Umsatzsteuerliche Organschaft mit Personengesellschaften als Organgesellschaft

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veröffentlicht am 30. November 2021; Autoren: Lorenz Bonkhoff, Christian Ortloff

 

Im Rahmen des vom 5. Senat des Finanzgerichtes Berlin-Brandburg mit Beschluss vom 21.11.2019 (Az.: 5 K 5044/19) beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) beantragten Vorabentscheidungsverfahrens hat der EuGH mit Urteil vom 15.04.2021 entschieden, dass die vom Bundesfinanzhof (vgl. Urteil vom 02.12.2015, VR 25/13) und von der Finanzverwaltung in Abschn. 2.8 Abs. 5a Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vertretene Auffassung zur Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, wonach für eine umsatzsteuerliche Organschaft mit einer Personengesellschaft als Organgesellschaft deren sämtliche Gesellschafter finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein müssen, EU-rechtswidrig ist.
 
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG übt eine juristische Person (sog. Organgesellschaft) eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig aus, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

 

Unter der finanziellen Eingliederung einer juristischen Person wird dabei der Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft verstanden, die es dem Organträger ermöglicht, durch Mehrheitsbeschlüsse seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen (vgl. 2.8 Abs. 5 UStAE zu § 2 UStG).


Folge einer solchen Organschaft ist, dass die eingliederten Organgesellschaften als unselbständige Unternehmensteile des Organträgers betrachtet werden, sodass insbesondere Umsätze zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger als sog. (nichtsteuerbare) Innenumsätze nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

Rein nach dem Wortlaut der deutschen, nationalen Regelung („juristische Person”) können Personengesellschaften keine Organgesellschaften einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein, was allerdings nach bereits früher geäußerter Auffassung des EuGH gegen Unionsrecht verstoßen würde, sofern dies nicht zur Vermeidung von Missbrauch und Steuerhinterziehung erforderlich ist (vgl. EuGH v. 16.07.2015, C 108/14, C-109/14).


In der Folge legte der BFH die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unionsrechtskonform dahingehend aus, dass grundsätzlich auch Personengesellschaften als „juristischen Personen” im Sinne der Vorschrift angesehen werden können. Anders als der 11. Senat des BFH ging der 5. Senat allerdings davon aus, dass eine Personengesellschaft nur dann Organgesellschaft sein kann, „wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind” (vgl. BFH V R 25/13 und V R 36/13). Begründet wurde dieses Erfordernis damit, dass nur so die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips (z.B. durch mündliche Vereinbarung der Gesellschafter) gewährleistet sei.


Der Organträger musste somit bisher unmittelbar oder mittelbar alle Anteile an der Personengesellschaft halten, damit eine finanzielle Eingliederung angenommen werden konnte. Bei einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft reichte es dabei aus, wenn der Organträger die Mehrheit der Anteile an der zwischengeschalteten Organgesellschaft gehalten hat.


Sobald eine natürliche Person an der Personengesellschaft als Gesellschafter beteiligt war, die nicht zugleich der Organträger war, schied eine finanzielle Eingliederung und damit eine umsatzsteuerliche Organschaft aus, selbst wenn es sich dabei nur um eine minimale Beteiligung (z.B. 0,1 Prozent) gehandelt hat.


Die Finanzverwaltung hatte sich zuletzt der Auffassung des 5. Senats angeschlossen (siehe Abschn. 2.8 Abs. 5a, Satz 1 UStAE).

Der 11. Senat des BFH ließ hingegen auch eine mehrheitliche Beteiligung des Organträgers an der Personengesellschaft ausreichen, fordert allerdings, dass es sich um eine kapitalistisch strukturierte Personengesellschaft (wie die GmbH & Co. KG) handeln musste.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem neben dem Organträger mehrere natürliche Personen (zum Teil zu einer GbR zusammengeschlossen) Gesellschafter einer GmbH & Co. KG waren, die den Einbezug als Organgesellschaft in das Unternehmen Ihrer Mitkommanditistin, einer GmbH, begehrte.


Während die organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung unstrittig vorlag, verneinte das Finanzamt unter Bezugnahme auf Abschn. 2.8 Abs. 5a Satz 1 UStAE zu § 2 UStG mangels einer finanziellen Eingliederung sämtlicher Gesellschafter der Personengesellschaft in die GmbH die Einbeziehung der GmbH & Co. KG in den Organkreis, obwohl die GmbH nach dem Gesellschaftsvertrag die erforderliche Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG besaß und damit dort ihren Willen durchsetzen konnte.

Das Finanzgericht legte daraufhin dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, verkürzt dargestellt, die Frage vor, ob das von der Finanzverwaltung und dem 5. Senat des BFH aufgestellte Erfordernis der finanziellen Eingliederung sämtlicher Gesellschafter einer Personengesellschaft in den Organträger mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 11 Abs. 1 der MwStSystRL) vereinbar ist.

Der EuGH hat daraufhin entschieden, dass eine nationale Regelung, die die Möglichkeit für eine Personengesellschaft, zusammen mit dem Unternehmen des Organträgers eine als mehrwertsteuerpflichtig zu behandelnden Personengruppe (Organschaft) zu bilden, davon abhängig macht, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind, gegen das Unionsrecht verstößt.

Im Ergebnis wurde damit die von der Finanzverwaltung und dem 5. Senat bisher vertretene Auffassung verworfen.


Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat in der Folge mit Urteil vom 29.06.2021 (5 K 5044/19) in dem von ihm zu entscheidenden Sachverhalt die umsatzsteuerliche Organschaft trotz weiterer, natürlicher Personen als Gesellschafter der Personengesellschaft anerkannt.

Soweit der Einbezug einer solchen Personengesellschaft nicht gewünscht ist, können sich Steuerpflichtige vorerst noch auf die Auffassung der Finanzverwaltung berufen.

Hinsichtlich der individuellen Folgen und Gestaltungsalternativen des genannten Urteils sollten sich betroffene Steuerpflichtige kompetent beraten lassen.

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Dr. Christian Ortloff

Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsmediator (IHK), Fachberater für das Gesundheitswesen (DStV e.V.)

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