M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Thin Capitalization” in Deutschland und Russland

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In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

 

Der Kapitalbedarf einer Gesellschaft kann grundsätzlich durch Eigenkapital oder durch Fremdkapital gedeckt werden. Dabei kann das Fremdkapital entweder durch Dritte oder durch den Gesellschafter gewährt werden (sog. Gesellschafter-Fremdfinanzierung).


Eine hohe Gesellschafter-Fremdfinanzierung hat häufig steuerliche Auswirkungen: Im Regelfall sind die Zinsen beim Darlehensnehmer als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig, unterliegen jedoch beim Darlehensgeber als Zinseinnahmen der Besteuerung. Doppelbesteuerungsabkommen sehen in der Regel vor, dass im Quellenstaat keine Steuer auf Zinsen erhoben wird, während der Staat des Darlehensgebers berechtigt ist, die Zinsen zu besteuern. Wenn demgegenüber das benötigte Kapital als Eigenkapital bereitgestellt wird, kann die Gesellschaft Gewinne nur als Dividenden ausschütten. Dividenden sind jedoch steuerliche Zinsen gegenüber häufig nachteiliger, da sie „nach Steuern” ausgeschüttet werden, d.h. nicht die ertragssteuerliche Bemessungsgrundlage mindern. Darüber hinaus fallen bei Dividendenausschüttungen häufig Quellensteuern an. Wenn Darlehensgeber und Darlehensnehmer in unterschiedlichen Ländern ansässig sind, kann mittels einer hohen Gesellschafter-Fremdfinanzierung ferner das Steuergefälle zwischen diesen Ländern genutzt werden.


Um solche Steuergestaltungen zu verhindern, kennt das internationale Steuerrecht „Thin Capitalization”-Regeln. Sie führen je nach Ausgestaltung dazu, dass die Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen unter bestimmten Umständen untersagt oder eingeschränkt wird oder dass Zinsen als Dividenden umqualifiziert und entsprechend steuerrechtlich behandelt werden.


Die steuerrechtlichen Thin Capitalization-Regeln zielen zwar auch darauf ab, eine Unterkapitalisierung durch einen zu hohen Fremdkapitalanteil zu verhindern. Sie sind jedoch streng von gesellschaftsrechtlichen Regelungen zur Unterkapitalisierung im Sinne einer unzureichenden Kapitalausstattung zu unterscheiden. Letztere tritt zum Beispiel ein, wenn das Eigenkapital durch Verluste aufgezehrt wird und unter den Betrag des registrierten Stammkapitals sinkt. In Russland sind in solchen Fällen Kapitalmaßnahmen zu treffen. Unter Umständen droht auch eine Liquidierung der Gesellschaft.


Die russischen Thin Capitaliziation-Regeln sind in ihrer Struktur mit den Regeln zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung vor Einführung der Zinsschrankenregelung in Deutschland vergleichbar. Während in Deutschland bis 2007 ein zulässiges Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital von 1,5 zu 1 galt, akzeptiert das russische Steuerrecht grundsätzlich ein Verhältnis von 3:1. In bestimmten Fällen, z.B. bei Leasinggesellschaften, ist sogar ein Verhältnis von 12,5:1 zulässig. Soweit jedoch dieses Verhältnis überschritten wird, erfolgt eine Umqualifizierung der Darlehenszinsen in Dividenden. Eine entsprechende Prüfung ist quartalsweise mit den Buchhaltungsdaten am letzten Tag des jeweiligen Kalenderquartals durchzuführen. Bei einer Umqualifizierung ist der überschießende Teil der Zinsen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig und führt bei Auszahlung dieser Zinsen zur Pflicht, die Quellensteuer auf Dividenden in Höhe von grundsätzlich 15 Prozent einzubehalten. Sofern die entsprechenden Voraussetzungen gemäß dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) erfüllt sind, kann jedoch auch das DBA-Schachtelprivileg auf solche umqualifizierten Zinsen angewendet werden, so dass – je nach DBA – z.B. nur noch 5 Prozent Quellensteuern anfallen. Während betragsmäßig die steuerlichen Auswirkungen der Umqualifizierung von Zinsen in Dividenden bei kleineren Betriebsmittelkrediten in Höhe von wenigen hunderttausend Euro eher gering sind, sollten bei größeren Darlehen die russischen Thin Capitalization-Regeln beachtet werden, da die steuerlichen Effekte durchaus wesentlich sein können.


Häufig wurde bis vor einigen Jahren zur Vermeidung der russischen Thin Capitalization-Regeln eine Finanzierung über eine Schwestergesellschaft durchgeführt. Inzwischen ist diese „Lücke” jedoch geschlossen worden. Ebenso umfassen die russischen Thin Capitalization-Regeln auch Fremdfinanzierungen über Banken, wenn ein verbundenes Unternehmen für das Bankdarlehen bürgt.


Neben den Thin Capitalization-Regeln sollten jedoch auch andere Aspekte bei einer Darlehensfinanzierung beachtet werden. So muss die vereinbarte Zinshöhe drittüblich sein, wobei das russische Steuerrecht z.B. für Euro-Darlehen relativ großzügige Safe-Harbour-Regelung kennt (EURIBOR + 7 Prozent).


Weiterhin ist zu beachten, dass in letzter Zeit russische Steuerbehörden Darlehen teilweise auch in Investitionen (Eigenkapital) umqualifizieren, so dass Zinsen nicht abzugsfähig sind. Ein solches Risiko besteht insbesondere, wenn aufgrund der Umstände nicht absehbar ist, ob die russische Gesellschaft in der Lage ist, das gewährte Darlehen zu tilgen.


Fazit

Während bei kleineren Darlehen die steuerlichen Auswirkugen von Thin Capitalization-Regeln häufig eher gering sind, sollten sie bei größeren Darlehen beachtet werden. Darüber hinaus gibt es auch weitere steuerliche Aspekte, die bei der Finanzierung von Tochtergesellschaften zu beachten sind, z.B. Anforderungen an die Zinshöhe und Risiken eine Umqualifizierung von Darlehen in Eigenkapital.

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Helge Masannek

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