Keine Amtshaftungsansprüche auf Entschädigung für schließungsbedingte Umsatz- und Gewinneinbußen als Folge der Corona-Pandemie

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​veröffentlicht am 30. September 2020; Autor: Sebastian Heinke


In den Medien wird immer wieder über vermeintliche Entschädigungsansprüche aufgrund von Corona-bedingten Betriebsschließungen nach dem Infektionsschutzgesetz berichtet. Mittlerweile versucht eine Initiative diese Ansprüche auch vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstreiten (Az. 1 BvR 1726/20). Für die Praxis dürfte jedoch die Ausnutzung aller bestehenden Hilfsprogramme, insbesondere der Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittlere Unternehmens erfolgsversprechend sein.

Trotz der Ablehnung von Entschädigungsansprüchen fordern Betroffene weiterhin staatliche Entschädigungen für Betriebsschließungen und Einnahmeausfälle in der Corona-Pandemie. Eine Initiative, die nach eigenen Angaben mehr als 850 Betroffene vertritt, hat in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG eingelegt (Az. 1 BvR 1726/20). Gleichzeitig wird eine weitere Klage für September angekündigt. Rechtlich argumentieren die Anwälte mit dem Schutz des Eigentums der Betroffenen. Die massiven Grundrechtseingriffe seien zwar möglicherweise gerechtfertigt gewesen. Allerdings seien sie nur verfassungsgemäß, wenn der Gesetzgeber gleichzeitig einen finanziellen Ausgleich für die Betroffenen vorsehe.

Im Lichte der durchaus überzeugenden Rechtsprechung der Instanz Gericht dürften diese Bemühungen aber erfolglos bleiben.

Denn Amtshaftungsansprüche auf Entschädigung für schließungsbedingte Umsatz- und Gewinneinbußen als Folge der Corona- Pandemie folgen weder aus dem Infektionsschutzgesetz noch aus allgemeinem Gefahrenabwehrrecht oder aus dem allgemeinen Staatshaftungsrecht.

Dies hat das LG Hannover in seinem Urteil vom 9.7.2020 (Az. 8 O 2/20) rechtskräftig entschieden und darüber hinaus überzeugend begründet.

Geklagt hatte der Eigentümer eines Restaurationsbetriebes, der seinen Betrieb aufgrund von Verordnungen, die auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes beschlossen wurden, vorrübergehend schließen musste und seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schickte.

Mit seiner Klage verfolgte er das Ziel, Entschädigungszahlungen gegenüber dem Land geltend zu machen. Die Klage wurde abgewiesen.

 

Kein Zahlungsanspruch aus § 56 Abs. 1 oder 1a IfSG

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 56 Abs. 1 IfSG, weil der Kläger nicht zu dem in § 2 IfSG definierten Personenkreis gehört. Dies ist jedoch Voraussetzung für einen Zahlungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG.

Demnach muss der Anspruchssteller einen Verdienstausfall erlitten haben, weil er selbst als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem infektionsschutzrechtlichen Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt. Dies war unstreitig nicht der Fall.

Auch ein Anspruch aus § 56 Abs. 1 a IfSG scheidet aus. Anspruchsberechtigt nach § 56 Abs. 1 a IfSG sind lediglich Sorgeberechtigte betreuungsbedürftiger Kinder, die aufgrund der Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen nicht arbeiten können.

 

Kein Zahlungsanspruch aus § 65 Abs. 1 IfSG

Ferner sind in einem derartigen Fall auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Abs. 1 IfSG nicht gegeben. Anspruchsbegründende Maßnahmen sind nur solche der §§ 16, 17 IfSG, während die streitgegenständlichen Verordnungen des beklagten Landes jeweils auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt worden sind.

Eine erweiternde Auslegung ist nicht gegeben. Insbesondere unterscheidet das Infektionsschutzgesetz zwischen Maßnahmen zur Verhütung und Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Danach gehören zu den Bekämpfungsmaßnahmen solche, die an das Auftreten einer übertragbaren Krankheit, eines Krankheitsverdachts, eines Ansteckungsverdachts oder eines Ausscheidungsverdachts anknüpfen; dies regelt das Infektionsschutzgesetz im 5. Abschnitt. Die im 4. Abschnitt des Gesetzes geregelten Verhütungsmaßnahmen betreffen dagegen nur Maßnahmen zur Entstehung übertragbarer Krankheiten, nicht aber die Verhinderung der Verbreitung bereits aufgetretener Krankheiten.

Die Heranziehung des § 28 Abs. 1 IfSG als Rechtsgrundlage für die Corona- bedingten Verordnungen entsprach der tatsächlichen Lage und sollte nicht lediglich eine redaktionelle Nennung darstellen, da das Covid-19-Virus im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnungen bereits weltweit ausgebrochen war und zur Pandemie erklärt wurde.

