Mitteilungspflichten des Arbeitgebers zum Urlaub bei Langzeiterkrankten

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veröffentlicht am 18. November 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten

  

Die Gerichte sehen sich vermehrt mit Klagen von Langzeiterkrankten konfrontiert, die versuchen, nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung auch für noch offenen Urlaub für die zurückliegenden Jahre zu erhalten. Die Frage nach dem Urlaubsverfall im Falle der Langzeiterkrankung eines Arbeitnehmers ist im Urlaubs­recht ein ständiger „Dauerbrenner“. In den letzten Jahren ergingen zur Auslegung der nationalen Regelung zum Urlaubsverfall einige wichtige Entscheidungen der Rechtsprechung, aus denen sich für den Arbeitgeber wiederum neue, noch ungeklärte Fragen ergeben. Aber welche Fallkonstellationen stehen derzeit eigentlich noch in Frage? Um als Arbeitgeber bei Urlaubsabgeltungsforderungen gut aufgestellt zu sein, lohnt sich ein genauer Blick in die geltende Rechtsprechung. Interessant ist insbesondere eines der jüngsten Vorabentscheidungsersuchen des Bundes­arbeits­gerichts (BAG) an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) aus diesem Jahr. Daraus ergeben sich bereits Antworten auf wichtige Fragen zum Verfall.

  

  

 

Grundsatz: Verfall des Urlaubs nach dem Gesetz

Nach dem Wortlaut des Gesetzes erlischt der Urlaubsanspruch grundsätzlich mit Ablauf des 31.12. des Urlaubsjahres bzw. ausnahmsweise - bei Vorliegen besonderer Übertragungsvoraussetzungen - mit Ablauf des 31.03. des Folgejahres. Weitere Anforderungen an den Verfall sind dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 des Bundes­urlaubsgesetzes (BUrlG) nicht zu entnehmen, ergeben sich aber aus dem Erfordernis der unionsrechts­konformen Auslegung der Vorschrift. Dies macht das Thema umso umfangreicher und komplexer. Die vom nationalen Gesetzgeber aufgestellte Befristungsregelung gilt nur eingeschränkt bzw. unter Beachtung weiterer Voraussetzungen.
 

Urlaubsverfall bei Langzeiterkrankung erst nach 15 Monaten

Zur Verfallsfrist bei Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer legte das BAG im Jahr 2012 aufgrund zweier vorangegangener Entscheidungen des EuGH die nationale Vorschrift zum Urlaubsverfall dergestalt unionsrechtskonform aus, dass der Urlaubsanspruch nicht erlösche, wenn ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums – mithin zum 31.03. des Folgejahres - wegen Erkrankung arbeitsunfähig ist und deshalb den Urlaub nicht nehmen konnte. Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit sollen Urlaubsansprüche jedoch nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, erlöschen (BAG, Urteil v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10).
 

Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers

Ungeachtet der Fälle langzeiterkrankter Arbeitnehmer erging am 6. November 2018 die sog. Shimizu-Entscheidung des EuGH (C-684/16). Danach treffen den Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung gewisse Mitwirkungs­obliegenheiten, deren Erfüllung Voraussetzung für einen Verfall des Urlaubs sind. Das BAG folgte dem EuGH mit Urteil vom 19. Februar 2019 (9 AZR 423/16). Um einen Verfall von Urlaubsansprüchen überhaupt herbeiführen zu können, stehen Arbeitgeber in der Pflicht, Arbeitnehmer ausdrücklich dazu aufzufordern ihren Urlaub zu nehmen und diese konkret über ihre individuell noch bestehenden Urlaubsansprüche und die Folge des Verfalls im Falle der Nichtinanspruchnahme zu informieren. Erfüllt ein Arbeitgeber diese Mitwirkungs­obliegenheit nicht, werden die Resturlaubsansprüche in das folgende Kalenderjahr übertragen und dem Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzugerechnet.
 

Langzeiterkrankung und Mitwirkungsobliegenheit?

Es stand nun über längere Zeit in Frage, ob diese Mitwirkungsobliegenheit auch für den Urlaubsverfall bei Langzeiterkrankung gelten soll. Folge wäre, dass ein Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten ab Ende des jeweiligen Urlaubsjahres auch bei einem langzeiterkrankten Arbeitnehmer nur in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit trotz langdauernder Krankheit nachgekommen ist. Darauf beriefen sich in letzter vermehrt langzeiterkrankte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis endete, und klagten daher Urlaubsabgeltung für die zurückliegenden Kalenderjahre der Krankheit, in denen das Arbeitsverhältnis noch bestand, ein. Denn die meisten Arbeitgeber haben diese Mitwirkungspflichten weder gegenüber gesunden noch gegenüber für lange Zeit erkrankten Arbeitnehmern beachtet.
 

Arbeitgeber können nun aber erheblich aufatmen. Denn im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens des BAG an den EuGH vom 7. Juli 2020 (9 AZR 401/19) bringt das BAG Licht ins Dunkel, zumindest soweit es für Jahre der durchgehenden Erkrankung eine Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers verneint.
 

Daneben betrifft der wesentliche Inhalt des Vorabentscheidungsersuchens allerdings die noch offene Frage, ob ein Verfall von Urlaubsansprüchen ohne Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit nach Ablauf von 15 Monaten ab Ende des jeweiligen Urlaubsjahres auch für das Kalenderjahr eintritt, in dem der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankte und seinen Urlaub vor Beginn seiner Erkrankung im Urlaubsjahr – zumindest teilweise – noch hätte nehmen können.
 

Für Urlaubsjahre, in denen der Arbeitnehmer dagegen durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweispflichten erfüllt hat – überhaupt keinen Urlaub nehmen konnte, nimmt das BAG besondere Umstände an, die den Verfall eines Urlaubs­anspruchs rechtfertigen. Diese Fallkonstellation konnte das BAG beantworten, ohne dass es nach dessen Ansicht insoweit einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf.
 

Entsprechendes entschied das BAG auch für den Fall einer bestehenden vollen Erwerbsminderung des Arbeitnehmers (9 AZR 245/19). Auch hier betrifft die Vorlagefrage die Frage, ob die für den Verfall nötige Mitteilungspflichten in dem Jahr bestehen, in dem die Erwerbsminderung im Verlauf des Urlaubsjahres eintrat und der Urlaub vor dem Beginn der Erwerbsminderung zumindest teilweise noch hätte genommen werden können.
 

Fazit

Für Fälle langzeiterkrankter Arbeitnehmer hat das BAG klar Stellung bezogen und eine Mitwirkungs­obliegenheit verneint, soweit Arbeitnehmer von Beginn des Urlaubsjahres an bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt sind. Für das Kalenderjahr, in dem die Erkrankung eingetreten ist, bleibt die Entscheidung des EuGH abzuwarten. Bis dahin liegt es an Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine einvernehmliche Lösung für diesen Zeitraum zu finden.
 

Arbeitgeber sind unbedingt gehalten, ihre Mitwirkungsobliegenheit zum Urlaubsanspruch zu erfüllen, momentan sicherheitshalber jedenfalls auch in den Kalenderjahren, in denen die Langzeiterkrankung begonnen hat.

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