M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Knowledge Scrape vs. Materiality Scrape”

PrintMailRate-it

​​​​​​​veröffentlicht am 16. Juli 2025 | Lesedauer ca. 2 Minuten​

​​

In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktions­geschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.


​Im Rahmen von M&A-Transaktionen ist die Absicherung potenzieller Haftungsrisiken von zentraler Bedeutung. Die Warranty & Indemnity (W&I) Versicherung hat sich dabei als effektives Instrument etabliert und ist aus dem heutigen M&A-Markt nicht mehr wegzudenken. Insbesondere sogenannte synthetische W&I Versicherungen sind im deutschen Markt mittlerweile Standard. Soll heißen – W&I Versicherer versichern Risiken in bestimmtem Umfang losgelöst vom Wortlaut des zugrunde gelegten Unternehmenskaufvertrages. Ein besonders relevanter Begriff in diesem Kontext ist der sogenannte „Knowledge Scrape“. Gemeint ist damit eine Regelung, durch die subjektive Wissensvorbehalte, die für bestimmte Verkäufergarantien im Unternehmenskaufvertrag geregelt werden, für Zwecke der W&I Versicherung keine Rolle spielen. Klassischerweise werden diverse Garantien im Unternehmenskaufvertrag “nach bestem Wissen“ des Verkäufers abgegeben. Durch einen Knowledge Scrape wird diese Wissenskomponente gestrichen. Im Ergebnis haftet der Verkäufer – oder im Fall der W&I-Versicherung der Versicherer – für die Unrichtigkeit einer Garantie, unabhängig davon, ob der Verkäufer Kenntnis von der betreffenden Sachlage bzw. Garantieverletzung hatte. Der Knowledge Scrape verwandelt also subjektive, wissensbasierte Garantien in objektive Garantien.

Diese Umstellung hat erhebliche Auswirkungen auf die Risikoverteilung im Transaktionsgefüge. Während subjektive Garantien in der Praxis oft leerlaufen – weil sie an das tatsächliche Wissen oder die fahrlässige Unkenntnis einer oder mehrerer definierter Personen anknüpfen – führt ein objektiver Garantieanspruch mit Knowledge Scrape dazu, dass der Käufer im Versicherungsfall tatsächlich Deckung aus der W&I-Police beanspruchen kann. Damit erhöht sich zugleich das Risiko für den Versicherer. Dieser reagiert darauf mit höheren Anforderungen an die Due Diligence, potenziell höheren Prämien und gegebenenfalls Ausschlüssen für besonders risikobehaftete Garantieinhalte. Aus Käufersicht ist der Knowledge Scrape vorteilhaft, weil er das Entdeckungsrisiko für unbekannte oder nicht offengelegte Mängel auf den Versicherer verlagert. Da Wissensvorbehalte in Kaufvertragsverhandlungen oft sehr umstritten sind, kann ein Knowledge Scrape den Prozess beschleunigen, indem er sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer zusätzliche Sicherheit schafft.

Neben Knowledge Scrapes gibt es auch sogenannte „Materiality Scrapes“. Ein Materiality Scrape streicht Wesentlichkeitsvorbehalte aus Garantien. Der Verkäufer versucht üblicherweise, eine Haftung für „unwesentliche“ Verstöße zu vermeiden, indem er im Unternehmenskaufvertrag den Umfang einzelner Garantien (z. B. die Einhaltung aller „wesentlichen“ gesetzlichen Bestimmungen) oder den Umfang der entsprechenden Offenlegung (z. B. die Offenlegung aller „wesentlichen“ Verträge) einschränkt. Insbesondere ohne genaue Definitionen können solche Qualifikatoren im Nachgang der Transaktion zu Streitigkeiten darüber führen, was „wesentlich” ist und was nicht. Außerdem wird in Unternehmenskaufverträgen klassischerweise das Kriterium der Wesentlichkeit herangezogen, um die Verluste aus einer Garantieverletzung zu bestimmen, z. B. durch Ausschluss von Bagatellschäden. Solche Wesentlichkeitsqualifikatoren können die Position des Käufers schwächen, indem sie entweder eine Garantieverletzung generell ausschließen oder deren Durchsetzung aufgrund von Schwellenwerten verhindern. Das von W&I-Versicherern angebotene Materiality Scraping kann sowohl die Wesentlichkeitsqualifikatoren in einzelnen Garantien als auch im Unternehmenskaufvertrag vereinbarte Schwellenwerte beseitigen.

Aus anwaltlicher Sicht ist in Bezug auf beide Arten von Scrapes die frühzeitige Abstimmung mit dem W&I-Versicherer von zentraler Bedeutung. Versicherer akzeptieren umfassende Knowledge Scrapes oder Materiality Scrapes meist nur dann, wenn auf Käuferseite eine umfassende Due Diligence stattgefunden hat und auf Verkäuferseite ein Vendor Due Diligence Bericht oder ein Fact Book vorliegt. Zudem sollte die Konsistenz zwischen den Garantien im Unternehmenskaufvertrag und den Versicherungsbedingungen sorgfältig geprüft werden, um Deckungslücken zu vermeiden.

Kontakt

Contact Person Picture

Thomas Fräbel

Rechtsanwalt

Partner

+49 89 9287 803 14

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Christina Gigler, LL.M.

Rechtsanwältin

Manager

+49 89 9287 80 438

Anfrage senden

Profil

Experten erklären

 

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu