Schadensersatz bei Garantieverletzungen in M&A-Transaktionen

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M&A Transaktionen sind für Verkäufer und / oder Käufer meist eine besondere, nicht alltägliche Situation. Wegen der Tragweite der damit ein­hergehenden Entscheidungen vereinbaren die Parteien im Kaufvertrag häufig einen Katalog von Garantien, um besonders wichtige Aspekte einer Transaktion abschließend zu klären und den ge­schuldeten Zustand zu definieren. Offenbart sich nach Vollzug der Transaktion eine Garantie­verletzung, steht dem Käufer im besten Fall Scha­densersatz zu.
 
Vor dem Hintergrund meist grund­legend veränderter Situationen nach Übergang des Unternehmens stellt sich bei Garantieverletzungen für beide Vertragsparteien – insb. aber für den geschädigten Käufer - immer die Frage nach den Folgen der Garantieverletzung und der Berech­nung eines Schadensersatzes.
 
Dieser Beitrag weitet die Betrachtung des Schadensersatzes auf den Zeitraum nach Vollzug der M&A Transaktion aus. Unser Beitrag vom Juni 2020 beleuchtete bereits die Thematik Schadensersatz bei Verstoß gegen vorvertragliche Aufklärungspflichten.
 

Garantien führen zu einem „positiven Interesse" des Käufers

Mit kaufvertraglichen Garantien sichern sich die Parteien einen bestimmten Zustand in der M&A Transaktion zu; der Käufer hat also einen Erfüllungsanspruch. Weicht post M&A der tat­sächliche Zustand jedoch von dem zugesicherten ab, entsteht ein Schaden infolge der Nicht­erfüllung. Bei einem derartigen sog. „positiven Interesse” ist der Gläubiger so zu stellen, wie wenn der Schuldner den garantierten Zustand ordnungs­gemäß erfüllt hätte.
 
Bei derartigen Erfüllungsansprüchen gilt grundsätzlich der Vorrang der Natural – also bspw. die Reparatur eines defekten Gebäudes oder die Beschaffung einer garantiewidrig nicht vorhandenen Maschine. Die Naturalherstellung  ist bei M&A-Transaktionen jedoch nur in den Fällen abschließend möglich, soweit der Defekt oder das Fehlen keine weiteren Auswirkungen auf die Unternehmensüberschüsse hatten.
 

Wertentschädigung bei garantiewidrig geminderten Überschüssen

Haben Garantieverletzungen hingegen auch Aus­wirkungen auf die Leistungserstellung des Unter­nehmens und mindern dessen Überschüsse, ist ein Ausgleich durch Naturalherstellung nicht voll­ständig möglich. Dies kann beispielsweise aus einem Fehlen zugesicherter Fertigkeiten oder defi­nierter Kunden des Transaktionsobjekts, oder aus nicht vorhandenen zugesicherten Patenten resul­tieren. In solchen Fällen erfolgt der Schadens­ersatz nachrangig durch finanzielle Wertent­schädigung. Diese soll den Geschädigten so stellen, als hätte der Zustand der kaufvertra­glichen Garantieaussage entsprochen. Eine Unter­nehmensbewertung ist insbesondere bei nicht eindeutig abgrenzbaren Schadensfolgen sowie bei zusätzlicher Geltendmachung entgangener Ge­winne das adäquate Instrument zur Ermittlung des Schadenersatzes.
 

Ermittlung der Wertentschädigung durch Unternehmensbewertung

Die relevante Wertentschädigung soll den Unter­nehmensminderwert infolge der Garantieverlet­zung ausgleichen. Deren Berechnung erfordert regelmäßig die Gegenüberstellung zweier Unter­nehmensbewertungen, die das eine Mal auf einer Planungsbasis, welche die tatsächliche Situation unter Berücksichtigung der Garantieverletzung wiederspiegelt, und das andere Mal auf das hypothetische Planungsszenario bei Richtigkeit der Garantieaussage abstellen. Die Wertdifferenz soll auf Basis detaillierter integrierter Unterneh­mensplanungen im Sinne des Bewertungs­standards IDW S1 des Instituts der Wirtschafts­prüfer in Deutschland und einer Abzinsung auf den relevanten Bewertungsstichtag mittels der Kapitalwertmethode erfolgen. Dabei ist auf eine transparente Planung und ein transparentes Vorgehen bei der Bewertung zu achten.
 
