Energiewende meistern – Wie integrierte Planung kommunale EVUs sicher durch die Transformation führt

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​veröffentlicht am 1. September 2025



Energie- und Wärmewende erfordern eine strategische Neuausrichtung der Geschäftsmodelle von Energieversorgern. Eine fundierte, integrierte und langfristige Unternehmensplanung ist dabei die Voraussetzung, um die Finanzierung auf lange Sicht tragfähig auszurichten und die Investitionsherausforderungen zu sichern.

Kaum eine Branche steht derzeit vor so grundlegenden Veränderungen wie die Energieversorgung. Für viele EVUs – insbesondere kommunale Stadtwerke – bringt die Energiewende tiefgreifende Veränderungen ihrer bisherigen Geschäftsmodelle mit sich. Entsprechend des politisch initiierten Ausstiegs aus der fossilen Gasversorgung sowie dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 sind alle EVUs in der Verantwortung, zentrale Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Herausforderungen sind dabei vielschichtig: Während sich das Energiesystem technologisch wandelt, geraten traditionelle Ertragsquellen unter Druck. Gleichzeitig steigen Investitionsbedarfe und Kapitalanforderungen deutlich an.

Am deutlichsten manifestiert sich diese Entwicklung in der Gasversorgung, die bislang bei zahlreichen EVUs einen maßgeblichen Ergebnisbeitrag generiert und absehbar sukzessive an Bedeutung verlieren wird. 
Um diese Veränderungen auch materiell zu erfassen, zu analysieren und zu steuern, ist eine integrierte 
Unternehmensplanung mit langfristigem Zeithorizont essenziell. Sie schafft die Voraussetzungen, um strategische Zielbilder, Investitionsentscheidungen, Ergebnisentwicklungen und Finanzierungsbedarfe – unter Berücksichtigung lokaler Rahmenbedingungen, (kommunal)politischer Zielvorgaben sowie sich wandelnder wirtschaftlicher und regulatorischer Anforderungen – monetär zu quantifizieren und kommunizierbar zu machen.

Strategische Weichenstellung: Welches Szenario ist das richtige?

​Bevor eine belastbare, langfristige Unternehmensplanung aufgestellt werden kann, ist zunächst eine grundlegende strategische Analyse erforderlich: Welches Energiewendeszenario erscheint für das eigene Versorgungsgebiet realistisch, technisch umsetzbar und wirtschaftlich tragfähig?

Zwar ist der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung bis 2045 politisch gesetzt, die konkrete Umsetzung ist jedoch stark von lokalen Rahmenbedingungen abhängig. Die möglichen unternehmensindividuellen Entwicklungspfade sind jedoch breit gefächert und reichen von einem vollständigen Ausstieg aus der Gasversorgung über Lösungen mit grünen Gasen bis hin zur Wasserstoffnutzung in bestehenden Netzen. In jedem Fall muss diese richtungsweisende Entscheidung im Einklang mit der kommunalen Wärmeplanung stehen und in enger Abstimmung mit den kommunalen Entscheidungsträgern erfolgen, da sie unmittelbar auf künftige Investitionsschwerpunkte, Ertragsstrukturen und Finanzierungsstrategien wirkt. Grundlage für diese Entscheidung bildet eine systematische Analyse des Status quo im eigenen Versorgungsgebiet: Wie hoch ist der Anteil fossil beheizter Gebäude? Wie hoch ist der Grad der Elektrifizierung bereits? Welche Bedeutung haben bestehende Fern- und Nahwärmenetze? Erst auf Basis dieser Analyse lässt sich ein belastbarer Entwicklungspfad definieren, der als Orientierungsrahmen für die mittel- bis langfristige Planung dient. Je klarer dieser Pfad ist, desto tragfähiger ist auch die darauf aufbauende materielle Planung.

Von der Strategie zur Planung: Integration und Aggregation

​Mit dem definierten Entwicklungspfad und einem belastbaren Zielmodell als Grundlage beginnt die eigentliche Planungsarbeit. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass viele Unternehmen sich nach wie vor auf eine ertrags- und aufwandsorientierte Planungsperspektive mit einem eher kurzfristigen Planungshorizont – zumeist maximal drei, in Ausnahmen fünf Jahre – beschränken. Diese Herangehensweise greift nach unserer Einschätzung  angesichts der tiefgreifenden und langfristigen Transformation der Energie- und Wärmesysteme jedoch zu kurz.

