Kosmetika: Ein kurzer Einblick in aktuelle Entwicklungen des EU-Kosmetikrechts

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten
 

Es mag sich derzeit der Eindruck aufdrängen, im Kosmetikrecht gäbe es keine erwähnens­werten Entwicklungen. Und anders als das bspw. im Bereich der Lebens­mittel, Medizinprodukte oder Düngemittel aufgrund neuer EU-Verordnungen oder nationaler Rechtssetzung der Fall ist, steht keine grundlegende Veränderung im Kosmetikrecht an. Die aktuellen Entwicklungen lassen sich jedoch im Detail finden. Dieser Artikel beleuchtet überblicksartig den EU-Rechtsrahmen des Kosmetikrechts und gibt einen kurzen Einblick in aktuelle Entwicklungen.
 


 

Europäischer Green Deal, Auswirkungen auf Kosmetika und sonstige Verbraucher­produkte

Maßnahmen, die der Regulierung von Inhaltsstoffen in Kosmetika dienten, waren in der Vergangenheit meist mit großem medialen Interesse verbunden. Zu nennen ist in dem Zusammenhang z.B. die Debatte über in Kosmetika enthaltenes Mikroplastik aus dem Frühjahr 2019. Das große Interesse lässt sich sehr gut nachvoll­ziehen, wenn man sich mit dem Begriff der kosmetischen Mittel näher auseinandersetzt. Denn kosmetische Mittel sind der Legaldefinition nach:


„Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungs­system, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen.“ (Art. 2 Abs. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009).


 
Es handelt sich bei Kosmetika also um omnipräsente Produkte des täglichen Lebens: jeder Verbraucher benutzt Kosmetika. Sie sind daher in hohem Maße gegenüber Chemikalien exponiert, die als Inhaltsstoffe von Kosme­tika verwendet werden. Durch die am 14.  Oktober 2020 von der Europäischen Kommission verabschiedeten neue Chemikalienstrategie sind nunmehr neben Auswirkungen auf andere Verbraucherprodukte (z.B. Spielzeug, Detergenzien, Möbel und Textilien) auch Neuerungen im Bereich der Kosmetika zu erwarten. So hat die Europäische Kommission insbesondere Maßnahmen zum Schutz vor besonders gefährlichen Chemikalien (z.B. solche die Krebs oder Genmutationen verursachen oder das Fortpflanzungs- oder das Hormonsystem beeinträchtigen können) angekündigt.  Unternehmer der Life-Science-Branche im Allgemeinen und der Kosmetikbranche im Speziellen sollten daher die Entwicklungen rund um den europäischen Green Deal der Kommission verfolgen und ggf. frühzeitig notwendige Anpassungen an ihren Produkten planen bzw. vornehmen.
 

Der aktuelle Rechtsrahmen des Kosmetikrechts auf EU-Ebene in aller Kürze

Kosmetische Mittel waren eine der ersten Produktkategorien deren Vermarktungs­voraus­setzungen auf EU-Ebene harmonisiert wurden (Richtlinie 76/768/EWG). Eine Neufassung des EU-Kosmetikrechts erfolgte dann vor einigen Jahren durch die Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel (im Folgenden „Kosmetikverordnung“). Ergänzend dazu wurden mit der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 gemeinsame Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen über kosmetische Mittel festgelegt (im Folgenden „Kosmetik-Werbever­ordnung“). Auf Werbung von Kosmetika findet i.Ü. das allgemeine Wettbewerbsrecht und insbesondere das Irreführungsverbot Anwendung. Abgerundet wurden die Vorschriften durch den Durch­führungs­beschluss 2013/674/EU der Kommission vom 25. November 2013 mit Leitlinien zur Erstellung der Produktinformations­datei bzw. des Sicherheitsberichts für Kosmetika. Außerdem ist in Deutschland die Verordnung über kosmetische Mittel (D-KosmetikV) zu beachten, die auf EU-Ebene nicht geregelte Aspekte betrifft (z.B. Anzeigepflicht bei den Überwachungsbehörden für im Inland hergestellte Kosmetika).
 

Stetige Aktualisierungen der Kosmetikverordnung in ihren Anhängen

Die Kosmetikverordnung enthält in ihren Anhängen Bestimmungen darüber, welche Stoffe in Kosmetika nicht verwendet werden dürfen (Anhang II) oder deren Verwendung ggf. mit Einschränkungen zugelassen ist (Anhänge III-VI). V.a. in diesen Anhängen wird die Kosmetikverordnung stetig durch die Kommission aktualisiert. Das ist immer dann der Fall, wenn neue oder bestehende Stoffe auf Grundlage von wissenschaf­tlichen Bewertungen durch den Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur neu bewertet und eingestuft werden.  Zuletzt wurden die Anhänge der Kosmetikverordnung Ende 2019 geändert – und zwar durch die Verordnung (EU) Nr. 2019/1966, die seit dem 1. Mai 2020 gilt. Im Wesentlichen befasst sich die Änderungsverordnung mit der Anwendbarkeit von Salicylsäure und weiteren Stoffen oder Stoffgruppen in kosmetischen Mitteln.
 
