Urban PPA – Wann greifen die ersten deutschen Kommunen den Trend der förderfreien Finanzierung regenerativer Erzeugungsprojekte auf?

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veröffentlicht am 3. Dezember 2019

 

Zurzeit wird in der deutschen Energiewirtschaft die alternative Finanzierung regenerativer Stromerzeugungsprojekte durch sog. „Power Purchase Agreements” (PPAs) diskutiert. Dabei fehlen bislang die Kommunen als potenzielle Nachfrager. Dies steht im Widerspruch zu der bedeutenden Rolle sog. „Urban PPAs” im Ausland, insbesondere in den USA. Bei einer vergleichbaren wirtschaftlichen, kommunal- und umweltpolitischen Motivationslage ist deshalb damit zu rechnen, dass dies das nächste Marktsegment sein wird, in dem Kommunen mit ersten Pilot-Ausschreibungsverfahren positive Schlagzeilen mit der Fortsetzung der Energiewende von unten machen werden.

 

VON DER EINSPEISEVERGÜTUNGSGARANTIE ZUM REGENERATIVEN STROMBEZUGSVERTRAG (PPA)

Die Dekarbonisierung der deutschen Stromerzeugung durch das Förderinstrument des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gilt weltweit als beispielhaft. Dabei konnten mit dem Förderinstrument gesetzlich festgelegter, hoher Einspeisevergütungen und einer langfristigen Abnahme- und Vergütungsgarantie gerade in der Anfangszeit des EEGs hohe Zubauraten erzielt werden. Kritiker des EEGs warnten von Anfang an vor den hohen volkswirtschaftlichen Kosten, den Folgen des Eingriffs in grundlegende Marktmechanismen für das Funktionieren des Energiemarktes und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Der Gesetzgeber steuerte deshalb zunächst mit einer Anpassung des Fördersystems durch eine Absenkung der Fördersätze, die Einführung der sog. „geförderten Direktvermarktung”, die gleichzeitige Privilegierung von energieintensiven Unternehmen und die Festlegung der Fördersätze für begrenzte Förderkapazitäten mit einem Ausschreibungssystem gegen. Nachdem die wirtschaftlichen Chancen des Fördersystems (und der weitere Zubau) stark abgenommen haben, spekulieren jetzt viele Marktakteure auf die gesunkenen Gestehungskosten regenerativer Stromerzeugung und die förderunabhängige Finanzierung regenerativer Erzeugungsanlagen innerhalb der nächsten Refinanzierungsperiode von 10 bis 20 Jahren. Dabei wird unterstellt, dass die Errichtung und der Betrieb regenerativer Erzeugungsanlagen innerhalb dieses Zeitraums bei steigenden Strompreisen und weiter sinkenden Erzeugungskosten irgendwann auch ohne Fördermittel wirtschaftlich wird, sodass bei einer Durchschnittsbetrachtung auch jetzt schon die Voraussetzungen für eine entsprechend langfristige Investition bestehen.


Dabei erfordert der hohe Investitionsbedarf eine Fremdfinanzierung. Grundlage der Einbindung von Banken ist ein langfristiger Strombezugsvertrag als Erlösabsicherung, der die Deckung des Schuldendienstes aus den Erlösen der Stromvermarktung sicherstellt. Dieses Finanzierungsmodell ist bereits seit Anbeginn der Energiewirtschaft vor allem im internationalen Großkraftwerksgeschäft Standard, weshalb sich die englische Bezeichnung „Power Purchase Agreement”, abgekürzt als PPA, auch im deutschen Sprach- und Rechtsraum im Sinne eines Strombezugsvertrages inzwischen durchgesetzt hat.


Strombezugsverträge werden als Corporate Power Purchase Agreements bezeichnet, wenn sie mit einem – in der Regel energieintensiven produzierenden – Unternehmen (Corporation) zur Deckung dessen Eigenbedarfs abgeschlossen werden. Entsprechend werden PPAs mit einem Energieversorger (engl. = utility) oder einem Direktvermarkter (engl. Händler = merchant) eingegangen, die den Strom nicht selbst verbrauchen, sondern an Dritte weiterveräußern, als Merchant PPA und Utility PPA bezeichnet.

 

IST DER US-MEGATREND URBAN PPA AUF DEUTSCHE KOMMUNEN ÜBERTRAGBAR?

Erstaunlicherweise fehlt im deutschen PPA-Diskurs der Strombezugsvertrag zur Deckung des Energiebedarfs von Kommunen, obwohl diese schon jetzt einer der großen Nachfrager für den Bezug von Strom sind. Der Urban PPA (engl. Urban = kommunal, städtisch) scheint zurzeit in Deutschland begrifflich noch nicht zu existieren.

