Konzessionen/Netzübernahmen

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In den kommenden Jahren laufen hunderte Strom- und Gaskonzessionen aus und stellen die Kommunen vor die Frage, wie das vorgeschriebene Vergabeverfahren – trotz rudimentärer gesetzlicher Vorschriften – rechtssicher durchgeführt werden kann.
Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt haben aufgrund neuer Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung im Mai 2015 eine überarbeitete Auflage des bereits 2010 erschienenen Leitfadens zur Vergabe von Strom und Gaskonzessionen veröffentlicht.

Auswahlverfahren, Auswahlkriterien und Auswahlentscheidung

Die derzeitige Diskussion um Konzessionsvergaben dreht sich insbesondere um die Frage, wie ein Auswahlverfahren transparent und diskriminierungsfrei gestaltet, die passenden Auswahlkriterien herangezogen und schlussendlich die richtige Auswahlentscheidung getroffen werden kann. Der Leitfaden greift diese Fragen auf, setzt sich jedoch nicht detailliert genug mit ihnen auseinander.
 
So stellt der Leitfaden zwar nochmals klar, dass es der Bestimmungsfreiheit der Gemeinde unterliegt, ob sie das Verfahren zur Suche eines strategischen Partners und zur Vergabe einer Konzession als zweistufiges Verfahren, also zeitlich nacheinander, oder aber zeitgleich als einstufiges Verfahren durchführt. Jedoch beantwortet er nicht die umstrittene Frage, ob die Suche nach einem strategischen Partner dem Vergaberecht unterfällt. Nach Ansicht der Verfasser ist dies nur dann der Fall, wenn ein Betriebsführungsmodell bzw. eine Kombination aus Pachtmodell und Betriebsführungsmodell ausgeschrieben wird, wobei in letzterem Fall der Auftragswert der erbrachten Dienstleistungen jeweils die relevanten Schwellenwerte überschreiten müsste, um unter das Vergaberecht zu fallen. Ein Pachtmodell hingegen, das keine Dienstleistungen enthält, eröffnet gar nicht erst den Anwendungsbereich des Vergaberechts; sollten Dienstleistungen enthalten sein, so müssten auch diese die relevanten Schwellenwerte überschreiten, um dem Vergaberecht zu unterliegen. Die Auffassung, dass auch sämtliche Pachtmodelle dem Vergaberecht unterfallen, überdehnt die Vorgaben des Vergaberechts und ist somit abzulehnen.
 
Bezüglich der vom Bundesgerichtshof geforderten „vorrangigen Berücksichtigung” der Ziele des § 1 Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vertreten Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt unterschiedliche Ansichten. Während nämlich das Bundeskartellamt die Kriterien des § 1 EnWG mit 70 Prozent gewichtet, leitet die Bundesnetzagentur aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine über 50 Prozent hinausgehende Prozentzahl ab. Der Bundesnetzagentur ist zuzustimmen, da der Begriff „vorrangig” lediglich bedeuten kann, dass die Auswahlkriterien des § 1 EnWG die Mehrheit der erreichbaren Bewertungspunkte, d.h. über 50 Prozent ausmachen. Damit ist die Intention des Bundesgerichtshofs sichergestellt, dass keine andere Gruppe von Auswahlkriterien vorrangig berücksichtigt werden kann.
 
Im Hinblick auf die Gestaltung und Bewertung der Auswahlkriterien stellt der Leitfaden zu Recht fest, dass eine zu starke Konkretisierung der Kriterien den Ideenwettbewerb einschränken kann. Dieser Meinung stehen einige insbesondere landgerichtliche Entscheidungen entgegen, die die Anforderungen an die inhaltlichen Erläuterungen der Kriterien überobligatorisch ausgedehnt haben. Würden jedem Bewerber bereits im Voraus alle Anforderungen an das Angebot detailliert erläutert werden, so würden die Bewerber lediglich die festgelegten Anforderungen erfüllen, jedoch keine Ideen darüber hinaus einbringen, da auch so die Höchstpunktzahl erreicht wäre. Im Sinne der vom Leitfaden geforderten innovativen Angebote sollten zu strenge Anforderungen daher nicht angelegt werden.
 
In Bezug auf die Bekanntmachung der Auswahlentscheidung greift der Leitfaden die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 101a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf, lässt jedoch offen, wie der unterlegene Bieter seine Rechte nach der Information der Kommune wahren kann. Dies erfordert nach Ansicht der Verfasser die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe, insbesondere im Wege einer einstweiligen Verfügung (§§ 935ff. ZPO). Eine schriftliche Rüge allein hindert die Kommune nicht am Vertragsschluss und ist somit nicht geeignet, Rechte zu „wahren”.
 

Informationsansprüche

Eine ausreichende Datengrundlage zum Strom- bzw. Gasverteilernetz ist unverzichtbare Voraussetzung für einen fairen und diskriminierungsfreien Wettbewerb. Dementsprechend stellt der Leitfaden klar, dass bereits im Vergabeverfahren die kalkulatorischen Daten des Netzbetriebs der Kommune und somit allen Bewerbern zur Verfügung zu stellen sind. Durch diese Daten können die möglichen Kosten einer Netzübernahme ermittelt werden, jedoch sind sie in Bezug auf die Rendite wenig aussagekräftig. Das liegt daran, dass der Neukonzessionär im Rahmen des derzeitigen Systems der Anreizregulierung erst in den Netzübernahmeverhandlungen erfährt, in welcher Höhe der Altkonzessionär einer anteiligen Übertragung der Erlösobergrenze zustimmt, obwohl diese neben dem Netzkaufpreis den zweiten wesentlichen Aspekt eines wirtschaftlichen Netzbetriebs darstellt. Um dem entgegenzuwirken, könnte z. B. der Auskunftsanspruch der Kommune um eine Mitteilung des Altkonzessionärs bezüglich der zu übertragenden anteiligen Erlösobergrenze erweitert oder aber die Festlegungskompetenz dieser Erlösobergrenze den Regulierungsbehörden zugesprochen werden. Im Hinblick darauf wird möglicherweise eine Änderung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) notwendig.
 

Materielle Auslegungsfragen zu Netzüberlassung und

Regulierung

Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt bekräftigen in dem Leitfaden die Ansicht, dass der Neukonzessionär Anspruch auf Übereignung sämtlicher im Konzessionsgebiet gelegenen Anlagen des Verteilernetzes hat, ausgenommen solche mit eindeutig überörtlichem Charakter. Diese Übereignung muss gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung erfolgen. Welche Vergütung wirtschaftlich angemessen ist, wird durch Sachzeitwert oder Ertragswert bestimmt, wobei der Ertragswert nach objektivierbaren Kriterien zu ermitteln ist. Genauere Angaben zu der Ermittlung des Ertragswertes wurden in dem Leitfaden leider nicht gemacht.
 

Fazit

Der Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur vom 21. Mai 2015 greift zwar eine Vielzahl von neuen Entwicklungen im Recht der Konzessionsvergaben und Netzübernahmen auf, wird allerdings die teils hitzig geführten Diskussionen zwischen den beteiligten Marktakteuren voraussichtlich nicht beenden können. Sollte der Gesetzgeber – was derzeit wohl in der Diskussion steht – kurzfristig dringend notwendige Klarstellungen vornehmen, könnte den Gerichten viel Arbeit erspart bleiben.

 

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