 

Analoge Anwendung der Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes

Auch eine analoge Anwendung der Vorschriften scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Der Argumentation, der Gesetzgeber habe kollektive Betriebs- bzw. Gewerbeuntersagungen nicht im Blick gehabt und solche „Erst-Recht” erfassen müssen, kann nicht gefolgt werden.

Vielmehr sprechen die historische Betrachtung sowie die Analyse der gesetzgeberischen Tätigkeit gegen die Annahme einer solchen Regelungslücke. So unterschied schon das Bundesseuchengesetz 1961 klar zwischen Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten und Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Von den vorgesehenen Entschädigungsansprüchen des Gesetzes waren Maßnahmen zur Epidemiebekämpfung gegenüber der Allgemeinheit nicht umfasst.

Auch mit dem Bundesseuchengesetz von 1979 hat der Gesetzgeber keine Erweiterung der Entschädigungsansprüche vorgenommen. Vielmehr wollte er hier eine Beschränkung der ursprünglichen Entschädigungsregeln vornehmen, um die Länder finanziell zu entlasten (BT-Drucks. 6/1568, S. 7).

Etwas anderes kann auch nicht für die Einführung des Infektionsschutzgesetzes gelten, denn die Regelungen der §§ 56, 65 IfSG entsprechen im Wesentlichen den entsprechenden Regelungen des Bundesseuchenschutzgesetzes von 1961.

Aufgrund der gesetzgeberischen Tätigkeit zum Infektionsschutzgesetz ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber, insbesondere bei Schaffung des neuen Entschädigungstatbestandes gemäß § 56 Abs. 1 a IfSG, bewusst war, dass es für Betriebsschließungen im Gastronomiebereich keine seuchengesetzlichen Entschädigungsansprüche gab. Insbesondere war der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zuvor zu dem Ergebnis gekommen, dass solche Entschädigungszahlungen nicht zu erteilen sind.

Die Ablehnung einer planwidrigen Regelungslücke wird auch durch die Entscheidung des LG Heilbronn vom 29.4.2020 (Az. I 4 O 82/20) gestützt. Das Gericht hat entschieden, dass für die Schließung der Lücke im Rahmen des § 56 IfSG das zwingende Erfordernis fehle. Dies deshalb, weil durch die Soforthilfemaßnahmen für Selbstständige auf Bundes- und Landesebene bereits umfangreiche Rettungspakete auf den Weg gebracht wurden.


Zahlungsanspruch aus § 80 NPOG i.V.m. § 8 NPOG

Ein Anspruch aus dem allgemeinen Polizeirecht ist aufgrund der Sperrwirkung des Infektionsschutzgesetz ausgeschlossen, weil dieses mit § 65 IfSG eine spezielle gesetzliche Vorschrift für die Entschädigung von Nichtstörern getroffen hat.

 

Zahlungsanspruch aus enteignendem Eingriff

Ein Anspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs scheitert am mangelnden ausgleichspflichtigem Sonderopfer. Zwar habe ein Eingriff in eigentumsrechtlich geschützte Güter des Gastronomen stattgefunden. Die angeordnete Betriebsschließung traf jedoch alle Restaurationsbetriebe gleichermaßen und darüber hinaus viele weitere Branchen und war damit laut LG Hannover rechtmäßig. Sie stellte auch keine existenzgefährdende bzw. existenzvernichtende Folge für den Betroffenen dar.

Darüber hinaus bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verordnungen und die Verhältnismäßigkeit der hierdurch bewirkten Eingriffe in die Rechtspositionen des Klägers.


Alternative: Beantragung der Überbrückungshilfe des Bundes 

Die Überbrückungshilfe des Bundes wird bisher nur schleppend abgefragt. Dies mag an unklaren Förderrichtlinien und der Komplexität des Antragsprozesses liegen. Dennoch sollten diese Hilfen von kleinen und mittleren Unternehmen jedenfalls geprüft werden, da bei hohen Umsatz- oder Einnahmeausfällen bis zu 80 Prozent der betrieblichen Fixkosten für den Zeitraum Juli bis August 2020 bis zu einer Grenze von 150.000,00 Euro ersetzt werden können. Weiterhin können diese Mittel vorrangig gegenüber anderen Hilfen zu beanspruchen sein. Für gemeinnützige Unternehmen gilt diese Fördergrenze indes nicht, sie können die Mittel pro Betriebsstätte noch bis zum 30.09.2020 beantragen.

Im Rahmen der Antragstellung – die nur durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer erfolgen kann – beraten wir Sie gern.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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