Jetzt wird’s konkret: Der neue Regulierungsrahmen für Strom- und Gasnetzbetreiber – Einordnung und Ausblick

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​veröffentlicht am 2. Juni 2025




Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat wesentliche Weichenstellungen für den zukünftigen Regulierungsrahmen vorgelegt. Mit der Veröffentlichung der Tenorierungen zu RAMEN (Regulierungsrahmen für Elektrizitäts- und Gasverteilernetzbetreiber sowie Fernleitungsnetzbetreiber) und StromNEF/GasNEF (Methodik zur Ermittlung des Ausgangsniveaus) markiert die Bundesnetzagentur einen Wendepunkt im regulatorischen Ordnungsrahmen. Beide Dokumente liefern bereits heute ein detailliertes Bild der künftigen regulatorischen Architektur, die ab der 5. Regulierungsperiode zur Anwendung kommen soll. Wir zeigen die wesentlichen Regelungen im Überblick


​Adressaten, Reichweite und Systemwechsel

​Der neue Regulierungsrahmen richtet sich an alle Betreiber von Elektrizitäts- und Gasverteilernetzen sowie an Fernleitungsnetzbetreiber.

Nicht erfasst sind hingegen Übertragungsnetzbetreiber, für die angesichts ihrer Systemrelevanz und der geringen beeinflussbaren Kostenanteile separate Regelungen vorgesehen sind. Damit trägt die BNetzA der Differenzierung in den regulatorischen Anforderungen und Marktrollen Rechnung.

Mit Beginn der 6. Regulierungsperiode soll die Dauer der Regulierungsperiode auf drei Jahre reduziert werden. Hintergrund ist die beschleunigte Transformation im Energiesektor, die kurzfristigere Anpassungen bei Betriebskosten (OPEX) und Kapitalkosten (CAPEX) erforderlich macht. Der Versuch, alternative Konzepte wie einen pauschalen Betriebskostenfaktor oder die Erweiterung nicht beeinflussbarer Kostenanteile umzusetzen, wurde nach eingehender Prüfung nicht weiter verfolgt.



Zentrale Neuerung: WACC-Ansatz

​Ein Paradigmenwechsel findet mit der Einführung des sogenannten WACC-Modells statt. Künftig wird die kalkulatorische Gesamtkapitalverzinsung nicht mehr auf Grundlage von netzbetreiberindividuellen Anteilen von Eigen- und Fremdkapital ermittelt, sondern auf Basis eines einheitlichen, gewichteten Kapitalverzinsungssatzes (Weighted Average Cost of Capital – WACC). Diese Vereinheitlichung entkoppelt die regulatorische Betrachtung von der tatsächlichen Finanzierungsstruktur und orientiert sich an internationalen Standards.

Die WACC-Formel berücksichtigt die kalkulatorischen Zinssätze für Eigen- und Fremdkapital, gewichtet mit einer (voraussichtlichen) Kapitalquote von 40 Prozent zu 60 Prozent, unter Einbeziehung eines Steuerfaktors. Der risikofreie Zinssatz wird in Zukunft in Einzelfestlegungen dynamisch angepasst und basiert auf Anleihen mit AAA-Rating und mittlerer Laufzeit. Die Marktrisikoprämie ergibt sich wie bisher aus historischen Überrenditen.

Bestandteile Erlösobergrenze, Nettosub-stanzerhaltungsmethode wird abgeschafft

Die BNetzA gliedert die Gesamtkosten, die in die Erlösobergrenze Eingang finden, künftig klar in:

  • OPEX: operative Kosten
  • CAPEX: Kapitalkosten

Die Formelbestandteile der Anreizregulierungsverordnung werden im Wesentlichen übernommen. Jedoch wirkt auf die Kapitalkosten zukünftig lediglich der Effizienzwert. Der generelle sektorale Produktivitätsfaktor sowie der Verbraucherpreisindex bleiben unberücksichtigt.

Die „nicht beeinflussbaren Kosten“ werden neu gefasst. Nur noch sehr wenige Positionen (z. B. vorgelagerte Netzkosten, bestimmte Personalvereinbarungen) gelten als vom Effizienzvergleich ausgenommen. Forschung und Entwicklung beispielsweise werden nicht mehr privilegiert, sondern sind nur noch im Wege eines Zuschlags ansetzbar. Für die Übergangsphase der 5. Regulierungsperiode ist beabsichtigt, eine Betriebskostenpauschale einzuführen.

Bei der Bestimmung der Kapitalkosten wird mit Beginn der 6. Regulierungsperiode die Nettosubstanzerhaltungsmethode nicht mehr angewendet. Dies führt dazu, dass Netzbetreiber deutlich geringere kalkulatorische Abschreibungen einplanen müssen.

