Hat der Coronavirus Einfluss auf die Mietzahlungsverpflichtung?

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Update: Auf diese Änderungen am Mietrecht müssen Sie reagieren!

 

veröffentlicht am 19. März 2020 ; Zuletzt aktualisiert am 14. Dezember 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Kann sich der Mieter in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage von seiner Mietzahlungsverpflichtung unter Berufung auf geänderte Geschäftsgrundlagen befreien oder bleibt er zur Zahlung verpflichtet? Diese Fragen hat der Gesetzgeber im Frühjahr 2020 mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 eigentlich klar beantwortet. Leider bleibt sich zu dieser Frage unsere Regierung und auch die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht treu.

Aktuelle Gesetzgebung/Beschlusslage

Während der ersten Pandemiewelle sah sich der Gesetzgeber genötigt, für die laufenden Mietverträge eine ausgleichende Regelung herbeizuführen. Der Gesetzgeber attestierte damals:


„Für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume wird das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Gewerberaummietverträge. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen. Dies gilt für Pachtverhältnisse entsprechend.”


Damit war das gemeinsame Verständnis manifestiert, dass die Pandemie nicht als Fall der Störung der Geschäftsgrundlage anzusehen ist, § 313 BGB die aktuelle Situation also gerade nicht erfasst.. Denn ein Abänderungsanspruch nach § 131 BGB käme allenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 313 BGB in Betracht. In solchen Fällen kann bei einer schwerwiegenden Veränderung der äußeren Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, die Anpassung oder schlimmstenfalls die Auflösung des Vertrages verlangt werden. Genau das trifft aber hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeit der Mietsache nicht zu. Gerade deshalb wurden stattliche Hilfeleistungen monetärer Art ausgeschüttet.

Umso überraschender ist nun, dass die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht im Dezember 2020 hierzu plötzlich mitteilte, mit einer Änderung des § 313 BGB gezielt in das Mietrecht eingreifen zu wollen: „Ich möchte gesetzlich klarstellen, dass dies regelmäßig die Störung der Geschäftsgrundlage für ein Mietverhältnis bedeutet.” Allerdings würde das nicht automatisch einen Anspruch auf Mietminderung bedeuten. „Natürlich müssen immer der Einzelfall und die konkreten vertraglichen Vereinbarungen geprüft werden”, stellte Lambrecht klar. „Notfalls muss gerichtlich festgestellt werden, ob eine Anpassung des Vertrags verlangt werden kann.”

Dieses Ziel erreicht die Bundesregierung nun über den Bund-Länder-Beschluss nach der Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 13. Dezember 2020 – ohne weitere Diskussion und Reflexion in und mit den betroffenen Kreisen. Dort heißt es in Ziffer 15:


„Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, wird gesetzlich vermutet, dass erhebliche (Nutzungs-)Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Damit werden Verhandlungen zwischen Gewerbemietern bzw. Pächtern und Eigentümern vereinfacht.”


Einmal abgesehen davon, dass es – trotz der eiligen Befassung der Länderparlamente mit dem Gesamtpaket - wenig rechtsstaatlich ist, dass die Exekutive (gesetzliche) Vermutungen aufstellen kann, ist das eine totale Abkehr von dem eben dargestellten gemeinsamen Verständnis. Wenn die Mieter sich im Zivilprozess auf eine gesetzliche Vermutung berufen könn(t)en, wird es dem Vermieter ohne eigenen Anspruch auf Sichtung der betriebswirtschaftlichen Details des Mieters kaum gelingen, diese Vermutung zu erschüttern. Das gilt umso mehr, weil die Mieter ja möglicherweise gerade für die Folgen der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten der angemieteten Räume Hilfsleistungen erhalten haben oder in Anspruch nehmen hätten können. Auch dürfte unklar bleiben, was unter der „erheblichen Beschränkung” zu verstehen ist.


Sollen auch deutliche Umsatzrückgänge aufgrund zunehmenden Rückzugs von Kunden ins Private/Home-Office ohne ausdrückliche Schließungsverpflichtung als Begründung ausreichen? Wie die Gerichte mit dieser Situation umgehen, ist freilich derzeit alles andere als klar, aber der gesetzgeberische Wille ist klar und deutlich abweichend von der Auffassung im März 2020 geäußert. Sollte dies tatsächlich einzelfallbezogen beurteilt werden müssen, bedeutet das wohl Steine statt Brot. Und ob finanzierende Banken Verständnis für Zahlungsausfälle von Vermietern aufgrund ausbleibender Mietzahlungen entwickeln, darf angezweifelt werden. Möglicherweise müssen dann Hilfsleistungen von Mietern auf Vermieter umgelenkt werden – mit wohl erheblichem Mehraufwand für alle Beteiligten.

