Blockchain: vom Buzzword zur konkreten Anwendung

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veröffentlicht am 25. April 2019


Kaum ein technologisches Thema hat in der letzten Zeit so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie der Begriff „Blockchain”. Die jüngste Vergangenheit war durch das Medienspektakel rund um Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether sowie durch das Entstehen einer bunten Start-up-Szene ebenso geprägt wie von ersten erfolgreichen Pilotprojekten etablierter Player – bspw. der Schuld­scheindarlehen-Transaktion zwischen der Daimler AG und der Landesbank Baden-Württemberg.


 
Dennoch bleiben für viele Unternehmen nach wie vor die Fragen offen, in welchen Bereichen mögliche Potenziale der Technologie für das eigene Geschäftsmodell liegen bzw. wie man sich diesem komplexen Thema grundsätzlich annähern sollte. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, stellt doch die Blockchain bzw. allgemein gesprochen die Distributed Ledger-Technologie (DLT) quasi eine „Basistechnologie” dar, die in vielen unterschiedlichen Spielarten angewendet werden kann.

Dass eine kluge Strategiefindung hier alles andere als trivial ist, zeigt auch die aktuelle Online-Konsultation zur Blockchain-Strategie auf Bundesebene. Die Bundesregierung hat in Aussicht gestellt, bis zum Sommer diesen Jahres eine Blockchain-Strategie vorzulegen. Mit der öffentlichen Konsultation sollen nach einer Pressemitteilung der Bundesministerien für Finanzen und für Wirtschaft und Energie namentlich Informa­tionen von Marktteilnehmern zu Potenzialen, Treibern und Hemmnissen sowie zu konkreten Anwendungs­fällen (useCases) der Technologie gewonnen werden.


Sehr weites Anwendungsspektrum denkbar

Das Feld möglicher Blockchain-Anwendungen ist in der Tat äußerst weit gesteckt: Von der reinen Nutzung von Kryptowährungen, neuen Formen des (Crowd-)Fundings durch sog. Initial Coin Offerings (ICOs) über stark asset-gebundene Anwendungsfälle, etwa im Immobilien- und Logistikbereich, bis hin zur aktiven Entwicklung eigener digitaler Geschäftsmodelle reichen die aktuellen Erscheinungsformen.

Dabei prüfen häufig gerade auch Akteure, die nicht selbst Blockchain-Anwendungen innerhalb ihres Geschäftsmodells aktiv betreiben möchten, ob sich dennoch durch die neuen Technologien innovative Ansatzpunkte ergeben. So etwa konkret bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen man in einem Online-Shop eine Zahlung mit Kryptowährungen – z.B. Bitcoin – anbieten und so möglicherweise einen neuen Bezahlkanal erschließen könnte, um speziell im Hinblick auf online-affine Kundengruppen Geschäftschancen zu eröffnen. Gleiches gilt für neue Finanzierungsformen, Plattformmodelle und viele weitere Anwendungsfälle.


Rechtliche Rahmenbedingungen als „Architekturbaustein” berücksichtigen

Die Blockchain-Technologie ist nach wie vor noch vergleichsweise jung. Eine best practice ist sowohl beim operativen Einsatz als auch bei der rechtlichen Bewertung noch nicht abschließend etabliert. Besonders bei Anwendungen, die sich auf den Finanzbereich beziehen, hält sich bspw. nach wie vor hartnäckig das Gerücht, dass eine Regulierung fehle und daher weitestgehend Gestaltungsfreiheit herrsche. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Anwendungsfrage von Blockchain v.a. im Unternehmenskontext um ein stark interdisziplinäres Technologiethema handelt, bei dem viele Interessen zum Ausgleich gebracht werden müssen. Aus dem Grund ist es sinnvoll, bereits frühzeitig auch rechtliche Spezialisten in die Überlegungen miteinzubeziehen. Neben „klassischen” it-rechtlichen Fragestellungen ist häufig auch an Themen wie Aufsichtsrecht (Stichwort Erlaubnispflicht) z.B.
  • nach Kreditwesengesetz (KWG),
  • Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB),
  • Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG),
  • dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) oder
  • an gerne in dem Kontext übersehene Gebiete wie Verbraucher- und Datenschutz zu denken.


Die letzten beiden Beispiele zeigen deutlich, dass sich auch außerhalb des Bereichs der Kryptowährungen oder innovativer Finanzierungsformen eine gründliche rechtliche Bewertung auszahlt.

Fokusthemen mit Relevanz für den Mittelstand

Aktuelle Fokusthemen mit Relevanz für den Mittelstand haben sich in unserer Beratungspraxis bislang insbesondere in den Bereichen Immobilien, Peer-to-peer-Handel (P2P) und Finance herausgestellt.

Hierbei scheinen im Immobilienbereich v.a. Blockchainanwendungen im Facility Management bzw. allgemein beim Immobilienbetrieb vielversprechend zu sein. Die Einhaltung einer Vielzahl von immobilienbezogenen Pflichten und die Umsetzung der zugehörigen Tätigkeiten lassen im Immobilienbetrieb große Datenmengen oft über Organisationsgrenzen hinweg entstehen. Eigenschaften von Blockchain-Anwendungen – wie Unveränderbarkeit und Manipulationsresistenz –lassen auf innovative Lösungen hoffen, mit denen Prozesse künftig einfacher gestaltet werden können.

