Emissionshandel: BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung – Rettung des Vertrauensschutzes für die KWK-Ausschreibungsförderung?

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​veröffentlicht am 16. März 2021

 

KWK-Anlagen werden durch die Kostensteigerungen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) belastet, ohne dass diese Mehrkosten über gestiegene Stromerlöse kompensiert werden können. KWK-Anlagenbetreiber, die vor 2019 einen Zuschlag im KWK-Ausschreibungsverfahren erhalten haben, müssen deshalb Gewinnschmälerungen oder sogar hohen Verluste durch die unvorhersehbaren Kostensteigerungen aus der CO2-Bepreisung hinnehmen. Mit der BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung besteht nun eine neue Chance, diese Schäden durch eine beihilferechtliche Kompensation der BEHG-Kosten zu mindern und den Vertrauensschutz in die KWK-Ausschreibung wiederherzustellen. Andernfalls bleibt den betroffenen Unternehmen nur der verwaltungsrechtliche oder sogar verfassungsrechtliche Rechtsweg.

 

Auswirkungen des BEHG auf KWK-Gebotswert

Bieter in Förderausschreibungen des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) kalkulieren ihren Gebotswert auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bestehenden gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ausgangsgröße der Gebotswertkalkulation sind dabei zunächst die Kosten der KWK-Anlage zuzüglich der Renditeerwartung des Bieters. Dem ist der unter Annahme wettbewerbsfähiger Preise für den Verkauf von Strom und Fernwärme zu erwartende Erlös gegenüberzustellen. Da die Erlöse regelmäßig geringer sind, ergibt sich ein Förderbedarf, der dem jeweiligen Gebotswert entspricht.


Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) wurden nun die wirtschaftlichen Grundlagen für die Gebotswertkalkulation unvorhersehbar verändert. Die in der Regel fossilen Brennstoffkosten der KWK-Erzeugung steigen durch die zusätzlichen Beschaffungskosten zur Erfüllung der Emissionszertifikate-Abgabenpflicht (§ 8 BEHG). Unvorhergesehene Kostensteigerungen bei gleichbleibenden Erlösen führen dabei zu einem geringeren Gewinn oder sogar Verlusten.

 

Da die BEHG-Kosten alle fossilen Wärmeerzeugungsanlagen treffen, steigen aber auch die Wettbewerbspreise für fossile Wärme. Preissetzend sind insofern aber ungekoppelte fossile Wärmeerzeuger, sodass nur der der Wärmeerzeugung zuzurechnende Teil der KWK-Anlagenkostensteigerungen aus dem BEHG kompensiert wird.

 

Keine Kostenkompensation durch KWK-Stromerlöse

Die Stromerlöse der KWK-Erzeugung setzen sich aus dem unveränderlichen KWKG-Zuschlag bzw. Gebotswert und dem Stromvermarktungserlös zusammen. Dabei wird der Wettbewerbspreis (entsprechend der gesetzlichen Wertung des § 4 Abs. 3 KWKG) vor allem durch den Börsenstrompreis für Grundlaststrom repräsentiert.


Die Börsenstrompreise für Grundlaststrom werden aber nicht durch die Kostensteigerungen aus dem BEHG beeinflusst und steigen deshalb nicht entsprechend. Denn nach dem sog. „Merit-Order-Effekt” bestimmt immer die in einer Abrufreihenfolge gerade noch kostendeckende, letzte Erzeugungseinheit den Preis (sog. „Grenzkraftwerk”). Preisbestimmend für den Börsenstrompreis sind deshalb große, regelmäßig dem europäischen Emissionshandel nach dem Treibhausgasemissionshandelsgesetzes (TEHG) unterliegenden Stromerzeugungseinheiten, die deshalb nicht den BEHG-Kostensteigerungen unterliegen. Deren Grenzkosten steigen nicht durch die BEHG-Kostensteigerungen.


Neben den TEHG-pflichtigen Großkraftwerken bestimmen in Zeiten einer geringen Stromnachfrage bei hoher witterungsabhängiger Stromerzeugung aus Sonne und Wind mit zunehmende Erneuerbare-Energien-Ausbau immer öfter auch regenerative Erzeugungseinheiten den Börsenstrompreis. Diese unterliegen ebenfalls nicht der CO2-Bepreisung aus dem BEHG, sodass auch hier der Börsenstrompreis nicht die BEHG-Kostensteigerungen kompensieren wird. Da die in der Regel wärmegeführten KWK-Anlagen auch in diesen Zeiten Strom erzeugen müssen, entsteht ihnen gegenüber ungekoppelten Stromerzeugungsanlagen besonders hohe Erlösverluste.

Die Erhöhung des der Stromerzeugung zuzurechnenden Anteils der BEHG-Kosten wird deshalb nicht durch erhöhte Stromerlöse kompensiert. Damit sinkt bei KWK-Anlagen grundsätzlich der Gewinn oder es entsteht sogar ein Verlust.

 

Dauerdefizitärer KWK-Anlagenbetrieb oder Nichtrealisierungspönale?

