M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Earn-Out”

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In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Nieder­lassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

Grundlage für die Unternehmensbewertung und die darauf beruhende Kaufpreisermittlung ist in der Regel die aus der Geschäftsentwicklung der Vergangenheit abgeleitete planungs- und prognosegestützte Erwartung an die künftigen Erträge der Zielgesellschaft.

Verkäufer sind jedoch in der Regel nicht bereit, Garantien im Hinblick auf die künftige Geschäftsentwicklung abzugeben oder gar Abschläge auf den Kaufpreis für entsprechende Unsicherheiten bzw. Risiken zu akzeptieren. Das gilt insbesondere dann, wenn sie auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Zielgesellschaft nach der Veräußerung keinen Einfluss mehr nehmen können.

Für den Käufer hingegen besteht eine erhebliche Unsicherheit, wenn die seiner Bewertung zugrundeliegenden Annahmen für die künftige Entwicklung stark abhängig von Faktoren sind, auf die er selbst nicht oder nur bedingt einwirken kann. Diese Unsicherheit wirkt verstärkt, wenn die Zielgesellschaft in Ländern tätig ist, in denen der Käufer nicht über tiefergehende Markterfahrungen verfügt.

Besonders ist dies dann der Fall, wenn der Geschäftserfolg maßgeblich mit der Person des Verkäufers verbunden war – etwa weil diese selbst am operativen Geschäft teilgenommen hat (z.B. als Geschäftsführer) oder der Geschäftserfolg in der Vergangenheit von ihr abhängig war (z.B. durch persönlichen Kundenkontakt, Bindung von Schlüsselmitarbeitern, Einbindung in eine Konzernstruktur) und ggf. auch in der Zukunft von ihren Handlungen (förderndes Tun aber auch Unterlassen schädigender Handlungen) abhängig sein wird.

Ein Earn-Out-Mechanismus ist eine Kaufpreisregelung im Unternehmenskaufvertrag, wonach ein Teil des an den Ver­käu­fer zu zahlenden Kaufpreises in der Zukunft erfolgt. Das Entstehen, die Fälligkeit und evtl. auch die Höhe des Anspruchs sind dabei insb. vom Erreichen bestimmter Kennzahlen innerhalb definierter Zeiträume beim Zielunternehmen abhängig.


Über eine Earn-Out-Regelung lässt sich die Unterstützung durch den Verkäufer zumindest für einen bestimmten Übergangszeitraum sichern sowie dessen Motivation erhöhen, einen Beitrag zu einer erfolgreichen Fortführung und Integration zu leisten. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die zu erreichenden Kriterien realistisch sind, da andernfalls der positive „Belohnungseffekt” verfehlt wird und unerreichbare Vorgaben demotivierend wirken können.

Aber auch bestimmte Ereignisse, die wesentlichen Einfluss auf die Erfüllung der Ertragsprognosen haben (z.B. die Verlängerung einer Lizenz, der Ausgang eines anhängigen Rechtsstreits) lassen sich – als Alternative zu einem direkten bedingten Kaufpreiseinbehalt – indirekt über Regelungen, welche künftige Zahlungen an den Käufer in Abhängigkeit vom Ergebnis vorsehen, für den Käufer absichern.

Earn-Out-Regelungen sind mithin effektive Maßnahmen, den Verkäufer in die Verantwortung für Angaben zur Erwartung bestimmter Planzahlen zu nehmen. Im Gegenzug kann eine Earn-Out-Regelung aber auch für den Verkäufer attraktiv sein, da ihm hierüber die Möglichkeit eingeräumt wird, über den punktuell verhandelbaren Kaufpreis hinaus zusätzlich von einer nachhaltig erfolgreichen Transaktion zu profitieren. In Verhandlungen sind Earn-Out-Regelungen deshalb oftmals ein probates Mittel um über die hierdurch mögliche Risiko- und Chancenverteilung Verkäufer- und Käuferpositionen anzunähern und damit eine Einigung herbeizuführen.

Dieser Ausweg wird jedoch „erkauft” mit einer gesteigerten Komplexität des im Kaufvertrag zu gestaltenden Zahlungsmechanismus. Die Struktur eines geeigneten Earn-Out-Mechanismus hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa der Branche (Saisonalität), der Strategie des Käufers und der angewandten Bewertungsmethode. Dabei gilt: je einfacher und klarer die Regelung, desto weniger wahrscheinlich sind spätere Meinungsverschiedenheiten.


