Regulierungsoptimale Finanzierungsmodelle im Rahmen einer Netzübernahme

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​veröffentlicht am 25. Juni 2021

 

In den vergangenen Jahren haben Übernahmen von Versorgungsnetzen eine besondere Rolle in der Energiewirtschaft gespielt.

 

Ein wesentlicher Grund ist das Auslaufen einer großen Zahl von Strom- und Gasnetzkonzessionsverträgen. Der Neukonzessionär erhält die Erlaubnis zur Wegenutzung (Konzession) und ist somit legitimiert, das Versorgungsnetz zu übernehmen. Die regulatorisch optimale Finanzierung der Netzübernahme hängt von den allgemeinen Rahmenbedingungen, der Strom- bzw. Gasnetz-entgeltverordnung (Strom-/GasNEV) und der individuellen Ausgangslage des Netzübernehmers ab. Besonders für kleine und mittelgroße Stadtwerke und andere Netzbetreiber bedeutet die Übernahme eines Versorgungsnetzes oft eine substanzielle Veränderung der wirtschaftlichen, finanziellen und bilanziellen Unternehmenssituation.

Vor dem Hintergrund des geltenden Systems der Anreizregulierung wird die Wirtschaftlichkeit einer Netzübernahme maßgeblich von der Finanzierung des Netzkaufpreises beeinflusst. Hierfür existieren unterschiedliche Umsetzungsmodelle, die wiederum stark von der finanziellen Situation und den damit einhergehenden Finanzierungsoptionen der Gesellschafter geprägt werden.

 

Das regulatorische Umfeld

Die Monopolstellung des Netzbetreibers erfordert einen regulatorischen Eingriff. Die Regulierungsvorschriften steuern die Erlöse der Netzbetreiber und limitieren die erzielbaren Renditen des Netzbetriebes auf das eingesetzte Kapital.

 
Das seit 2009 geltende Regulierungsregime der Anreizregulierung deckelt die erzielbaren Umsatzerlöse der Netzbetreiber und verlangt eine Steigerung der Effizienz innerhalb einer fünfjährigen Zeitspanne, der sogenannten Regulierungsperiode. Das Ziel der Anreizregulierung besteht darin, den Netzbetreibern Anreize für Effizienzsteigerungen zu bieten. Ausgangsbasis zur Bestimmung der Erlöse sind die Kosten des Netzbetreibers im Basisjahr. Diese werden nach den Vorgaben der Netzentgeltverordnungen ermittelt und setzen sich aus Kapitalkosten (CAPEX) und operativen Kosten (OPEX) zusammen (vgl. Abb.1), die unter Berücksichtigung der individuellen Effizienz und der Netzkosten den Erlöspfad der nächsten Regulierungsperiode festlegen.

 

Kosten des Netzbetreibers

Die Zinssätze der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung werden jeweils für eine Regulierungsperiode von der Regulierungsbehörde festgesetzt.

Das kalkulatorische Eigenkapital bildet die Grundlage zur Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung in den Netzentgelten, die den Gewinnanspruch des Netzbetreibers darstellt. Vereinfacht wird die Verzinsungsbasis nach folgendem Schema ermittelt:

Rechnung Kalkulatorisches Eigenkapital

Dabei wird nach § 7 Strom- /GasNEV ein Maximum von 40 Prozent des betriebsnotwendigen Vermögens als kalkulatorisches Eigenkapital zur Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung berücksichtigt. Das über die 40 Prozent hinausgehende kalkulatorische Eigenkapital wird im Rahmen der Netzkostenermittlung wie Fremdkapital behandelt.

 

Netzübernahmemodelle

Im Rahmen einer Netzübernahme ist neben der Quelle der Kapitalbeschaffung auch über die Strukturierung der Finanzierung zu entscheiden. Zur wirtschaftlichen Umsetzung einer Netzübernahme ist im Regelfall die Orientierung an der regulierungsoptimalen kalkulatorischen Kapitalstruktur gemäß den oben genannten Regulierungsvorgaben geboten. Sowohl Eigen- als auch Fremdkapital können allerdings auf unterschiedlichen Ebenen in das Gesamtkonstrukt eingebracht werden. Je nach Finanzierungsmodell ist eine vollständige Fremdfinanzierung des Netzkaufs möglich und durchaus wirtschaftlich sinnvoll. Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Ausgestaltungsvarianten werden nachfolgend zunächst die beiden gängigsten Übernahmemodelle erläutert und anschließend deren Spezifika beschrieben.

Einstöckiges Modell

Im einstöckigen Modell wird das Versorgungsnetz direkt in die bestehende Unternehmensorganisation eingegliedert.
 
Gesellschaftsstruktur einstöckiges Modell

Die Finanzierung des Kaufpreises sollte so gestaltet werden, dass durch die Netzübernahme und die dafür eventuell vorgesehene Fremdfinanzierung, die eine substanzielle Veränderung der Bilanzstrukturen verursachen kann, die kalkulatorische Eigenkapitalquote der Netzsparte möglichst nicht unter 40 Prozent sinkt.
 

Doppelstöckiges Modell

Das doppelstöckige Modell wird typischerweise gewählt, wenn die überwiegende Fremdfinanzierung des Netzkaufes auf Ebene der Gesellschaft ohne zusätzliche Eigenkapitalaufbringung der Gesellschafter angestrebt wird und trotzdem eine regulierungsoptimale Kapitalstruktur erreicht werden soll.
 