Werden Stoffe – wie Salicylsäure – nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch (sog. CMR-Stoffe) der Kategorie 2 eingestuft, dürfen sie nach Maßgabe des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Kosmetikverordnung nur in Kosmetika verwendet werden, wenn sie vom Wissenschaftlichen Ausschuss „Verbrauchersicherheit“ (im Folgenden „SCCS“) bewertet und für die Verwendung in solchen Mitteln als sicher befunden wurden. Dafür ist ein Antrag auf Gewährung einer Ausnahme zur Verwendung des entsprechenden Stoffes in kosmetischen Mitteln bei der Europäischen Kommission zu stellen. Eine solche Bewertung und Einstufung hat der SCCS in Bezug auf Salicylsäure vorgenommen, sodass die Anhänge der Kosmetikverordnung entsprechend anzupassen waren.
 
Wollen Unternehmer einen neuen Stoff bzw. einen neu bewerteten Stoff in ihren Produkten verwenden, haben sie die Möglichkeit, die Listung dessen in der Kosmetikverordnung zu erreichen, sofern der betroffene Stoff für die Verwendung in Kosmetika sicher ist – d.h. eine Gefährdung für Verbraucher ausgeschlossen werden kann. Das damit verbundene Verfahren sollte allerdings nicht unterschätzt werden, denn dabei handelt es sich um ein (insbesondere zeitaufwendiges) Zulassungsverfahren, bei dem nach erfolgreichem Abschluss der Stoff EU-weit in Kosmetika verwendet werden darf. Das Zulassungsverfahren beinhaltet u.a. eine eingehende toxikologische Überprüfung des Stoffes. Zu beachten ist außerdem, dass für die rechtskonforme Verwendung des Stoffes abgewartet werden muss, bis er in der Kosmetikverordnung ausdrücklich im entsprechenden Anhang gelistet wurde.
 

Aktuelles Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Kennzeichnungsvorschrift des Art. 19 der Kosmetikverordnung

Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ist derzeit zudem ein Vorab­entscheidungs­verfahren (C-667/19) anhängig, das von einem polnischen Gericht im September 2019 eingeleitet wurde. Im Rahmen des Verfahrens sollen zwei Fragen zur Auslegung der Kennzeichnungsvorschrift des Art. 19 der Kosmetikverordnung geklärt werden:

  • Was ist unter dem Begriff „Verwendungszweck des kosmetischen Mittels“ als Hinweis auf dem Behältnis und der Verpackung (i. S. d. Art. 19 Abs. 1 lit. f) der Kosmetikverordnung) zu verstehen?
  • Ist es möglich, bestimmte Pflichtangaben nur in einem gesonderten Katalog des Herstellers anzugeben, der nicht gemeinsam mit dem Produkt übergeben wird, sondern vielmehr käuflich zu erwerben ist?      

 
Die Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 9. Juli 2020 enthalten eine umfangreiche Argumentation, wie diese Fragen beantwortet werden könnten. Der Generalanwalt gibt bei der ersten Frage des Vorabentscheidungsersuchens zu bedenken, dass sich die Angabe des Verwendungszwecks – wobei es sich um eine Pflichtangabe handelt – nicht auf die Nennung der Zweckbestimmungen (z.B. „reinigen“, „parfümieren“, oder „schützen“) gem. Art. 2 Abs. 1 lit. a der Kosmetikverordnung beschränken sollte, da der Verwendungszweck (Information des Verbrauchers) und die Zweckbestimmung (Abgrenzung zu anderen Produktkategorien wie z.B. Arzneimittel- oder Medizinprodukte) systematisch nicht das gleiche Ziel verfolgen. Der Begriff des „Verwendungszwecks“ ist i.Ü. nach Ansicht des Generalanwalts nicht mit dem Begriff der „Werbeaussagen“ aus Art. 20 Abs. 1 der Kosmetikverordnung i. V. m der Kosmetik-Werbeverordnung gleichzusetzten, da letztere dazu bestimmt sind eine größere Menge an Informationen zu liefern.
 
Zur zweiten Frage führt der Generalanwalt aus, dass nach seiner Ansicht (übereinstimmend mit den Ausführungen der am Verfahren beteiligten Regierungen) die Nennung von Pflichtangaben in einem gesonderten Katalog – der weder mit dem Produkt verbunden ist, noch gemeinsam mit dem Produkt an den Erwerber übergeben wird – nicht den Anforderungen des Art. 19 Abs. 2 der Kosmetikverordnung genügt. Dem Grundsatz nach sind Pflichtangaben auf der Verpackung direkt anzugeben und dürfen nur, wenn es aus unüberwindlichen technischen Gründen (z.B. Größe der Verpackung) unmöglich ist, ausnahmsweise auf einem Begleitdokument angeben werden. Rein organisatorische oder finanzielle Gründe erfüllen nicht die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes. Um die Fragen abschließend beantworten zu können, bleibt die Entscheidung des EuGHs allerdings unbedingt abzuwarten.
 

Fazit

Unternehmen aus der Kosmetikbranche sollten die aktuellen Entwicklungen des Kosmetikrechts im Auge behalten, um in der Lage zu sein im Bedarfsfall ihre Produkte schnell und erfolgsorientiert an neue harmonisierte Vorschriften anzupassen.

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Dr. Barbara Klaus

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