In der Praxis steigt bei Verhandlungen von Earn-Out-Klauseln schnell der Umfang und die Komplexität der Regelungen, wobei grundsätzlich folgende Themen behandelt werden: 
  • Bedingungen für das Entstehen des Anspruchs (Kennzahlen, sonstige Bedingungen, z.B. Einhaltung eines Wettbewerbsverbots)
  • Earn-Out-Zeitraum, Bemessungsgrundlage, Höhe und Berechnung
  • Kontrolle und Ermittlung der Geschäftszahlen
  • Vorgaben, Einwirkungen und Einschränkungen im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft im Earn-Out-Zeitraum
  • Korrekturen und Ausgleich bei der Kalkulation der Bemessungsgrundlage
  • Sicherheiten, wie z.B. die (teilweise) Hinterlegung auf einem Treuhandkonto, Bankgarantien, Bürgschaften
  • Zahlungsverfahren und -termine
  • Überprüfungsverfahren


Üblicherweise betragen Earn-Out-Zeiträume zwei bis drei Jahre, wobei in Einzelfällen aber auch längere Zeit­räume vereinbart werden. Der Earn-Out-Anteil am Kaufpreis beläuft sich in der überwiegenden Zahl der Fälle auf 20-40 Prozent des Kaufpreises, wobei bei spezifischen Risiken auch 50 Prozent und mehr vereinbart werden.


Gerade bei grenzüberschreitenden Transaktionen gilt es, zusätzliche Themen zu beachten, wie etwa:
  • Berücksichtigung von Währungskursdifferenzen/Devaluation
  • Anwendbare Rechnungslegungsgrundsätze
  • Anwendbares Recht
  • Streitbeilegungsmechanismen


Ursache für die Komplexität ist ein Interessenskonflikt der Parteien, dessen Ausgleich regelmäßig detaillierte Definitionen und komplexe Kalkulationsformeln erforderlich machen. So ist der Anknüpfungspunkt für das Entstehen des Earn-Out-Anspruchs regelmäßig das Erreichen bestimmter Planungsziele (z.B. kumuliertes EBITDA bzw. EBIT über einen Zeitraum von drei Jahren). Der Verkäufer macht seinen künftigen Anspruch also abhängig von Faktoren, auf die er keinen bzw. nur noch einen eingeschränkten Einfluss hat. Der Käufer, als neuer Eigentümer, hat hingegen vielerlei Möglichkeiten das Ergebnis zu gestalten (z.B. über Verrechnungspreise, Investitionen, Umlagen) und damit die Erfüllung der Earn-Out-Bedingungen zu verhindern. Aus dem Grund wird es die Intention des Verkäufers sein, möglichst viele Beschränkungen für ergebnisrelevante Maßnahmen bzw. entsprechende Anpassungen bei der Berechnungsformel aufzunehmen.

Der Käufer hingegen möchte verständlicherweise möglichst wenige Beschränkungen im Hinblick auf seine neu erworbene Gesellschaft für sich gelten lassen. Ein möglicher Ansatz zur Vereinfachung wäre anstelle der EBIT- oder EBITDA-Zielwerte das Erreichen bestimmter Umsatzziele zu vereinbaren. Dies hat für den Verkäufer den Vorteil, dass eine Manipulation auf Kostenseite durch den Käufer weniger möglich ist.

Bei geeigneter Ausgangslage und sinnvoll angewandt, ermöglichen es Earn-Out-Regelungen, verhärtete Verhandlungsposition auf beiden Seiten aufzuweichen, indem sie dem skeptischen Käufer mehr Sicherheit gewähren und dem zuversichtlichen Verkäufer die Chance bieten, den erzielbaren Kaufpreis zu erhöhen.

Erfahrene Experten sind in der Lage Regelungen für den Earn-Out-Mechanismus, ausgewogen, transparent und eindeutig zu formulieren, ohne diese unnötig komplex werden zu lassen. Das vermeidet Unsicherheit und Frustration auf beiden Seiten – während der Verhandlungen und über den Abschluss der Transaktion hinaus.

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Tommi Koponen

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