Vereinfachende Bewertungsverfahren – etwa mit Hilfe von Multiplikatoren - stellen dagegen auf eine als nachhaltig angenommene „ewige Rente” ab, können wegen der Eindimen­sionalität des Berechnungsgangs häufig viel­schichtige schadensrechtliche Problemstellungen nicht abbilden und sind als Verfahren bei Rechts­streitigkeiten daher nicht geeignet.
 
Der zu ersetzende Schaden – das „positive Interesse” – ist die Differenz der Werte­ergebnisse beider fundamentalen Bewertungen.

Der Zweck des „positiven Interesses” gibt für die Unternehmensbewertung zwei wesentliche Parameter, nämlich den Informations­stichtag und den Bewertungsstichtag, vor:
 

  • Das „positive Interesse" zielt darauf ab, den Berechtigten so zu stellen, wie er bei Richtigkeit der Garantieaussage stünde. Der Erkenntnis-zeitraum, welcher zur Schadensermittlung bei Garantieverletzung herangezogen wird, deckt sich mit dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Informationsstichtag). Insofern wird bei der Schadensermittlung sowohl auf Istdaten als auch auf Planungen zum Zeitpunkt des Informationsstichtags abgestellt.
  • Vom Informationsstichtag ist der Bewertungs-stichtag abzugrenzen. Der Bewertungsstichtag ist mit dem Tag des wirtschaftlichen Übergangs derjenige Tag, auf den zukünftige Überschüsse, die post M&A anfallen, rein technisch abgezinst werden. In einem zweiten Schritt ist der Barwert der Unternehmensüberschüsse für das hypo­thetische und das reale Szenario dann auf den Tag der letzten mündlichen Verhandlung mittels eines geeigneten Anlagerenditesatzes aufzu­zinsen. Insofern erfolgt die Anpassung der Wertstellung zweigeteilt: einerseits für den Zeitraum zwischen dem Tag des wirtschaftlichen Übergangs und dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung sowie andererseits für den je nach Garantieschaden endlichen oder unendlichen Zeitraum nach dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung.

 

Käufersicht für Wertentschädigung entscheidend

Das „positive Interesse” geht von der Käufersicht aus; folglich hängt der Schadensersatz von den Auswirkungen der Garantieverletzung auf die Unternehmensüberschüsse aus Sicht des Käufers ab. Insofern ist der subjektive Unternehmenswert aus Sicht des Erwerbers maßgeblich.

Dem Grundsatz „pacta sunt servanda” folgend hat dies zur Konsequenz, dass sich der Käufer bei seinem Planungsszenario auf die Richtigkeit der Garantieaussagen verlassen und die seiner Erwerbsentscheidung zugrunde liegen­de Unternehmensplanung aus seiner Perspektive weiterführen darf. Der Käufer mag die Transaktion in der Erwartung seines eigenen Fortführungs­konzepts und von ihm realisierbarer Synergien eingegangen sein mit der Absicht, das Unternehmen nach Übergang in grundlegend veränderter Situationen weiter zu führen. Auch sind die Kapitalisierungszinsen grundsätzlich subjektiv abzuleiten. Mit dieser Sicht kann der subjektive Unternehmenswert aus Käufersicht wesentlich von der Verkäufersicht vor Abschluss der Transaktion abweichen und letztere ggfs. übersteigen.

 

Fazit

Garantien in Unternehmenskaufverträgen sollen wichtige Aspekte einer Transaktion abschließend klären und den geschuldeten Zustand definieren. Bei Garantieverletzung steht dem Geschädigten Schadensersatz zu, hilfsweise durch finanzielle Wertentschädigung. Deren Ermittlung erfolgt häufig mit Hilfe einer Unternehmens-bewertung aus Käufersicht. Wegen der Tragweite der Garantieaussagen sollten Verkäufer bemüht sein, die Wirkung der Garantien zeitlich, inhaltlich und bei den Rechtsfolgen zu begrenzen.

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