Da es Sinn und Zweck des KWKG-Ausschreibungsverfahrens ist, den Förderbedarf im Wettbewerb zu senken, werden dort besonders niedrige Gewinne bzw. besonders hohe Prognoserisiken einkalkuliert. Eine unvorhersehbare Änderung führt hier deshalb regelmäßig zu Verlusten und damit zu einer fehlenden Realisierungsfähigkeit des Projekts. Die fehlende Realisierung ist aber wiederum mit hohen Pönalezahlungspflichten aus der KWK-Ausschreibungsverordnung sanktioniert. Insofern ist zu befürchten, dass einer Vielzahl von Bietern, die in den Jahren 2018 - 2019 einen Zuschlag für eine KWK-Anlage oder ein innovatives KWK-System erhalten haben, hohe Schäden entstehen werden. Das Vertrauen in das Instrument der KWK-Ausschreibung würde geschwächt.


Die Veränderung der wirtschaftlichen Grundlagen der KWK-Gebotswertkalkulation durch den Gesetzgeber erscheint deshalb unbillig. Der Gesetzgeber führt die Unwirtschaftlichkeit der KWK-Zuschläge herbei und löst damit den Verfall der Pönale mittelbar selbst aus, während für die KWK-Bieter die Kostenerhöhung durch das BEHG weder vorhersehbar waren noch vermeidbar sind. Insofern erscheint es umweltpolitisch widersprüchlich, die KWK-Anlagen einerseits über das Fördersystem anzureizen, andererseits über das BEHG zu verhindern. Die Entwertung der KWK-Zuschläge durch das BEHG könnte deshalb auch als verfassungswidriger Eingriff des Gesetzgebers in die Eigentums- und Berufsausübungsrechte der KWK-Bieter bewertet werden.

 

Carbon-Leakage-Kompensation für KWK-Anlagen?

Bereits im Vorfeld der BEHG-Novelle wurde hier ein gesetzlicher Heilungsbedarf durch eine Erhöhung der KWKG-Vergütung geltend gemacht (vgl. z.B. Stellungnahme des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. zur geplanten ersten Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) vom 5. März 2020, Ziff. 6, S. 11 ff.), der jedoch bei der KWKG-Novellierung 2020 vom Gesetzgeber nicht umgesetzt wurde.


Das Bundesumweltministerium (BMU) hat am 11.02.2020 einen Referentenentwurf einer Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung – BECV) veröffentlicht.


Mit der Länder- und Verbändebeteiligung zum Erlass der BECV ist die Diskussion zur BEHG-Kosten-Kompensation für KWK-Anlagen nun erneut aufgeflammt. Dabei wird zum Teil explizit die Aufnahme der KWK-Wärmeerzeugung in den Katalog beihilfeberechtigter Branchen, zum Teil eine grundsätzliche Gleichbehandlung der Wärmeerzeugung in EU-ETS-Anlagen und BEHG-pflichtigen Anlagen geltend gemacht. Denn im europäischen Emissionshandel und dessen nationaler Umsetzung durch das TEHG wird die Wärmeerzeugung durch die teilweise kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten privilegiert.


Zur Wahrung des Vertrauensschutzes in die Ausschreibungsbedingungen des KWKG und der KWK-Ausschreibungsverordnung (KWKAusV) bedürfte es in der BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung zumindest einer ausdrücklichen Aufnahme der KWK-Anlagenbetreiber in den Kreis der beihilfeberechtigten Branchen und einer vollen Kompensation des der Stromerzeugung zurechenbaren Anteils der BEHG-Kosten (so auch der ursprüngliche Vorschlag des BDEW zum BEHG/KWKG 2020, s.o.).

 

Rechtsschutz für KWK-Anlagenbetreiber

Wird keine politische Lösung des Problems gefunden, bleibt den betroffenen Unternehmen nur der Rechtsweg. Dabei besteht einerseits die Möglichkeit, einen Anspruch auf Widerruf des KWK-Zuschlagsbescheids nach § 49 VwVfG gegen die Bundesnetzagentur (BNetzA) geltend zu machen, andererseits den Anspruch auf Zahlung der Pönale nach § 21 KWKAusV gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber zu verweigern. Schließlich könnte vor allem in bereits realisierten Projekten der unvermeidbare Schaden der KWK-Anlagenbetreiber ein Anlass sein, die entsprechenden Berichts- und Abgabepflichten des BEHG unter Verweis auf den verfassungsrechtlichen Eigentums- und Berufsausübungsschutz gegenüber der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHST) geltend zu machen und ergänzend zu den bereits in mehreren Gutachten vertretenen finanzverfassungsrechtlichen Bedenken gegen das BEHG die Verfassungswidrigkeit des BEHG gerichtlich feststellen zu lassen. Soweit allerdings eine verfassungsrechtliche Begründung geltend gemacht wird, ist aufgrund des Grundsatzes der Rechtswegerschöpfung (§ 90 BVerfGG) ein langer Atem und entsprechende Unterstützung durch Branchenverbände, Politik oder Klägergemeinschaften erforderlich.

 


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