Digitalisierung und Bürokratieabbau im europäischen Gesellschaftsrecht

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​​veröffentlicht am 16. Januar 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Auf europäischer Rechtssetzungsebene wird mit dem aktuellen Richtlinienentwurf „zur Änderung der Richtlinien 2009/102/EG und (EU) 2017/1132 zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht”, COM 2023, 177, ein Bürokratieabbau für grenzüberschreitende Sachverhalte angestrebt. Der Vorschlag der europäischen Kommission befindet sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren vor der ersten Lesung im Europaparlament und könnte nach dieser bereits verabschiedet werden. 

Grund genug einen ersten Blick auf die Eckpfeiler des Richtlinienvorschlags zu werfen.

Europaweit erreichbare und verlässliche Unternehmensregister 

Die Registereinträge (insbesondere Unternehmensregister) der einzelnen EU-Länder sind bereits zentral über eine gemeinsame Schnittstelle auf der Seite des europäischen Justizportals (E-Justice - https://e-justice.europa.eu/) abrufbar. 

Die dort abrufbaren Informationen – insbesondere Eintragung, Unternehmenssitz, -form und Registernummer - sollen entsprechend erweitert werden. Unter anderem ist beabsichtigt, dass auch Informationen zu Personengesellschaften und Konzernen transparent gemacht werden müssen und über das BRIS (EU Business Registers Interconnection System) abrufbar werden. Zudem soll das europäische Register mit anderen europäischen Registern verknüpft und Informationen in ihm gebündelt dargestellt werden. Hiervon betroffen wären insbesondere Eintragungen aus dem BORIS (EU Beneficial Ownership Registers Interconnection System) und dem IRI (EU Insolvency Registers Interconnection System).

Um Richtigkeit, Zuverlässigkeit und Aktualität der Daten in Unternehmensregistern zu gewährleisten, sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass Überprüfungen von Gesellschaftsinformationen vor ihrer Eintragung in Unternehmensregistern in allen Mitgliedstaaten durchzuführen sind. Dies verlangsamt den Prozess der Eintragung zwar zunächst, steigert jedoch die Verlässlichkeit der Informationen.

Abbau von Formalitäten und Einführung des sog. „once-only principle”

Der Grundsatz der einmaligen Erfassung („once-only principle”) soll verstärkt umgesetzt werden. Gesellschaftsinformationen sollen nach der erstmaligen nationalen Erfassung auch EU-weit Geltung haben, ohne, dass hierfür mit erheblichem Aufwand jeweils national weitere Nachweise eingeholt werden müssen. 

Nach dem neuen Artikel 16d der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Kopien und Auszüge der im EU-Register abrufbaren Schriftstücke und Informationen von jedweder Form der Legalisation – Legitimierung der Originalität von Dokumenten durch eine Beglaubigung – oder ähnlichen Förmlichkeiten ausgenommen sind, sofern bestimmte Mindestanforderungen in Bezug auf den Ursprung des Dokuments erfüllt sind. 

Der Rat der EU geht von Kosteneinsparungen für alle betroffenen Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, von rund EUR 437 Mio. pro Jahr aus. 

Einführung einer digitalen EU-Vollmacht

Artikel 16c der Richtlinie enthält nun eine Standardvorlage für eine digitale EU-Vollmacht, welche in grenzüberschreitenden Stellvertretungs-Fällen verwendet werden kann. Eine solche Vollmacht wird etwa relevant im Falle von behördlichen oder gerichtlichen Verfahren, welche im Namen und mit Wirkung für die vertretene Gesellschaft unterzeichnet und durchgeführt werden.

Im Rahmen der Erstellung einer solchen EU-Vollmacht haben die Mitgliedstaaten in Zukunft als Mindestmaß die Identität sowie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers, sowie dessen Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft (Art. 16c Abs. I) nachzuweisen.

Darüber hinaus soll die digitale EU-Vollmacht im Register der Gesellschaft eingetragen werden, die auch von Dritten bei Nachweis eines berechtigten Interesses eingesehen werden können (z.B. bei geplanter Unternehmenstransaktion).

EU Company Certificate (EUCC) - Das neue EU-Gesellschaftszertifikat

Das EU Company Certificate (EUCC) soll insbesondere bei grenzüberschreitenden Verfahren die Notwendigkeit von Nachweisen über die Existenz der Gesellschaft in der aktuellen Form ersetzen. Es enthält grundlegende Informationen über Unternehmen und wird kostenlos in allen EU-Sprachen und sowohl in elektronischer als auch in Form eines Papierdokuments verfügbar sein. Das Zertifikat würde hinsichtlich der Richtigkeit wesentlicher Informationen über das Unternehmen als Nachweis dienen. Durch die vereinheitlichte Form von Informationen über Gesellschaften könnten – so die Erwartung – Verfahren beschleunigt und Effizienzen gehoben werden. Insbesondere müsste bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht eigens eine beglaubigte Übersetzung erstellt werden.

Fazit

Die neue EU-Richtlinie „zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht” könnte einige Prozesse im Gesellschaftsrecht vereinfachen und beschleunigen. Die Durchsicht von Handelsregistern anderer Mitgliedstaaten würde erleichtert, die verfügbaren Informationen wären umfangreicher und damit für Geschäftspartner ein großer Zugewinn. Zudem würde durch die gesteigerte Verlässlichkeit der Registerangaben ein Nachprüfungserfordernis oft wegfallen und durch das EU-Zertifikat wäre auch der Nachweis einer wirksamen Stellvertretung in grenzüberschreitenden Vertretungskonstellationen erheblich vereinfacht. 

Die Umsetzung der Richtlinie könnte mit einem gewissem Mehraufwand für Unternehmen bei der erstmaligen Registrierung von Unternehmensinformationen einhergehen. Aus unserer Sicht wäre dieser Mehraufwand verschmerzbar und gut investiert. Im Grundsatz halten wir den Richtlinienentwurf für gelungen und zukunftsweisend. Man darf auf den Entschluss des EU-Parlaments gespannt sein.

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