 

Grafik Urban PPA

Urban Power Purchase Agreement (uPPA)


Im Widerspruch hierzu war die Entwicklung der Energieerzeugung und -netzinfrastruktur in Deutschland
bereits in der Frühzeit der Industrialisierung häufig auf kommunal initiierte Investitionen, beispielsweise in Wasserkraftwerke oder Stadtgasanlagen, zurückzuführen. Einige Kommunen konnten auch in jüngerer Zeit durch Aufbau eigener Erzeugungsanlagen vom EEG profitieren (vgl. z. B. http://www.kommunal-erneuerbar.de/energie-kommunen/kommunalatlas.html), auch wenn der Großteil der Fördermittel Anlagenbauern, privaten Betreibern und der dahinterstehenden (internationalen) Finanzwirtschaft zugeflossen ist. Vor allem aber in den Ländern, in denen eine staatliche Förderung zur beschleunigten Dekarbonisierung der Energiewirtschaft fehlt, waren vielfach Kommunen die Treiber regenerativer Erzeugungsprojekte. Insbesondere in den USA haben in jüngerer Zeit viele Kommunen ihre Strombeschaffung durch langfristige regenerative PPAs umgestellt. Alleine 2016 haben Kommunen in den USA über 210 PPA-Projekte mit einer Jahreserzeugung von 7,9 Mio. kWh regenerativ erzeugten Stroms in Betrieb genommen.


Dabei ist die Motivationslage amerikanischer Kommunen inzwischen durchaus auf deutsche Städte übertragbar. Inzwischen stockt trotz einer unveränderten Notwendigkeit zur Dekarbonisierung der Energiewirtschaft zur Erreichung der Klimaziele auch in Deutschland der Ausbau Erneuerbarer Energien. Es besteht deshalb Bedarf, durch privatwirtschaftliche und kommunale Initiativen das Versagen zentralstaatlicher Lenkung zu kompensieren. Die technologische Entwicklung kleinerer Erzeugungssysteme und automatisierter
Steuerung ermöglicht den Aufbau dezentraler Erzeugungs- und Versorgungsstrukturen. Dabei bestehen
dennoch Ressourcennutzungskonflikte, die sich häufig nur durch Beteiligung der von nachteiligen Umweltauswirkungen betroffenen Bürger an den wirtschaftlichen Vorteilen der Energieerzeugung auflösen lassen. Insofern bieten die mit lokalen regenerativen Erzeugungsprojekten verbundene lokale Wertschöpfung, der Beitrag zum wirtschaftlichen Betrieb von allgemeinwohlorientierten Aufgaben der Daseinsvorsorge und die ohnehin vorhandenen demokratischen Beteiligungsstrukturen von Kommunen ideale Voraussetzungen, um eines der wesentlichen Hindernisse regenerativer Erzeugungsprojekte mit ggfs. nachteiligen Auswirkungen auf Flächenverbrauch, Landschaftsbild und Tierwelt zu überwinden. Schließlich verfügen Kommunen häufig selber über Zugang zu regenerativen Erzeugungsressourcen (Wind- & PV-Standorte, Biomasse) oder können solche vermitteln. Und nicht zuletzt bieten der langfristig konjunkturunabhängige Energiebedarf kommunaler Aufgaben und das geringe Ausfallrisiko deutscher Kommunen eine hohe Finanzierungssicherheit.


In der Regel dauert es immer etwas länger, bis allgemeine wirtschaftliche Entwicklungen auch von Kommunen
aufgegriffen werden. Insofern scheint es im Moment wohl nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis deutsche Kommunen mit dem ersten Urban PPA die Chancen der noch jungen Entwicklung nutzen.

 

