Auslegungsleitlinien der Kommission zur Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 in Kraft getreten

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Am 29.03.2014 sind Leitlinien der Europäischen Kommission zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (nachfolgend: VO 1370) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Gleichzeitig arbeitet die Kommission weiter an einer Novellierung der VO 1370 im Rahmen des vierten Eisenbahnpakets.

Die Auslegungsleitlinien der Kommission haben keine bindende Wirkung für die deutschen Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof. Sie stellen lediglich die von der Europäischen Kommission vertretenen Ansichten im Hinblick auf die Anwendung der VO 1370 klar. Die verbindliche Auslegung bleibt daher Sache des Europäischen Gerichtshofs. Gleichwohl haben die Leitlinien eine rechtliche Bedeutung; sie geben Hinweise, wie die Kommission sich im Fall eines Beihilfenprüfverfahrens hinsichtlich der Beurteilung von Maßnahmen verhalten wird.

Die 21 Seiten umfassenden Leitlinien behandeln zum Teil bekannte Positionen der Kommission, enthalten aber auch neue Aspekte. Die nachfolgende Auswahl beschränkt sich auf bestehende Auslegungsschwierigkeiten der VO 1370 oder neue Interpretationsansätze der Kommission:

  • Allgemeine Vorschriften im Sinne der VO 1370 können auch vertragliche Regeln sein.

    Praxisanmerkung: Die Klarstellung das auch Verträge allgemeine Vorschriften sein können, ist zu begrüßen.

  • Nach Ansicht der Kommission können ausschließliche Recht über  Verwaltungsvereinbarungen gewährt werden, sofern die Genehmigung von bestimmten Kriterien zu Umfang und Qualität der Dienste abhängig gemacht wird und damit in der Praxis die Zahl der Betreiber auf dem Markt beschränkt wird. Die Ausschließlichkeit sei zu bejahen, wenn andere Unternehmen „de facto an einer Marktbeteiligung“ gehindert würden.

    Praxisanmerkung:
    Die Kommission setzt die Messlatte für die Annahme von ausschließlichen Rechten niedrig an. Angesichts des von der Kommission gegebenen Beispiels für ein ausschließliches Recht wird man davon ausgehen müssen, dass die Kommission auch Linienverkehrsgenehmigungen als ausschließliche Rechte versteht.

  • Ein interner Betreiber, der einen direktvergebenen Auftrag nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 erhalten hat, muss den überwiegenden Teil des öffentlichen Personenverkehrsdienstes selbst erbringen. Für eine Unterauftragsvergabe von mehr als einem Drittel bedürfe es „guter Gründe“

    Praxisanmerkung: Mit dieser Vorgabe weicht die Kommission von der bisher einhellig vertretenen Auffassung ab, wonach die Anforderung der Art. 5 Abs. 2 lit. b VO 1370 bei einer 50%igen Eigenerbringung erfüllt sei. Interne Betreiber, die zwischen 33% und 50% ihrer Leistungen aus einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag an Unterauftragnehmer vergeben, sollten daher Ihre Betrauungen überprüfen.

  • Jede Einheit, auf die ein interner Betreiber einen auch nur geringfügigen Einfluss ausübt, muss ihre Tätigkeiten im öffentlichen Personenverkehr nach Art. 5 Abs. 2 lit. b VO 1370 grundsätzlich im Zuständigkeitsgebiet der zuständigen örtlichen Behörde ausführen und nicht an außerhalb des organisierten wettbewerblichen Vergabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten teilnehmen. Nach der Kommission ist eine solche Einheit ggf. auch ein Mutter- oder Schwesterunternehmen des internen Betreibers.

    Praxisanmerkung: Die Interpretation kann weitreichende Konsequenzen für konzernartig organisierte Kommunalwerke haben, da alle Unternehmen der Kommune vom Gebot der Territorialität erfasst werden könnten. Betroffene Betreiber sollten ihre Strukturen überprüfen.

  • Die Kommission sieht Mischformen zwischen Eisenbahn und sonstigen schienengestützten Verkehrsträgern (etwa Tram-Train-Dienste) als nicht von der Direktvergabeoption im Eisenbahnverkehr gemäß Art. 5 Abs. 6 VO 1370 erfasst an.

  • Auch für die Bemessung des angemessenen Gewinns gibt die Kommission Hinweise. Vorzugswürdig sei eine Bemessung am Maßstab einer allgemein akzeptierten marktüblichen Vergütung. Liegen keine Marktvergleichsdaten vor, können auch andere etablierte Ansätze gewählt werden.Diese müssten unter Berücksichtigung der tatsächlichen Risiken gewählt werden.

    Praxisanmerkung: Die Klarstellungen sind zu begrüßen. Auch wenn zahlreiche Fragen weiterhin unbeantwortet sind, ist damit eine individuelle Betrachtung eröffnet, welche zugleich aber den Grundsätzen der Stetigkeit und Sachgerechtigkeit genügen muss.

  • Die Kommission gibt die Empfehlung ab, für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen einen angemessenen Ausgleichsbetrag zu gewähren, da andernfalls Leistungen reduziert und Qualitäten eingebüßt würden. Die Gewährung des Ausgleichs wird allerdings als fakultativ herausgestellt. Durch die Leitlinien wird somit kein Verbot der Unterkompensation eingeführt.

    Praxisanmerkung: Über ein Verbot der Unterkompensation wird gegenwärtig im Rahmen der Novellierungsbestrebungen zur VO 1370 (siehe Art. 4 Abs. 1 lit. b des vom Europäischen Parlament angenommenen Entwurfs) nachgedacht. Sollte ein solches Verbot der Unterkompensation eingeführt werden, hätten Betreiber möglicherweise (je nach letztendlicher Ausgestaltung der VO 1370) Anspruch auf einen Ausgleich aller nichtgedeckten Kosten. Eine solche Regelung könnte den steuerlichen Querverbund gefährden, da ein Ausgleich zum Ende des Jahres obsolet werden könnte. Die Entwicklung sollte von im Querverbund operierenden Unternehmen beobachtet und rechtzeitig etwaige Ausgestaltungsvarianten zur Aufrechterhaltung des Querverbundes geprüft werden.

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Jörg Niemann

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