Doppelstöckiges Modell

Zur Finanzierung des Netzkaufpreises wird das aufgenommene Fremdkapital der Finanzholding als Eigenkapital in die Netzgesellschaft eingebracht und dort als Basis zur Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung herangezogen. Hierdurch kann jede beliebige kalkulatorische Eigenkapitalquote der Netzgesellschaft erreicht werden.
In diesem Modell sind insbesondere die individuellen Kreditvertragskonditionen zu prüfen, denn nicht jeder Kreditvertrag lässt eine entsprechende Umwidmung bzw. Übertragbarkeit auf eine andere Gesellschaft zu. Insbesondere bei Förderdarlehen ist diese Übertragbarkeit oftmals nicht gegeben.
 

Einstöckiges vs. doppelstöckiges Modell

Die Wahl des Finanzierungsmodells hängt von diversen Einflussfaktoren ab, die jeweils im Einzelfall zu bewerten sind. Maßgeblich zur Entscheidungsfindung sind das zur Verfügung stehende „echte” Eigenkapital sowie die Frage, ob die übernehmende Gesellschaft bereits über Netzeigentum verfügt.
 
Im einstöckigen Modell lässt sich eine im Bestandsnetz nicht optimale Kapitalstruktur entsprechend optimieren, da im Zuge der Netzübernahme die Bilanzstruktur neu gestaltet werden kann. Durch die Umsetzung eines doppelstöckigen Modells besteht die Möglichkeit, den Kauf eines Versorgungsnetzes ausschließlich mit Fremdkapital auf Ebene der Gesellschaft (ohne zusätzliches Eigenkapital der Gesellschafter) zu finanzieren und trotzdem eine kalkulatorische Eigenkapitalquote von 40 Prozent zu erreichen.
 

Ausgestaltung der Kapitalstruktur

Neben der Modellwahl ist weiterhin die Höhe der Eigenkapitalquote zu diskutieren. Auch ein Abweichen von der regulatorisch optimalen Kapitalstruktur kann sich unter bestimmten Konstellationen vorteilhaft auswirken.
 
Gemäß Strom/GasNEV wird das über 40 Prozent hinausgehende Eigenkapital wie Fremdkapital verzinst (vgl. Abb. 4). Um die Auswirkungen unterschiedlicher Kapitalquoten auf die Kapitalverzinsung zu verdeutlichen, erfolgt nachstehend eine vereinfachte Beispielrechnung. In Anlehnung an die aktuelle Regulierungspraxis wird ein Fremdkapitalzinssatz in Höhe von 3,98 Prozent p.a. und ein Mischzins (Alt- und Neuanlagen) für die Eigenkapitalverzinsung in Höhe von 8,00 Prozent p.a. unterstellt:
 
Bei einer regulatorisch optimalen Kapitalstruktur (Fall 1) kann unter identischen Rahmenbedingungen eine deutlich höhere Rendite erzielt werden. Die nominelle Höhe der Kapitalverzinsung fällt hier jedoch geringer aus als bei der vollständigen kalkulatorischen Eigenfinanzierung (Fall 2). Aus Sicht eines Unternehmens mit hohen Eigenkapital- und Liquiditätsreserven ist zu beurteilen, ob eine vollständige Eigenfinanzierung des Netzes aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein kann.
 
Kapitalstruktur
 

Fazit

Die regulatorisch optimale Finanzierung einer Netzübernahme ist maßgeblich von den individuellen Zielvorgaben des Netzübernehmers sowie seiner finanziellen Ausgangssituation abhängig.
 
Sowohl das einstöckige als auch das doppelstöckige Übernahmemodell bieten dem Netzerwerber Möglichkeiten, die Kapitalstruktur und somit die Wirtschaftlichkeit der Netzübernahme zu optimieren. Der den kalkulatorischen Restwert übersteigende Kaufpreisanteil muss mit „echtem” oder umgewidmetem Eigenkapital finanziert werden. Ist dies nicht möglich, kann keine optimale kalkulatorische Eigenkapitalquote erreicht werden, die letztlich die Wirtschaftlichkeit der Netzübernahme beeinflusst.
 
Aktuell ist zu beobachten, dass die Beschaffung von Fremdkapital vor dem Hintergrund einer strengeren Bankenregulierung zunehmend schwieriger wird. So führen beispielsweise stärkere Eigenkapitalunterlegungsvorschriften zu einer restriktiveren Kreditvergabe. Selbst Kommunen oder rein kommunale Stadtwerke müssen steigende Fremdkapitalzinsen und erhöhte Anforderungen an die Kreditsicherheiten akzeptieren. Somit rückt das Thema der Kapitalbeschaffung immer stärker in den Fokus. Hier bieten unter Umständen Förderprogramme Abhilfe, deren Anwendbarkeit und Vorteilhaftigkeit jedoch im Detail geprüft werden muss.
 
Letztlich ist ein maßgeschneidertes Finanzierungskonzept notwendig, das mit dem jeweiligen Kreditinstitut umzusetzen ist.

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Oliver Ganster

Wirtschaftsingenieur (M.Sc.) Energie- und Rohstoffmanagement

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