Energie und Klima im Koalitionsvertrag

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​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 14. Mai 2025

Die neue Bundesregierung setzt mit ihrem Koalitionsvertrag im Bereich Klima und Energie den Fokus auf einen system- und netzdienlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Ein zunehmender Schwerpunkt auf die Flexibilisierung des Energiesystems soll zur Stabilität beitragen. Durch eine Strompreisreduzierung von mindestens 5 ct/kWh sollen Industrie und Privathaushalte entlastet und zudem ein zusätzlicher Industriestrompreis eingeführt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu wahren.

Klimapolitik

Im Rahmen des Koalitionsvertrags bekennen sich die Koalitionspartner zu den bereits beschlossenen deutschen und europäischen Klimazielen sowie zum Pariser Klimaabkommen. So soll Deutschland bis 2045 klimaneutral werden und gleichzeitig seine Rolle als leistungsfähiges Industrieland bewahren. Zur Erreichung dieser Ziele sollen primär Treibhausgasemissionen reduziert werden - ergänzt durch die Anrechnung negativer Emissionen und in bestimmten Umfang THG-Reduktionsmaßnahmen im außereuropäischen Ausland. Zudem wird sich für einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz sowie für den Emissionshandel und das Instrument der CO2-Bepreisung ausgesprochen. Gleichzeitig soll die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sowie soziale Akzeptanz und eine „ökonomisch tragfähige Preisentwicklung“ sichergestellt werden.

Energiepolitik

Im Kontext der Energiepolitik werden Entbürokratisierungen sowie der Ausbau von Modellen wie Bürgerenergie oder Mieterstrom angestrebt, um mehr Akteure an der Energiewende teilhaben zu lassen. Zudem sollen die Energiepreise geringer und international wettbewerbsfähig sein. Um dieses Ziel zu realisieren, wird ein „systemischer Ansatz durch das Zusammenspiel aus dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, einer Kraftwerksstrategie, dem gezielten und systemdienlichen Netz- und Speicherausbau, mehr Flexibilitäten und einem effizienten Netzbetrieb“ verfolgt.


Strompreise. Im Koalitionsvertrag ist das Ziel der Strompreisreduzierung um min. 5 ct/kWh, sowohl für die Privathaushalte als auch für die Industrie festgelegt. Konkret soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß von 0,05 ct/kWh gesenkt und Netzentgelte sowie Umlagen reduziert werden. Geplant ist zudem, die Netzentgelte zu deckeln.
Energieintensive Unternehmen und nun auch weitere Branchen sollen (weiterhin) von der Strompreiskompensation profitieren; zusätzlich ist ein Industriestrompreis zur besonderen Entlastung energieintensiver Unternehmen vorgesehen, sofern für diese keine ausreichenden Entlastungsmöglichkeiten auf anderem Wege bestehen.

Einschätzung: Während für Privathaushalte 2025 die Netzentgelte leicht gesunken sind, stiegen die Steuern, Abgaben und Umlagen – in Summe sinkt der durchschnittliche Strompreis leicht. Für die Industrie sind gegenläufige Tendenzen erkennbar und der durchschnittliche Strompreis steigt gegenüber 20241. Eine Senkung des Strompreises um 5 ct/kWh würde die Belastung für Privathaushalte auf ein Maß zurückführen, das einem üblichen Preiswachstum gegenüber dem Vorkrisenniveau entspricht. Auch die Industrie profitiert grundsätzlich von der Strompreisreduzierung. Konkrete Umsetzungspläne sowie Angaben zur Finanzierung bleiben jedoch vage bzw. werden nicht näher erläutert, sodass es abzuwarten gilt, wann und in welchem Ausmaß die Privilegierungen eingeführt werden.


Netze. Der Netzausbau und die -modernisierung sollen kosteneffizient und verzahnt mit dem EE-Ausbau vorangetrieben werden. Neue Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetze werden nach Möglichkeit als Freileitung realisiert. Effizienzpotenziale werden durch die Digitalisierung der Netze sowie durch eine flexiblere Gestaltung und die Möglichkeit der Überbauung an den Netzverknüpfungspunkten ausgeschöpft. Der Rollout von Smart Metern soll beschleunigt und dynamische Stromtarife gestärkt werden, Maßnahmen zur Umsetzung werden nicht benannt. Netzanschlusskosten für bestehende Unternehmensstandorte im Zuge der Transformation werden gesenkt und die Möglichkeit der physikalischen Direktversorgung der Industrie räumlich ausgeweitet.

