Early Tax Birds 19/2025: BFH zur Kapitalertragsteuerverzinsung bei § 50d EStG

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 19/2025 (12. – 18. Mai 2025)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 19. Mai 2025 | Lesedauer ca. 6 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

die Steuerhinterziehung ist vermutlich so alt wie die Steuer selbst. Und siehe da: Eine etwa 1900 Jahre alte Papyrusrolle hat unser Verständnis der Finanzkriminalität im Römischen Reich auf den Kopf gestellt. Das kürzlich in der Zeitschrift Tyche veröffentlichte Dokument enthüllt ein kompliziertes Steuerhinterziehungssystem mit gefälschten Sklaventransaktionen zwischen Judäa und Arabien, mit dem die römischen Steuerbehörden ausgetrickst werden sollten. Die Papyrusrolle, die in sehr technischem Griechisch verfasst und erst vor kurzem nach jahrzehntelanger Arbeit entziffert wurde, beschreibt die Gerichtsverfahren gegen zwei Männer, Gadalias und Saulos, die einen grenzüberschreitenden Betrug inszenierten, um die römische Steuer von 4 % auf Sklavenverkäufe zu umgehen. Dies ist mehr als eine archäologische Kuriosität - es ist eine deutliche Erinnerung daran, dass sich die Steuerbehörden schon im zweiten Jahrhundert n.Chr. mit Betrug, Vermögensverschleierung und Scheingeschäften auseinandersetzen mussten. Seitdem hat die Finanzverwaltung freilich deutlich aufgerüstet. Ob das allerdings reicht, die 30 Mrd. EUR, die nach der neuesten Steuerschätzung bis 2029 im Säckel des neuen Finanzministers Klingbeil fehlen, auszugleichen, wagen die Early Tax Birds doch zu bezweifeln.

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße

Prof. Dr. Florian Haase​ und das Redaktionsteam​​


  
Neues aus der Finanzverwaltung 

  
Einzelfragen zur Abgeltungsteuer

Das BMF hat am 14. Mai 2025 ein Schreiben zu den Einzelfragen zur Abgeltungsteuer veröffentlicht. Damit wird nach Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder das BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022​ neu gefasst. 

Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
OECD veröffentlicht konsolidierten Kommentar zu den GloBE-Rules

Und weiter geht es mit der globalen Mindestbesteuerung: Konkret sehen die sog. GloBE-Regeln ein koordiniertes Steuersystem vor, das eine Zusatzsteuer auf die in einem Land anfallenden Gewinne erhebt, wenn der auf der Grundlage der einzelnen Länder ermittelte effektive Steuersatz unter dem Mindestsatz von 15% liegt. In Europa ist die Mindestbesteuerung über eine Richtlinie umgesetzt, die Arbeiten auf OECD-Ebene gehen allerdings weiter. Der Kommentar zu den GloBE-Regeln wurde ursprünglich vom Inclusive Framework im März 2022 veröffentlicht. Der Kommentar erläutert die beabsichtigten Ergebnisse der GloBE-Regeln, klärt die Bedeutung bestimmter Begriffe und veranschaulicht die Anwendung der Regeln auf bestimmte Sachverhalte. Der nunmehr überarbeitete, konsolidierte Kommentar enthält die vereinbarten Verwaltungsanweisungen, die von März 2022 bis März 2025 vom Inclusive Framework veröffentlicht wurden. Er bietet Steuerverwaltungen und Steuerpflichtigen eine Anleitung zur Auslegung und Anwendung der GloBE-Regeln, um eine konsistente und gemeinsame Auslegung und Anwendung dieser Regeln zu fördern, die koordinierte Ergebnisse sowohl für die Steuerverwaltungen als auch für multinationale Unternehmen erleichtern wird. 