Effizienz und Qualität im Fokus

​Die Effizienzvorgaben werden in bekannter Weise fortgeführt, allerdings methodisch konsolidiert. Für Netzbetreiber im vereinfachten Verfahren (insbesondere kleinere Unternehmen) wird eine neue Gewichtung im Effizienzvergleich eingeführt, die – aus Sicht vieler Betroffener – zu einer Verschärfung der Anforderungen führt.

Zudem wirkt die Qualitätsregulierung zukünftig auf alle Stromnetzbetreiber. Neben Versorgungszuverlässigkeit rückt künftig die Energiewendekompetenz stärker in den Fokus. Dazu sollen neue Messindikatoren entwickelt und im Rahmen einer gesonderten Methodenfestlegung definiert werden.

Zinsbonus: Symbolischer Ausgleich für BKZ-Abzug

​Ein besonders kontrovers diskutierter Aspekt ist die Behandlung der vereinnahmten Baukostenzuschüsse (BKZ). Diese sollen von den kalkulatorischen Restwerten abgezogen werden. Die Kritik zahlreicher Netzbetreiber, die BKZ als Teil der Finanzierung betrachten, wurde nicht aufgenommen. Als Kompromiss sieht die BNetzA nun einen Zinsbonus auf die Restwerte vereinnahmter Zuschüsse vor – allerdings nur für fünf Jahre und mit einer Bonusquote von 25 Prozent. Beispielrechnungen zeigen jedoch, dass lediglich ein Bruchteil der entgangenen Verzinsung kompensiert wird.

Reformiertes vereinfachtes Verfahren

​Der Zugang zum vereinfachten Verfahren wird umgestellt: Anstelle von Kundenzahlen werden künftig monetäre Schwellenwerte auf Basis der „Marktabdeckung“ verwendet. Die nachfolgende Tabelle zeigt die wesentlichen Änderungen:


Bisherige Regelung

Neue Regelung

Teilnahmevoraussetzung
​Gas: < 15.000 Kunden
Strom: < 30.000
​Ermittlung Schwellenwert in €:

Gas: ca. 4,32 Mio. €
Strom: ca. 7,14 Mio. €
​Effizienzwert
​Gemittelter Wert
​Stärkere Gewichtung kleiner Netzbetreiber (voraussichtlich geringerer EW als bisher)
​KAdnb/KAnEu
​Vermiedene Netzentgelte 
5 %-Sockel
​Wie im Regelverfahren
Anpassung Betriebskosten
​–
​Nicht möglich

Sonderregelungen und Übergangsmechanismen

​Die 5. Regulierungsperiode wird zur Übergangsphase erklärt, in der insbesondere für Stromverteilernetzbetreiber eine jährliche OPEX-Anpassung vorgesehen ist. Diese Anpassung orientiert sich an bundesweiten Vergleichsparametern und soll temporäre Kostenanstiege flexibler in der Erlösobergrenze abbilden. Für Gasnetzbetreiber greift diese Regelung hingegen nicht – hier wirkt die separate Transformation über das KANU-2.0-Regime.

Fazit: Änderungen antizipieren

Die Neugestaltung des Regulierungsrahmens nimmt zunehmend konkrete Formen an. Im Kern bleibt die BNetzA dem Modell der Anreizregulierung treu, verkürzt jedoch die Regulierungsperiode auf drei Jahre, um flexibler auf Kostenentwicklungen reagieren zu können. In der Übergangsphase der 5. Regulierungsperiode ist eine OPEX-Anpassung vorgesehen. Gleichzeitig stellen die Einführung des WACC-Ansatzes zur einheitlichen Kapitalverzinsung, die Anpassung der Erlösobergrenzen unter Berücksichtigung von OPEX- und CAPEX-Werten sowie die verschärften Effizienzvorgaben die Netzbetreiber vor neue Herausforderungen.

Auch die Überarbeitung der Qualitätsregulierung, die eine präzisere Messung der Netzleistung und Versorgungszuverlässigkeit erfordert, führt zu einer erheblichen Ausweitung der regulierungsrelevanten Daten. Der vermeintlich sichere Hafen des vereinfachten Verfahrens wird enger gefasst: Die Zugangsvoraussetzungen werden verschärft, Effizienzvorgaben erhöht und eine OPEX-Anpassung, die im Regelverfahren für die Dauer der 5. Regulierungsperiode möglich ist, bleibt ausgeschlossen.

Im weiteren Verlauf plant die BNetzA, die Festlegungsentwürfe zu RAMEN und StromNEF/GasNEF im Mai 2025 zu veröffentlichen, während die finalen Festlegungen für Herbst 2025 erwartet werden. Netzbetreiber, Berater und Marktakteure sind damit gut beraten, sich frühzeitig auf die neue regulatorische Realität einzustellen.


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