Einschätzung: Die geplante Ausweitung der physikalischen Direktbelieferung könnte die Nutzung langfristiger PPAs erleichtern und Unternehmen mehr Planungssicherheit bei den Stromkosten geben. Allerdings ist davon auszugehen, dass aufgrund der geplanten Strompreisreduzierung für die Industrie auch eine Reduktion der PPA-Strompreise notwendig ist, um eine Abnahmebereitschaft zu erzielen. Das wirtschaftliche Umsetzungspotential von PPA-Anlagen wird folglich durch das niedrigere Strompreisniveau geschmälert. Im Kontext der Stromdirektbelieferung wurde nicht näher auf die bestehende Unsicherheit der Einsparungsmöglichkeit von Privilegierungen im Zusammenhang mit der Kundenanlage eingegangen. Am 28. November 2024 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die bisherige Regelung zur Kundenanlage im Energiewirtschaftsgesetz mit den damit zusammenhängenden Einsparungen von Strompreisbestandteilen europarechtswidrig ist – der dazu konträre Vorschlag, die Direktlieferung auszuweiten, scheint daher schwer realisierbar. Es ist also weiterhin offen, ob PPA- und Eigenversorgungsmodelle zukünftig von der Befreiung der Privilegierungen profitieren können.

Erneuerbare Energien im Strombereich. Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll künftig netzdienlich erfolgen. Für den weiteren Ausbau von EE und Speichern soll ein entsprechender Investitionsrahmen geschaffen werden, welcher an die europäischen Vorgaben angepasst wird. Langfristiges Ziel ist die vollständige Refinanzierung Erneuerbare Energien im Markt. Zudem soll das Potential klimaneutraler Moleküle genutzt und der Anteil erneuerbarer Moleküle gesteigert werden (2023: 11,5 %2).

Einschätzung: Ein Wendepunkt in der Förderstruktur der Erneuerbaren Energien steht zum 31. Dezember 2026 bevor: Dann läuft die beihilferechtliche Genehmigung des aktuellen EEG aus3. Ein neues Förderdesign muss zum 1. Januar 2027 in Kraft treten. Der Koalitionsvertrag enthält bislang keine konkreten Aussagen zur künftigen Ausgestaltung. Klar ist, dass die von der EU festgelegten Rückführungsmechanismen – wie zweiseitige Differenzverträge oder gleichwertige Instrumente – verpflichtend umgesetzt werden müssen4. In diesem Zusammenhang stellt sich zunehmend die Frage, wie künftig mit dem wachsenden Kannibalisierungseffekt umzugehen ist. Denn die sinkenden Marktwerte, die insbesondere durch das gleichzeitig hohe Angebot von Solar- und Windstrom verursacht werden, untergraben langfristig das Renditepotential neuer Projekte. Eine verlässliche Refinanzierung allein über den Marktpreis wird unter den aktuellen Bedingungen kaum möglich sein.


Solarenergie. Der systemdienliche Ausbau der Solarenergie in Verbindung mit Speichern soll über eine entsprechende Förderung begünstigt werden. Auch Betreiber bestehender Anlagen sollen über neue Anreize zu einer netz- und systemfreundlichen Einspeisung bewegt werden. Die neuen Bestimmungen des Solarspitzengesetzes bzgl. der Nullvergütung bei negativen Preisen sowie der Direktvermarktung werden erneut evaluiert. Dabei ist unklar, in welcher Hinsicht die Evaluierung durchgeführt wird. Digitale und standardisierte Verfahren sollen Anmeldungen vereinfachen und Doppelnutzungen von Flächen, wie Parkplatz-, Agri- und Floating-PV, erleichtert werden.

Einschätzung: Das Ziel der installierten PV-Leistung für das Jahr 2024 von 88 GWp5 wurde um ca. 11,8 GWp6 übertroffen. Bei einem anhaltenden PV-Zubau bzw. einer weiteren Steigerung des Zubaus kann das nächste Zwischenziel im Jahr 2026 von 128 GWp erreicht werden. Darüber hinaus wird die Ausbaugeschwindigkeit von den Bestimmungen des neuen Förderdesigns (und von dem EuGH-Urteil zur Kundenanlage) abhängig sein.