Dabei ist diese zwangsweise Lösung womöglich überflüssig, nachdem die Mehrheit der Vermieter bereits für die Mieter günstige Entscheidungen getroffen hatten. Konsequent wäre es jedenfalls, wenn die Bundesregierung nun auch die Corona-Soforthilfen aus dem Frühjahr zurückfordern würde, soweit Miete damit bezahlt wurde. Ob das das Gewollte ist, ist stark zu bezweifeln.


Rechtsprechung

Auch die Rechtsprechung schafft es in dieser Zeit nicht, Vertrauen zu bilden.

Das LG Frankfurt/Main hat mit Urteil vom 2. Oktober 2020, Az.: 2-15 O 23/20 (noch nicht rechtskräftig) entschieden, dass staatlich verordnete Schließungen wegen COVID-19 weder zu einem Mietmangel noch zu einer Unmöglichkeit führen. Ausdrücklich wird festgehalten, dass auch die Geschäftsgrundlage nicht entfallen sei. Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass Gebrauchsbeeinträchtigungen durch hoheitliche Maßnahmen nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters betreffen. Solange seitens des Vermieters die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht wird, trägt der Mieter das Verwendungsrisiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erwirtschaften zu können, allein. Das Landgericht Frankfurt verneint zudem eine Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB, da nach Ansicht des Gerichts durch die zeitlich befristete Schließung keine existenziell unzumutbare Situation begründet wird. Sofern für den Mieter die Möglichkeit besteht, durch Kurzarbeit oder staatliche Hilfe Einsparungen vorzunehmen, ist die Schließung nicht als existenziell anzusehen.

Gleichlautend äußert sich auch das LG Heidelberg in seinem Urteil vom 30. Juli 2020 (Az.: 5 O 66/20).

Anders hingegen das LG München I in seiner Entscheidung vom 22. September 2020 (Az.: 3 O 4495/20). Danach gilt: Der Mieter darf nach § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB mindern, weil die staatlich verordnete Schließung einen Mangel der Mietsache bewirke. Im Übrigen sei anerkannt, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen als rechtliche Verhältnisse einen Mangel darstellen können, wenn sie sich auf Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Sache beziehen, wobei es auf den vereinbarten Geschäftszweck ankommt und die Beschränkung grundsätzlich bestehen muss. Der Mietzweck – Betreiben eines Geschäfts – konnte nach den behördlichen Beschränkungen infolge der Epidemie nicht mehr eingehalten werden. Diese Beschränkungen fallen nach Ansicht der Münchener Richter nicht in den Risikobereich des Mieters. Zudem liege eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, da die Parteien die Folgen einer eintretenden Corona-Epidemie und staatlicher Infektionsschutzmaßnahmen offenkundig nicht bedacht haben und so den Vertrag kaum geschlossen hätten (§ 313 Abs. 1 und 2 BGB).


Empfehlung

Angesichts der aktuellen Lage, eine in sich widersprüchliche Rechtsprechung einerseits, ein vermutlich nicht vollständig zu Ende gedachter Vorstoß des Gesetzgebers zur Entlastung der unmittelbar von den allgemeinen Lockdown-Entscheidungen betroffenen andererseits, ist es dringend zu empfehlen, jede Entscheidung über Auflösung oder Anpassung von Mietverträgen wohlüberlegt und keinesfalls voreilig zu treffen. Auch Bund-Länder-Beschlüsse haben aktuell meist keine allzu hohe Halbwertszeit und, dass eine langjährige Praxis wonach das Verwendungsrisiko beim Mieter liegt, nachhaltig geändert wird, dürfte alles andere als sicher sein. Bestätigt sich diese Sichtweise, wären im Übrigen die Auswirkungen vermutlich auch nicht auf Miet- und Pachtverhältnisse beschränkbar, sondern ggf. auch auf andere Dauerschuldverhältnisse.


Wahrung der Schriftform beachten

Sollten Sie Vertragsänderungen mit Ihrem Mieter vornehmen, beachten Sie bitte unbedingt:
Jede Änderung des Vertrages ist schriftlich in einem Nachtrag zu fixieren. Zu warnen ist ferner vor mündlichen Stundungsvereinbarungen zur Miete mit dem Vermieter. Solche mündlichen Vereinbarungen gehen den schriftlichen Vereinbarungen im Mietvertrag trotz „Schriftformheilungsklausel” und „doppelter Schriftformklausel” stets vor und führen zu einer Kündigungsmöglichkeit mit gesetzlichen Fristen für den Vermieter, § 550 BGB.

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