Die Zukunft der Streitbeilegung in M&A: Die Einführung des Justizstandort-Stärkungsgesetzes

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 20. November 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten



Mit dem Ziel den deutschen Justizstandort attraktiver zu machen und auch in der deutschen Gerichtsbarkeit angemessene Verfahrensmöglichkeiten für großvolumige Wirtschaftsstreitigkeiten zu bieten, hat der Gesetzgeber mit dem am 1. April 2025 in Kraft getretenen Justizstandort-Stärkungsgesetz die Commercial Courts eingeführt. Denn aufgrund mangelnder Verfahrensmöglichkeiten wurden große Wirtschaftsstreitigkeiten oftmals in anderen Rechtsordnungen oder innerhalb privater Schiedsgerichtsbarkeit verhandelt und entschieden. Mit dem Justizstandort-Stärkungsgesetz verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Justizstandort Deutschland zu stärken, indem in Wirtschaftszivilsachen die Gerichtssprache Englisch eingeführt und die Einrichtung sogenannter Commercial Courts ermöglicht wird.

Im Weiteren wird dargestellt, auf welche Weise Commercial Courts eingerichtet werden können, wie ihre Zusammensetzung aussieht, welche Vorteile sie insbesondere im Bereich M&A bieten und inwieweit sie eine echte Alternative zu Schiedsgerichten darstellen.

Commercial Courts

Mit Einführung des § 119b Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) hat jedes Bundesland die Befugnis durch Rechtsverordnung einen oder mehrere Senate als sogenannten Commercial Court bei einem Oberlandesgericht oder einem Obersten Landesgericht einzurichten. Bestehend aus einem oder mehreren Senaten sind Commercial Courts entweder mit drei (Oberlandesgericht) oder fünf (Oberstes Landesgericht) Mitgliedern, d. h. Berufsrichtern besetzt, welche laut dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erwartungsgemäß besonders erfahren sind. Die Commercial Courts sollen eine effiziente und sachkundige Bearbeitung komplexer Wirtschaftsstreitigkeiten gewährleisten.

Zuständigkeit der Commercial Courts

Nach § 119b GVG sind die die Commercial Courts im ersten Rechtszug zuständig für Streitigkeiten mit einem Streitwert ab 500.000 EUR und den in § 119b Abs. 1 GVG genannten Fällen, die als eine Art Leitlinie für die sachliche Zuständigkeit betrachtet werden können, denn diese Sachgebiete können im Detail von den Bundesländern festgelegt, d. h. beschränkt oder auf weitere Sachgebiete erstreckt werden. 

Wichtig ist vor allem im Rahmen der Zuständigkeit, dass die Commercial Courts, wenn die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, nach § 119b Abs. 2 GVG nur durch ausdrückliche oder stille Vereinbarung der Parteien zuständig werden, was also im Grunde genommen eine Art besondere Gerichtsstandsvereinbarung darstellt.

Bedeutung für die M&A-Praxis

Besonders für den Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) könnten die Commercial Courts zukünftig interessant sein, da sie gem. § 119b Abs. 1 GVG für Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmen oder Unternehmensanteilen sowie Streitigkeiten zwischen Gesellschaft und Mitgliedern des Leitungsorgans oder Aufsichtsrats zuständig sind.

Doch welche Vorteile bzw. Möglichkeiten bieten die Commercial Courts im Vergleich zu den normalen Gerichten und inwieweit stellen sie eine Alternative zu den sehr etablierten Schiedsgerichten dar?

Vorteile im Hinblick auf die ordentliche Gerichtsbarkeit 

Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Commercial Courts ermöglicht es erstmals, große Wirtschaftssachen erstinstanzlich beim Oberlandesgericht bzw. Obersten Landesgericht anhängig zu machen, was eine Verkürzung des Instanzenzuges bedeutet und damit einhergehend faktisch eine Beschleunigung des Verfahrens sowie Kostenentlastung mit sich bringt. Darüber hinaus ist das Rechtsmittel gegen eine Entscheidung eines Commercial Courts die Revision zum BGH.

Besonders hervorzuheben ist die erstmalige Möglichkeit gem. § 184 a Abs. 1 GVG (Befugnis der Bundesländer entsprechende Rechtsverordnungen zu erlassen) im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit Verfahren vollständig in englischer Sprache zu führen, was besonders in der M&A Praxis hinsichtlich internationaler Unternehmenstransaktionen von Bedeutung ist. Hierbei sind allerdings die besonderen gesetzlichen Vorgaben, insbesondere betreffend die Klageschrift, Schriftsätze der Parteien und Streitverkündung zu beachten.

Darüber hinaus wird durch die Einführung des § 273a ZPO ein Mittel zur Geheimhaltung von insbesondere Geschäftsgeheimnissen geboten, denn auf Antrag einer Partei kann das Gericht streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, was beispielsweise dazu führt, dass eine Akteneinsicht für Dritte eingeschränkt wird oder bei einem Verstoß gegen die Geheimhaltung Ordnungsgelder drohen.

Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit 

Im Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit lassen sich jedenfalls folgende Vor- und Nachteile herausstellen:

Mit Einführung des § 613 ZPO ist bei Verhandlungen vor Commercial Courts nun eine Wortprotokollierung möglich, allerdings nur nach übereinstimmendem Antrag aller Parteien, während bei sowohl nationalen als auch internationalen Schiedsgerichten eine wörtliche Protokollierung auch dann erfolgen kann, wenn nur eine Partei dies verlangt.

Im Schiedsverfahren ist die Einflussnahme auf die Zuständigkeit eines bestimmten Senats sowie die Wahl besonders qualifizierte Richter möglich. Allerdings ist bei den Commercial Courts der Einsatz und die Verhandlung vor besonders erfahreneren, ​fachlich spezialisierten Richterinnen und Richtern gewährleistet.

In internationalen Vertragskonstellationen muss sich im Gegensatz zur Schiedsgerichtsbarkeit zwar eine Partei der staatlichen Gerichtsbarkeit der anderen Partei „aussetzen“, was für diese unvorteilhaft wirken kann. Allerdings ist hierbei auch im Hinblick auf Verfahren vor den Commercial Courts die nun gegebene Möglichkeit der Verfahrensführung in englischer Sprache zu berücksichtigen und würdigen.

Fazit

Gerade im Transaktionsbereich bleiben die Vorzüge der Schiedsgerichtsbarkeit bestehen, insbesondere durch anpassungsfähige Verfahrensbestimmungen. Trotzdem markiert die Einführung des Justizstandort-Stärkungsgesetzes und der Commercial Courts einen bedeutenden Schritt Deutschlands hin zu einer modernen, international orientierten Zivilgerichtsbarkeit für große Wirtschaftsstreitigkeiten. Daher bleibt abzuwarten, in welchem Maße die neu etablierten Commercial Courts in naher Zukunft eine echte Alternative zur Schiedsgerichtsbarkeit darstellen können.​


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