Diese kurz- bis mittelfristigen und eindimensionalen Planungsmodelle vermitteln nur ein unzureichendes Bild der strategischen Entscheidung und blenden wesentliche Cashflow- und Finanzierungsaspekte der geplanten Investitionen komplett aus.

Um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es daher einer integrierten, dreidimensionalen Unternehmensplanung, die die Ertrags- (Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen), Vermögens- und Kapital- (Plan-Bilanzen) sowie Finanzentwicklungen (Plan-Cashflow-Rechnungen) umfasst. Nur durch die gleichzeitige Betrachtung von Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage entsteht ein realistisches, belastbares und entscheidungsrelevantes Gesamtbild. 

Um die erwarteten, künftigen Entwicklungen in den einzelnen Geschäftsaktivitäten  transparent abzubilden, sollte die Planung auf Spartenebene erfolgen – z. B. Strom-, Gasvertrieb, Strom-, Gasnetz, Wärme, Wasserversorgung etc. – und anschließend zu einer Gesamtplanung auf Unternehmensebene aggregiert werden. Gerade weil viele wirtschaftliche Auswirkungen der Energiewende erst langfristig sichtbar werden, ist ein Planungshorizont idealerweise von mindestens 15 Jahren besser 20 bis 25 Jahren – z. B. bis 2045 im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität – empfehlenswert. Nur diese Langfristperspektive erlaubt es, die mit den langfristigen Investitionen einhergehenden finanziellen Entwicklungen zutreffend und umfänglich abzubilden. Kurz- bis mittelfristige Planungen hingegen laufen Gefahr, zentrale Entwicklungen unvollständig oder gar nicht zu erfassen.


Abbildung 1: Aufbau eines integrierten Planungsmodells (eigene Darstellung)


Transformation finanzieren: Phasenverständnis schafft langfristige Orientierung

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für EVUs verändern sich strukturell: Sinkende Margen und intensiver Wettbewerb im Vertrieb, steigende regulatorische Anforderungen sowie rückläufige Kapitalrenditen in regulierten Geschäftsbereichen trüben die wirtschaftliche und finanzielle Situation. Gleichzeitig entsteht durch die Transformation des Versorgungssystems, insbesondere durch den Ausbau der Stromnetzinfrastruktur, der erneuerbaren Energien sowie den Aufbau einer klimaneutralen Wärmeversorgung, ein bislang nie dagewesenes Investitionsvolumen. Während in der Vergangenheit ein kontinuierlich stabiles Investitionsniveau überwiegend aus dem operativen Cashflow finanziert werden konnte und zusätzlich Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter geleistet werden konnten, zeichnen sich für die kommenden Jahre diametral andere Finanzierungsbedingungen ab.

In der anstehenden „Belastungsphase“ ist zu erwarten, dass die hohen energiewendeinduzierten Investitionen den operativen Cashflow signifikant übersteigen werden, woraus ein dauerhaft externer Finanzierungsbedarf resultiert. In der Folge wird die Verschuldung vermutlich erheblich ansteigen. Hier gilt es, die Eigenkapitalausstattung adäquat zu gestalten und die Verschuldungsfähigkeit zu sichern.

Mit fortschreitender Umsetzung der Energie- und Wärmewende sollten sich Investitionsvolumen und Ertragskraft allmählich stabilisieren. Die Investitionen werden dann wieder verstärkt aus der eigenen Ertragskraft finanziert, auch wenn vermutlich ein exogener Finanzierungsbedarf weiterhin bestehen bleibt. Positive Ergebnis- und Cashfloweffekte aus den umgesetzten Investitionsmaßnahmen entfalten sich voraussichtlich erst langfristig. In einer später einsetzenden Wachstumsphase sollten die operativen Ergebnisse und Cashflows ansteigen und zunehmend zur Stabilisierung und Stärkung der Finanzsituation der Unternehmen führen.
 

Abbildung 2: Perspektivische Cashflow-Entwicklung in den Phasen des Transformationsprozesses
(eigene Darstellung)

Die Länge und Ausprägung der einzelnen Phasen hängt stark von unternehmensindividuellen Faktoren ab, zum Beispiel davon, welche Rolle die Gasversorgung zukünftig einnimmt, in welchem Umfang eine leitungsgebundene Wärmeversorgung neu aufgebaut oder erweitert wird, welche strukturellen Voraussetzungen bereits bestehen oder wie sich Mengen und Preise im Energievertrieb entwickeln. Für jedes EVU ergibt sich dadurch ein spezifischer Verlauf der Transformation – sowohl hinsichtlich Dauer, Investitionshöhe als auch Finanzierungsstruktur. 

Finanzierungsstrategie im Fokus: Kapitalstruktur zukunftsfähig ausrichten

Mit dem stark steigenden Investitionsvolumen rückt die Frage der Kreditfähigkeit zunehmend in den Fokus. Die Eigenkapitalausstattung vieler kommunaler EVUs ist zwar aktuell noch gut, aber die Möglichkeiten der künftigen Eigenkapitalstärkung sind oftmals begrenzt. Der dauerhafte Zugang zu langfristigem Fremdkapital erfordert jedoch eine verschuldungsfähige Bilanzstruktur. Eine integrierte Unternehmensplanung mit langfristigem Zeithorizont bildet die Grundlage, um den Gesamtfinanzierungsbedarf systematisch zu quantifizieren, tragfähige Finanzierungskonzepte zu entwickeln und potenzielle Finanzierungslücken frühzeitig zu identifizieren und zu adressieren. Korrespondierend zur Kreditfinanzierung müssen auch eigenkapitalstärkende Finanzierungsmaßnahmen etwa durch Gewinnthesaurierungen oder Eigenkapitalzuführungen an die Gesellschafter kommuniziert, geprüft und umgesetzt werden.

Auch Maßnahmen zur internen Ergebnissteuerung und Kapitalbindung spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Zur Beurteilung der langfristigen Finanzierungsfähigkeit ist die Ermittlung finanzierungs- bzw. bonitätsrelevanter Kennzahlen (z. B. Eigenkapitalquote, dynamischer Verschuldungsgrad, Schuldendienstdeckungsgrad) essenziell. Auch hier gilt: Nur die langfristige Perspektive der Planung zeigt, ob die geplanten Investitionen und die daraus resultierenden Cashflows finanzierbar sind oder ob Nachjustierungen erforderlich werden.

Position stärken: Unternehmensplanung als Kommunikationsinstrument

Neben der internen Steuerungsfunktion erfüllt eine belastbare Planung auch eine zunehmend strategische Rolle in der Außenkommunikation: In einem dynamischen und unsicheren Umfeld ist die Fähigkeit, fundiert und transparent zu kommunizieren – gegenüber Gesellschaftern, Aufsichtsgremien, Banken oder Ratingagenturen – unverzichtbar. Eine integrierte Langfristplanung schafft Klarheit und Vertrauen, weil sie datenbasiert und nachvollziehbar aufzeigt, welche Wirkung die Strategie im Zeitverlauf entfaltet und welche finanziellen Entwicklungen daraus resultieren. Gerade Banken und Kapitalgeber honorieren diese Informationsbereitstellung und Kommunikationsfähigkeit im Rahmen der Risikoanalyse und der Bonitätseinschätzung. Wer seine langfristige Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage strukturiert darstellt, stärkt seine Argumentationsposition, reduziert Risiken und schafft sich einen Vorteil im Wettbewerb um die verfügbaren Finanzierungsmittel.

Fazit: Langfristige Unternehmensplanung als Schlüssel zur Umsetzung der Energiewende

Die Umsetzung der Energiewende ist ein gesellschaftliches und ökonomisches Großprojekt. Gerade kommunale EVUs übernehmen dabei eine Schlüsselrolle: Als lokale Versorger stehen sie im direkten Fokus von Bürgern, Kunden und politischen Entscheidungsträgern. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Umsetzung und Sicherstellung einer bezahlbaren, sicheren und klimaneutralen Energieversorgung. Angesichts des erheblichen Kapitalbedarfs ist eine langfristig ausgerichtete, integrierte Unternehmensplanung ein wesentliches Steuerungsinstrument für die zukünftige Unternehmensentwicklung sowie ein wichtiges Kommunikationsmittel gegenüber Kapitalgebern, um die finanzwirtschaftlichen Entwicklungslinien transparent zu machen. Mit unserer langjährigen Erfahrung im Bereich Planung und Finanzierung, insbesondere im energiewirtschaftlichen und kommunalen Umfeld, begleiten wir EVUs und Infrastrukturunternehmen bei der Entwicklung fundierter Langfristplanungen.



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