Stolperfalle gewerkschaftliche Informations- und Anhörungspflichten bei multinationalen Transaktionen

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veröffentlicht am 27. Januar 2020​ | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Während der Planung oder Durch­führung von Maßnahmen bzw. Trans­aktionen durch Unternehmen, die Auswirkungen auf deren Arbeit­­nehmer haben könnten, ist es – um eventuell hohe Sanktionen zu ver­meiden – unerlässlich, nicht nur die durch die nationale Gesetzgebung vorgesehenen Informations- und Anhörungs­­pflichten zu be­achten, sondern auch solche, die sich aus der EU-Gesetzgebung, der Vereinbarung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrats (EBR) oder sonstigen Alternativ­verfahren bzw. betrieb­lichen Übungen ergeben.

 

In der Europäischen Union sehen eine Vielzahl von nationalen Gesetz­gebungen spezifische Verpflichtungen der Arbeitgeber in Bezug auf Information und Anhörung der Gewerk­­schaften vor, welche im Vorfeld der Umsetzung von Unternehmens­entscheidungen oder der Durchführung von Unternehmens­­transaktionen, die sich auf die Beschäftigungs­verhältnisse auswirken könnten, einge­halten werden müssen. Für Unter­­nehmen, die zu multi­nationalen Konzernen innerhalb der EU gehören, sind jedoch oftmals noch zusätzliche Ver­pflichtungen vor­geschrieben, die oftmals nicht voll­ständig beachtet werden.

 


Verpflichtungen nach italienischem Recht

Nach italienischem Recht ist bspw. der Arbeitgeber stets vor der Durchführung von Massen­ent­­­­­lassungen verpflichtet, die Gewerkschafts­­­­­vertreter anzuhören. Aber nicht nur das: Tat­sächlich können auch gesell­schaftsrechtliche Transaktionen wie Erwerb, Fusion, Spaltung sowie Übertragung eines Unter­nehmens oder eines Geschäftszweigs die Verpflich­tung beinhalten, dass der Arbeitgeber die Gewerkschaftsvertreter zeit­gerecht über die bevor­stehenden Ereig­nisse sowie über die Gründe für die geplante Trans­aktion zu informieren hat. Sollte das erforder­lich sein, müsste voran­gehend ein ent­sprechendes Anhörungs­­­verfahren eingeleitet werden, um die Auswirkungen der zu ergrei­fenden Operation auf die be­stehenden Arbeits­ver­hältnisse zu erörtern.


Im Falle der nicht vorgenommenen Einleitung der oben genannten Verfahren ist der Arbeit­geber einem doppel­ten Risiko ausge­setzt: Auf der einen Seite könnte ein gewerkschafts­­­feindliches Verhalten gemäß Artikel 28 des Arbeiterstatuts (Gesetz Nr. 300/1970) beanstandet werden; auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass das Verfahren als fehler­haft an­gesehen werden könnte, was eventuell wiederum schwer­­wiegende Auswirkungen auf die durchge­führte Transaktion mit sich bringen würde.


Verpflichtungen nach Unionsrecht

Um derartige Risiken zu vermeiden, haben Arbeitgeber, die auf multinationaler Ebene tätig sind, auch die auf europarecht­­­licher Ebene vorgesehen zusätz­­lichen Informations- und Anhörungs­­­­pflichten zu berücksichtigen.

 
Die EU-Richt­linie 2009/38/EG hat in diesem Zusammenhang die Ver­pflichtung für Unternehmen, welche be­stimmte Voraus­­setzungen vorweisen (EU-weite Konzerne mit mind. 1.000 Arbeit­nehmern innerhalb der EU, welche in mindestens zwei verschiedenen Mitglied­staaten tätig sind, mit mind. 150 Arbeitnehmern in jedem Mitgliedstaat), einge­führt, einen Europäischen Betriebsrat (EBR) zu errichten, dem bestimmte Kompetenzen und Rechte betreffend Information und/oder Anhörung in Bezug auf trans­nationale Angelegenheiten zuge­wiesen sind. Diese Rechte und Kompetenzen haben jeweils konkret in der Verein­­­barung zur Gründung des EBRs festgelegt zu werden und sind daher immer spezifisch auf den Einzel­fall bezogen.

 
Alternativ oder zusätzlich zur Errichtung des EBRs ist es auch möglich, alternative Anhörungs- und Infor­mations­­­­verfahren oder -mechanismen auf Konzern­ebene zu schaffen, die in geeigneten Verein­­barungen dargestellt und geregelt zu werden haben. Die Erfahrung zeigt, dass die oben erwähnten Informations- und Anhörungs­pflichten auch aus betrieblichen Übungen herrühren können.

 

Praxishinweise und Fazit

Da die europäische Gesetzgebung in Bezug auf den EBR und die alternativen Anhörungs­­­verfahren als Richt­linie erlassen wurde und es daher not­wendig war, dass die Mitglied­­­staaten diese jeweils mit ihren eigenen gesetzlichen Regelungen auf nationaler Ebene umsetzten, ist es unerlässlich, dass Unternehmen, in allen Mitgliedstaaten in denen sie tätig sind, immer darauf achten, genau zu überprüfen, welche Regelungen konkret für die von ihnen beabsichtigten Maßnahmen bzw. Transaktionen gelten. In Italien bspw. sind die Verfahren für die Errichtung des EBRs im Gesetzesdekret Nr. 113/2012 geregelt, das auch konkret die Befugnisse definiert, die dem EBR zwingender­weise übertragen werden müssen. So muss der EBR u.a. bei Standort­­verlagerungen, Schließungen von Gesellschaften oder Produktions­­stätten sowie Massenentlassungen stets involviert werden.

 
Gerade da die Befugnisse des EBRs sowie die ent­sprechenden Zusatz- oder Alternativ­verfahren in regelmäßig zu erneuernden Betriebs­­vereinbarungen festgelegt sind, ist es in der Praxis besonders wichtig, die Maßnahmen bzw. Transaktionen, auch wenn sie nur von lokalem Interesse sind, immer vorab auf Konzern- bzw. Gruppen­ebene zu koordinieren, um zu überprüfen, welche Verfahren von ihr umgesetzt bzw. angewandt werden, um somit die konkreten Informationspflichten, an die der Konzern gebunden ist, vollständig einzuhalten.

 
Mit dieser Vorgehens­weise soll die Rechtmäßigkeit der Operationen bzw. Transaktionen gewähr­leistet und die in der jeweiligen Rechts­­­ordnung unter Umständen vorge­sehenen Sanktionen vermieden werden. So sieht die italienische Gesetz­gebung bspw. im Falle der Unterlassung der Information und Anhörung der Gewerk­schaftsvertreter – zusätzlich zu dem in Artikel 28 des Arbeiter­­­statuts vorgesehenen Verfahren zur Beseitigung des gewerkschafts­feindlichen Verhaltens – die Verhängung einer Sanktion in der Höhe zwischen 5.165,00 Euro und 30.988,00 Euro vor.

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