Als zweites Fokusthema sei das Phänomen des sog. Peer-to-peer-Handels, d.h. des Handels von Wirtschaftsgütern direkt zwischen zugehörigen Teilnehmern ohne dazwischengeschaltete Vermittler bzw. Intermediäre angeführt. Aktuell beschäftigt dieser Trend besonders die Branche der Energiewirtschaft. Auch ruhen große Hoffnungen auf der Blockchain-Technologie, die einen integralen und innovativen Lösungsbaustein in Aussicht stellt, da das Vertrauen bei Transaktionen – das klassisch durch einen Intermediär gewährleistet wurde – nunmehr möglicherweise durch die Technik „ersetzt” werden kann.

Aufgrund der hohen Bedeutung derartiger Anwendungen im Energiesektor hat Rödl & Partner einen Block-Chain-Showcase zum P2P-Stromhandel entwickelt. Dieser macht den Mandanten Transaktionen und Arbeitsweisen einer Blockchain – insb. auch sog. Smart Contracts – konkret erlebbar. Dabei ist der Showcase nicht ausschließlich für Szenarien aus dem Energiehandel spannend: Aufgrund seines Designs als Handelsplattform kann er auch hervorragend zur Animation und Diskussion von alternativen Anwendungs­fällen herangezogen werden. Besonders der Wandel von Rollen von bisherigen Intermediärpositionen kann so live gezeigt und nachempfunden werden.

Last but not least sei der Bereich Finance erwähnt. Besonders interessant dürften hier 2019 die Entwicklungen in Bezug auf sog. token-basierte Modelle – etwa Unternehmens- oder Immobilienfinan­zierungen – werden. Aktuell wird namentlich über neue Interessengruppen – wie der International Token Standardization Association – Grundlagenarbeit geleistet, die – so die Hoffnung – zeitnah zu einem verlässlichen Regulierungsrahmen führt.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, ein Prototyp mehr als tausend Meetings

Wie aber sollte man nun ein Innovationsprojekt in der Praxis angehen? Aus unserer Sicht hat sich insbesondere eine Annäherung über interdisziplinäre Workshops als sinnvoll herausgestellt. Blockchain ist kein reines Spezialistenthema, sondern berührt häufig viele Unternehmensbereiche und (externe) Stakeholder.

Ein besonderer Zugewinn lässt sich unserer Erfahrung nach dann realisieren, wenn gemeinsame Workshops durch die Einbindung einer Live-Anwendung, z.B. durch den oben genannte Showcase oder einem Prototypen, realitätsnah ausgestaltet werden können. Viele Problemstellungen oder unerkannte Chancen werden sich in der praktischen Auseinandersetzung zeigen, wenn sozusagen live erfolgsversprechende Anwendungen für die eigenen Geschäftsmodelle konkret „durchdekliniert” werden.


Auswirkung auf die Praxis

Das Thema Blockchain steht sicher auch 2019 nach wie vor auf der strategischen Agenda vieler Unterneh­men. Ob man nun als etablierter – vielleicht auch vom bisherigen Geschäftsmodell her eher „it-ferner“ – Akteur nach möglichen Einsatzmöglichkeiten sucht oder an vorderster Front innovative digitale Geschäftsmodelle etablieren möchte: die rechtlichen Implikationen sollten keinesfalls außer Acht gelassen werden. So können geeignete Gestaltungen für das jeweilige Geschäftsmodell gewählt und rechtliche Fallstricke vermieden werden. Gerade in der Frühphase eines Projekts, in der oftmals weitreichende Richtungsentscheidungen getroffen werden, müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen präzise evaluiert werden.


Fazit

Blockchain als strategisches Thema wird auch 2019 viele Unternehmen intensiv beschäftigen. Dennoch ist die konkrete Umsetzung entsprechender Projekte alles andere als trivial. Das zeigt auch die aktuelle Online-Konsultation zur Blockchain-Strategie der Bundesregierung, mit der u.a. Informationen von Marktteilnehmern zu Chancen, Risiken und Anwendungsfällen – den sog. useCases – gewonnen werden sollen.

Welche Themen werden aktuell besonders diskutiert und wie kann man sich dem komplexen Thema zielführend nähern? Als aktuelle Fokusthemen mit Relevanz für den Mittelstand haben sich in unserer Beratungspraxis bislang insbesondere die Bereiche Immobilien, Peer-to-peer-Handel (P2P) und Finance herausgestellt. Was die Umsetzung von Projekten anbetrifft, darf wohl der Ausspruch „ein Bild sagt mehr als tausend Worte, ein Prototyp mehr als tausend Meetings” gelten. Je praxisnäher und interdisziplinärer die Auseinandersetzung, desto besser. Gerade in der Findungsphase können durch entsprechende Workshops oft schon wesentliche Schritte gegangen werden.

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