Windenergie. Der Ausbau der Windenergie soll weiter fortgeführt werden. Für die Windenergie ist eine Evaluierung der Flächenziele für das Jahr 2032 vorgesehen, die Zwischenziele des Windflächenbedarfsgesetzes für 2027 bleiben unberührt. In einer weiteren Prüfung wird die Möglichkeit der engeren Verzahnung von Windenergie- und Netzausbau untersucht, ohne die Ausbauzeile der Windenergie zu gefährden. Das Referenzertragsmodell wird unter dem Aspekt der Kosteneffizienz – insbesondere bei Schwachwindstandorten – überprüft. Die Rahmenbedingungen für Bürgerstrom sollen verbessert und die physikalische Direktversorgung von Unternehmen ausgeweitet werden. Zudem plant die Koalitionspartner, die zulässige Flächenpacht für EEG-geförderte Anlagen zu deckeln.

Einschätzung: Ende des Jahres 2024 betrug die installierte Leistung von Windenergieanlagen an Land 63,55 GW7. Das Ausbauziel von 69 GW8 konnte somit nicht erreicht werden. Ob durch neue Regelungen zum Bürgerstrom und der Direktversorgung das Ausbauziel für 2026 in Höhe von 84 GW erreicht werden kann, ist unter der aktuellen Ausbaugeschwindigkeit fragwürdig.


Einschätzung: Die zukünftige Ausbaugeschwindigkeit der Solar- und Windenergie wird neben der Ausgestaltung des neuen Förderdesigns im Wesentlichen davon abhängig sein, wie die Verzahnung mit dem Netzausbau und den Flexibilisierungsmöglichkeiten ausgestaltet wird. Der überschüssige Strom muss durch Flexibilisierungsmöglichkeiten und Speichertechnologien verwertet werden, damit der Kannibalisierungseffekt mit zunehmenden EE-Ausbau nicht weiter steigt und Erlösverluste die Folge sind. Gleichzeitig ist der Netzausbau zur Stabilisierung des Energiesystems und zur weiteren Einspeisemöglichkeit von Erneuerbaren Energien notwendig.

Flexibilisierung. Auch die Flexibilisierung des Energiesystems ist ein zunehmender Schwerpunkt. Der Ausbau von Energiespeichern – sowohl stationär als auch in Verbindung mit Heimspeichern und E-Autos – wird ausdrücklich unterstützt. Das bidirektionale Laden von E-Fahrzeugen am Arbeitsplatz soll gefördert werden. Energiespeicher gelten künftig als im überragenden öffentlichen Interesse und werden im Zusammenhang mit privilegierten EE-Erzeugungsanlagen gleichermaßen als privilegiert betrachtet. Ziel ist es außerdem, Mehrfachbelastungen durch Steuern, Abgaben und Entgelte soweit möglich zu vermeiden. Zudem sollen Anreize geschaffen werden, dass große Stromverbraucher (wie Speicher) und große Erzeugungsanlagen geografisch so errichtet werden, dass es förderlich für das Netz ist. Ende Mai befasst sich der BGH mit der Fragestellung, ob der Betreiber eines Elektrizitätsverteilernetzes für den Netzanschluss eines Batteriespeichers einen Baukostenzuschuss verlangen darf und somit eine weitere Kostenposition für Batteriespeicherprojekte anfällt.

Einschätzung: Die geplante Förderung von Energiespeichern in Zusammenhang mit privilegierten EE-Erzeugungsanlagen könnte das Potential der Wirtschaftlichkeit von Innovationsausschreibungen steigern. Durch die Schaffung von Anreizen und Förderung von geografisch geeigneten Flächen zur Umsetzung netzförderlicher Projekte, kann ein weiterer wirtschaftlich positiver Effekt erzielt werden.

Fazit

In dem Koalitionsvertrag werden einige wesentliche Punkte adressiert, jedoch sehr vage und meist ohne konkrete Umsetzungskonzepte. Zudem werden einige wichtige Themen wie z. B. die notwendige Novellierung des EEG und das EuGH-Urteil zur Kundenanlage gar nicht berücksichtigt, was eine grundsätzliche Unsicherheit bzgl. des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien hinterlässt. Ebenso sind keine Bestrebungen zu erkennen, wesentliche Anpassungen an Grundstrukturen vorzunehmen: die Botschaft heißt auch hier „Beibehaltung des Status Quo“.​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​



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