EU-Kommission startet öffentliche Anhörung zu Gegenmassnahmen gegen US-Zölle

Die Europäische Kommission hat eine öffentliche Konsultation zu einer Liste von US-Einfuhren eingeleitet, die Gegenstand von Gegenmaßnahmen der EU werden könnten, falls die laufenden Verhandlungen zwischen der EU und den USA nicht zu einem für beide Seiten vorteilhaften Ergebnis und zur Aufhebung der US-Zölle führen. Die zur Konsultation gestellte Liste betrifft Einfuhren aus den USA im Wert von 95 Milliarden Euro und umfasst eine breite Palette von Industrie- und Agrarprodukten. Außerdem erwägt die Kommission mögliche Beschränkungen für bestimmte EU-Ausfuhren von Stahlschrott und chemischen Erzeugnissen im Wert von 4,4 Mrd. EUR in die USA. Die Konsultation richtet sich sowohl gegen die US-Universalzölle als auch gegen die Zölle auf Autos und Autoteile. Seit die USA ihre ungerechtfertigten und schädlichen Zölle eingeführt haben, hat die EU der Suche nach einer für beide Seiten vorteilhaften und ausgewogenen Lösung auf dem Verhandlungsweg Vorrang eingeräumt, auch im Rahmen der von den USA angekündigten 90-tägigen teilweisen Aussetzung der Zölle. Diese Verhandlungen laufen sowohl auf politischer als auch auf technischer Ebene. Parallel zu den Verhandlungen und für den Fall, dass diese nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen, bereitet die EU weiterhin mögliche Gegenmaßnahmen zum Schutz ihrer Verbraucher und ihrer Industrie vor. Die öffentliche Konsultation ist zwar ein notwendiger Schritt in diesem Prozess, führt aber nicht automatisch zur Annahme von Gegenmaßnahmen. 

EU-Finanzminister vereinbaren Vereinfachungen bei der Einfuhrumsatzsteuer

Die Finanzminister der EU-Staaten haben sich auf einen neuen Ansatz in Sachen Mehrwertsteuerrichtlinie geeinigt: Konkret geht es um Einfuhren aus dem Onlinehandel und die Besteuerung von Importen im Rahmen von Fernverkäufen. Das geht aus einer Presseinformation der Europäischen Kommission vom 14. Mai 2025 hervor. Demnach soll die Wirksamkeit des Systems einer einzigen Anlaufstelle für Einfuhren (Import One-Stop Shop, IOSS) verbessert werden. Insbesondere sollen die Mehrwertsteuererklärung und -zahlung vereinfacht, der Verwaltungsaufwand für EU-Importeure verringert und die Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs weiter gestärkt werden. Durch eine breitere Anwendung des Systems will die EU die Verarbeitung von kleineren Paketen vereinfachen und sicherstellen, dass die Mehrwertsteuer bei Onlineverkäufen an Verbraucher in der EU einheitlich erhoben wird. Nach den neuen Vorschriften werden mehr Lieferanten, die an Fernverkäufen im Wert von bis zu 150 Euro beteiligt sind, für die Einfuhrumsatzsteuer zur Rechenschaft gezogen. IOSS soll damit zu einer attraktiveren Option für Unternehmen werden. 
 
    
​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Verzinsung von Kapitalertragsteuerbeträgen, die nach § 50d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 43b EStG und Art. 5 MTR zu erstatten sind

Unser Urteil der Woche befasst sich mit der Entscheidung des BFH vom 25. Februar 2025, VIII R 32/21. Darin hatte der BFH zu klären, ob und in welcher Höhe Ansprüche auf Erstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zu verzinsen sind. Im Streitfall hatte eine deutsche AG Ausschüttungen an ihre österreichische Muttergesellschaft vorgenommen. Bei drei Ausschüttungen wurde die Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer vom BZSt rechtswidrig unter Verweis auf § 50d Abs. 3 EStG a.F. verweigert. Bei einer vierten Ausschüttung lag zunächst eine Freistellungsbescheinigung vor, die der AG erlaubte, keine Kapitalertragsteuer einzubehalten. Diese Bescheinigung wurde später rechtswidrig ebenfalls unter Bezugnahme auf § 50d Abs. 3 EStG a.F. widerrufen. Nach den EuGH-Urteilen Deister Holding und Juhler Holding vom 20. Dezember 2017 wurden die Steuerbeträge zwar im Rahmen ruhender Einspruchsverfahren erstattet, die beantragte Verzinsung lehnte das BZSt jedoch ab. Es argumentierte, eine Verzinsung sei nicht vorgesehen, wenn die Erstattung durch Abhilfe im Einspruchsverfahren erfolge. Das FG Köln gab der Klage der Muttergesellschaft mit Urteil vom 17. November 2021​ teilweise statt.


Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des FG teilweise aufgehoben. Die Revision des BZSt wird dagegen als unbegründet zurückgewiesen. Ausländische Muttergesellschaften, denen gemäß Art. 5 der Mutter-Tochter-Richtlinie i.V.m. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. (heute § 50c Abs. 3 Satz 1 EStG) eine Erstattung der auf Gewinnausschüttungen einbehaltenen Kapitalertragsteuer zusteht, haben nach Unionsrecht einen Anspruch auf Verzinsung. Dieser Anspruch entsteht, wenn die Erstattung entweder rechtswidrig verweigert wird oder die Kapitalertragsteuer von Anfang an unionsrechtswidrig einbehalten wurde. In der Vergangenheit hatte das BZSt zahlreichen ausländischen Anteilseignern die Erstattung von Kapitalertragsteuer unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG a.F. verweigert. Der EuGH stellte jedoch mit seinen Urteilen vom 20. Dezember 2017 klar, dass dies gegen EU-Recht verstößt. Das zweigeteilte Verfahren des Kapitalertragsteuereinbehalts mit dem Erfordernis für den Anteilseigner, sich die Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 43b EStG antragsgebunden erstatten zu lassen, ist jedoch mit dem Unionsrecht grundsätzlich vereinbar. Nach der EuGH-Rechtsprechung hat der Steuerpflichtige, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts eine Steuer erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer gezahlt oder einbehalten worden sind. Die Mitgliedstaaten sind daher nach dem Unionsrecht verpflichtet, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, da der Steuerpflichtige Liquiditätseinbußen hatte. Mangels einer unionsrechtlichen Regelung ist der Zinssatz und die Berechnungsmethode für die Zinsen nach dem nationalen Recht festzulegen. In Fällen ohne Freistellungsverfahren beginnt die Verzinsung drei Monate nach Eingang eines formal ordnungsgemäßen Erstattungsantrags und endet mit der Auszahlung. Der BFH hält im Gegensatz zum FG eine kürzere typisierende Bearbeitungszeit von drei Monaten nach Eingang eines formal ordnungsgemäßen Erstattungsantrags beim BZSt für ausreichend und sachgerecht. 


Wurde hingegen eine Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 EStG a.F. unionsrechtswidrig widerrufen und liegt keine missbräuchliche Gestaltung vor, beginnt der Zinslauf mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer und endet ebenfalls mit der Auszahlung des Erstattungsbetrags. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin eine Verzinsung der Erstattungsbeträge grundsätzlich nach den nationalen Vorschriften nach § 233 ff. AO nicht zusteht. Gem. § 233a Abs. 1 Satz 2 AO ist die Nachzahlung und Erstattung von Steuerabzugsbeträgen wie der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags nicht zu verzinsen. Die streitigen Erstattungsbeträge zur Kapitalertragsteuer und zum Solidaritätszuschlag sind nach dem aus dem Unionsrecht abzuleitenden Verzinsungsanspruch zu verzinsen​. Die Zinsen sind gem. § 187 Abs. 1 BGB taggenau zu berechnen. Eine Begrenzung auf volle Monate erfolgt nicht. Für Zeiträume vor dem 1. Januar 2019 beträgt der Zinssatz 6 % pro Jahr nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Entscheidung wird erhebliche finanzielle Auswirkungen für den Fiskus haben, da bekanntliche sehr lange Verfahrendauern in entsprechenden Verfahren eher die Regel sind und sicherlich auch viele "Altlasten" in den Amtsstuben des BZSt liegen. Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden!   


 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH

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