als dass eine – tatsächlich nicht angefallene – Umsatzsteuer, für die ambulante Abgabe von patientenindividuell hergestellten Zytostatika, unter bestimmten Voraussetzungen an die Patienten beziehungsweise an deren private Krankenversicherer zurück zu gewähren ist. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht mutmaßlich über einen bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch, die Annahme eines beidseitigen Irrtums über die Umsatzsteuer und eine ergänzende Vertragsauslegung.

 

Das Gericht geht zunächst von einer Bruttopreisabrede aus und verneint ein einseitiges Preisbestimmungsrecht des Krankenhauses. Über die Annahme eines beidseitigen Irrtums und einer entsprechenden Vertragsauslegung kommt der BGH dann zu dem Ergebnis, dass die Vertragsparteien bei Kenntnis der Rechtslage einen Vertrag ohne Umsatzsteuer aber unter Berücksichtigung des für das Klinikum wegfallenden Vorsteuerabzugs vereinbart hätten. Soweit derzeit ersichtlich, machten die beklagten Krankenhäuser im Instanzenzug offenbar nicht die Einrede der Bestandskraft der betroffenen Umsatzsteuerfestsetzungen geltend, sodass sich der BGH in den konkreten Verfahren nicht mit einem solchen Entreicherungseinwand auseinandersetzen musste.

 

Aber: Rückforderung nur unter Berücksichtigung von Vorsteuer und Nachzahlungszinsen

Gleichzeitig postuliert der BGH jedoch klar und deutlich, dass eine Rückforderung zu viel gezahlter Umsatzsteuer nur unter Berücksichtigung der in Abzug zu bringenden Vorsteuer und einem etwaigen Nachzahlungszins in Betracht zu ziehen ist. Zum Vorteil der Krankenhäuser bestimmt der BGH also, dass der mit solchen Leistungen in Zusammenhang stehende Vorsteuerabzug auch vom Rückforderungsanspruch der Krankenversicherung abzuziehen ist, weil das Krankenhaus bei der umsatzsteuerlichen Rückabwicklung ebenfalls die Vorsteuer an das Finanzamt zurückführen müsste.

 

Der BGH hat folgerichtig erkannt, dass in bestimmten Fällen dem Krankenhausträger erhebliche finanzielle Nachteile aus der Festsetzung von Nachzahlungszinsen (§§ 233a, 238 AO) auf den rückwirkend entfallenden Vorsteuerabzug drohen können. Eine entsprechende Zinslast soll daher nach unserm Verständnis nicht zulasten der Krankenhäuser gehen. Diese können somit die Forderungen der klagenden Krankenversicherung gänzlich entfallen lassen, wenn bei der umsatzsteuerlichen Rückabwicklung die an das Finanzamt abzuführende Vorsteuer und die darauf anfallenden Nachzahlungszinsen den Betrag der von Finanzamt ans Krankenhaus zu erstattenden Umsatzsteuer übersteigt.

 

Zusammenfassung und Handlungsempfehlung

Die Ausführungen des BGH können nur abschließend gewürdigt werden, wenn die Urteile im Volltext verfügbar sind.

 

Die bisher erkennbaren Auswirkungen der BGH-Entscheidungen lassen sich aber zugunsten der Krankenhäuser so zusammenfassen, dass ein Rückforderungsanspruch der Krankenkassen bei wirtschaftlicher Betrachtung nur maximal in der Differenz zwischen dem um den Umsatzsteueranteil und dem vorgenommenen Vorsteuerabzug verminderten Preis liegen kann. Der BGH lässt dabei aber einen Abzug der Nachzahlungszinsen zu, welche im Falle der Rückforderung der Umsatzsteuer vom Finanzamt auf die gezogene Vorsteuer zu zahlen sind. Der BGH möchte also den Anspruch Krankenkassen entfallen lassen, wenn die Differenz zwischen gezahlter Umsatzsteuer sowie Vorsteuer und Zinsen rechnerisch den Wert Null erreicht. In diesem Fall müssten die Krankenhäuser weder gegenüber den privaten Krankenversicherungen, noch gegenüber dem Finanzamt hinsichtlich der Umsatzsteuer rückabwickeln.


Die Herausforderung für die Krankenhäuser besteht nun primär darin die Berücksichtigung des Vorsteuer und der Nachzahlungszinsen im Rahmen von Gerichtlichen oder außergerichtliche Verhandlungen wirkungsvoll zu vertreten. Hierbei ist eine nachprüfbare Ermittlung des entsprechenden Zahlenwerks in jedem Fall von Vorteil. Dies gilt unabhängig von der Frage wer vor Gericht die Darlegungs- und Beweislast haben würde.

 

Die Folgen der Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzungen, war vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens.

 

 


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