DER WEG ZUM URBAN PPA

In jüngerer Zeit haben große öffentliche Auftraggeber wie die Deutsche Bahn, Flughafen- oder Messebetreiber
mit der Ausschreibung von Corporate PPA Schlagzeilen gemacht. Entsprechend besteht auch für Kommunen
in der Regel das vergaberechtliche Erfordernis der Ausschreibung des mit einem Urban PPA abzudeckenden
Beschaffungsbedarfs. Ähnlich wie bei der Ausschreibung von Wärme-Contractingprojekten stehen PPA-Ausschreibungen vor dem Problem, dass einerseits die ingenieurtechnische Kreativität und Ausschöpfung einer optimalen technischen und wirtschaftlichen Gestaltung nicht durch zu starre Vorgaben beschränkt werden soll, andererseits eine Vergleichbarkeit der Gebote durch qualitative und quantitative Gebotsvorgaben sichergestellt werden muss. Hinzu kommt, dass der noch junge Markt der PPA-Projekte noch in Entwicklung befindlich ist, sodass fraglich ist, welche Art von Angeboten – z. B. bzgl. der Erzeugungstechnologie (Wind, Sonne, Biomasse, Wasser, etc.) – verfügbar ist. Falls sich hier überhaupt ein Markt mit standardisierten Produkten entwickelt, ist zumindest in der Pilotphase der Urban-PPA-Entwicklung eine Konzeptphase erforderlich, in der die individuellen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen untersucht und aufbereitet werden, eine Markterkundung vorgenommen wird, um ein Ausschreibungsdesign zu entwickeln, das hinreichende Aussichten auf eine ausreichende Anzahl von Bietern und die Einhaltung der vergaberechtlichen Anforderungen an das weitere Vergabeverfahren sicherstellen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem Urban PPA eine komplexe Koordinierung zwischen PPA, Anlagenbauvertrag und Finanzierungsverträgen stattfinden muss. Diese Koordinierung kann praktisch nur im Wege von Verhandlungen oder einem wettbewerblichen Dialog erbracht
werden, sodass auch diesbezüglich erhebliche Unterschiede zu der klassischen Strombeschaffung auf der Grundlage von standardisierten Lieferverträgen bestehen.

 

 

Grafik Koordinierung Projektverträge

Koordinierung von Projektverträgen und uPPA

 

Dabei kann schon jetzt auf die Erfahrungen kommunaler EEG-Erzeugungsprojekte und der ersten Corporate-PPA-Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber zurückgegriffen werden. So hat Rödl & Partner in der Vergangenheit bereits zahlreiche (v. a. bayerische) Kommunen bei ihren Windkraft-, PV-, und Geothermieprojekten vergabe-, energierechtlich und energiewirtschaftlich unterstützt und ist in verschiedene Pilotprojekte der Corporate-PPA-Entwicklung involviert. Angesichts der dargestellten wirtschaftlichen, kommunal- und umweltpolitischen Motivationslage deutscher Kommunen ist deshalb damit zu rechnen, dass Kommunen die Chance nutzen werden, mit ersten Pilot- Ausschreibungsverfahren positive Schlagzeilen zu machen und damit die internationale Entwicklung einer Energiewende von unten fortsetzen werden.

 

URBAN PPA ALS GESCHÄFTSFELD FÜR STADTWERKE?

Urban PPAs bieten sich vor allem für kleinere Kommunen an, die über kein eigenes Stadtwerk oder zumindest kein eigenes Stadtwerk mit Kompetenzen im Bereich der Planung, Finanzierung, Errichtung oder des Betriebs von regenerativen Stromerzeugungsanlagen verfügen. Bei derartigen Kommunen kann eine PPA Projektgesellschaft auch Nukleus einer späteren Stadtwerke-Gründung sein. In der Regel fehlt es aber auch größeren Stadtwerken an umfassenden Kompetenzen in diesen Bereichen. Insofern hat sich gerade im Erneuerbare-Energien-Geschäft eine Arbeitsteilung zwischen Projektentwicklern und Betreibern herauskristallisiert. Dabei strukturiert und entwickelt ein Projektentwickler die regenerative Erzeugungsanlage inklusive aller für den Betrieb erforderlichen Projektverträge, um sie dann auf eine Betreibergesellschaft zu übertragen. Dabei verfügen Stadtwerke aber in der Regel bereits über Kompetenzen in einzelnen Bereichen des PPA-Betriebs, wie z. B. der technischen und kaufmännischen Betriebsführung von regenerativen Erzeugungsanlagen, der (Reserve- und Spitzenlast-)Strombeschaffung und Überschussvermarktung etc. Der Auf- und Ausbau entsprechender Kompetenzen in der eigenen Gemeinde ist immer auch eine Referenz, um derartige Dienstleistungen interkommunal oder sogar auch überregional anzubieten. Schließlich drängen bereits zahlreiche private, überregionale Direktvermarktungsunternehmen, Anlagenbauer und -Projektierer in das neu entstehende Marktsegment. Stadtwerke können deshalb nur an diesem Markt teilnehmen und im Rahmen von Ausschreibungswettbewerben bestehen, wenn sie frühzeitig entsprechende Kompetenzen aufbauen und Erfahrungen im Bereich der PPA-Entwicklung sammeln.

 

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