Refinanzierung der Dekarbonisierung von Wärmenetzen über die Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK)

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​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. Juli 2025​​​​​​​​

Der Ausbau einer dekarbonisierten Wärmeversorgung im Einklang mit dem Wärmeplanungsgesetz (WPG) und dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) stellt zahlreiche Akteure – von Kommunen über Stadtwerke bis hin zu Gebäudeeigentümer – vor große Herausforderungen. Neben organisatorischen Hürden, wie dem Mangel an qualifiziertem Personal, ist insbesondere der hohe Investitionsbedarf ein zentrales Problem: Allein für die leitungsgebundene Wärmeversorgung werden bis zum Jahr 2030 Investitionen in Höhe von 72 bis 97 Milliarden Euro erwartet.1


Um das Ziel einer treibhausgasneutralen Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045 zu erreichen, ist der flächendeckende Ausbau von Fernwärmenetzen unverzichtbar (§ 14 Abs. 1 WPG). Die Erweiterung der leitungsgebundenen Infrastrukturen erweist sich jedoch als äußerst kapitalintensiv. Erforderlich sind gut vorbereitet individuell angepasste Finanzierungsmodelle mit ausgewogener Eigen- und Fremdkapitalstruktur. Staatliche Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) oder auch Investitionszuschüsse nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) können zwar zur Entlastung beitragen, den Finanzierungsbedarf jedoch nicht allein stemmen.


Die aktuelle Unsicherheit um die kommunale Wärmeplanung und die Möglichkeit von Kundinnen und Kunden, bei einem Wechsel zu erneuerbaren Energien, den Fernwärmeanschluss mit zweimonatiger Frist zu kündigen (§ 3 Abs. 2 AVBFernwärmeV), hat aus der Perspektive der Fernwärmeversorgungsunternehmen gravierende Folgen für die Refinanzierung und Netzstabilität. Insbesondere bei Nahwärmenetzen, in denen freigewordene Leistungen nicht ohne Weiteres ersetzt werden können, ist dieses ein erhebliches Problem.

Zentraler Aspekt zur Finanzierung und Amortisierung des Ausbaus der leitungsgebundenen Infrastruktur ist die kostenorientierte und transparente Wärmepreisgestaltung, insbesondere der Grund- und Leistungspreise. Um dabei die in den ersten Jahren mit der Dekarbonisierung einhergehenden Kostensteigerungen von Grund- und Leistungspreisen möglichst zu minimieren und insbesondere bei der Erweiterung von Bestandsnetzen eine verursachungsgerechte Kostenverteilung gegenüber den Kundinnen und Kunden zu ermöglichen, ist die Erhebung gesonderter Baukostenzuschüsse (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) besonders zu prüfen:

  • Der Baukostenzuschuss (BKZ) erlaubt es, Investitionskosten für Verteilernetze anteilig dem jeweiligen Erschließungsgebiet zuzuordnen und auf künftige Abnehmer umzulegen.
  • Die Hausanschlusskosten (HAK) erfassen die spezifischen Kosten für den Anschluss einzelner Gebäude an das Wärmenetz.



Abbildung 1: Einflussfaktoren Wirtschaftlichkeit Fernwärmeausbau​

Rechtlicher Rahmen für die Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK)

Rechtliche Grundlage für die Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) bilden die §§ 9 und 10 der AVBFernwärmeV. Beide Kostenarten müssen getrennt kalkuliert und dem Anschlussnehmer transparent ausgewiesen werden (§ 9 Abs. 5 AVBFernwärmeV).

Das Fernwärmeversorgungsunternehmen ist berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss (BKZ) zur teilweisen Abdeckung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung oder Verstärkung von der örtlichen Versorgung dienenden Verteilungsanlagen zu verlangen, soweit sie sich ausschließlich dem Versorgungsbereich zuordnen lassen, in dem der Anschluss erfolgt. Wichtig ist, dass der erhobene Baukostenzuschuss (BKZ) höchstens 70 Prozent dieser Kosten betragen darf. Ein zusätzlicher Baukostenzuschuss (BKZ) darf nur erhoben werden, wenn der Anschlussnehmer seine Leistungsanforderung wesentlich erhöht.

Dem gegenüber verbindet der Hausanschluss das Verteilungsnetz mit der Kundenanlage – vom Abzweig des Netzes bis zur Übergabestelle. Er verbleibt grundsätzlich im Eigentum des Fernwärmeversorgungsunternehmens, abweichende Vereinbarungen sind jedoch möglich. Verantwortlich für die Herstellung, den Betrieb, die Erneuerung, die Änderung oder auch den Rückbau des Hausanschlusses ist ebenfalls das Fernwärmeversorgungsunternehmen. Der Anschlussnehmer muss die baulichen Voraussetzungen für eine sichere Errichtung schaffen.

Zur Kompensation der bei der Herstellung, Änderung oder Erweiterung des Hausanschlusses entstehenden Kosten kann das Fernwärmeversorgungsunternehmen dem Anschlussnehmer die bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten in Rechnung stellen. Die Kosten können pauschal oder individuell berechnet werden. Im Unterschied zum Baukostenzuschuss (BKZ) sind die Hausanschlusskosten (HAK) zu 100 Prozent umlagefähig. 

Betriebswirtschaftliche Kalkulation von Baukostenzuschüssen

Der von den Anschlussnehmern als Baukostenzuschuss (BKZ) zu übernehmende Kostenanteil bemisst sich nach dem Verhältnis, in dem die an seinem Hausanschluss vorzuhaltende Leistung zu der Summe der Leistungen steht, die in den im betreffenden Versorgungsbereich erstellten Verteilungsanlagen oder aufgrund der Verstärkung insgesamt vorgehalten werden können, § 9 Abs. 2 S. 1 AVBFernwärmeV. Der zentrale Faktor für die betriebswirtschaftliche Ermittlung des Baukostenzuschusses (BKZ) ist damit die seitens des Fernwärmeversorgungsunternehmens bereitgestellte Wärmeleistung.

Die bereitgestellte Wärmeleistung ergibt sich primär anhand der Netzauslegung, wobei die Vorhalteleistung der Fernwärmeleitungen direkt abgeleitet werden kann. Ist dies nicht möglich, stehen dem Fernwärmeversorgungsunternehmen sekundär die nachfolgenden Methoden zur Leistungsbestimmung zur Verfügung: Einspeisemethode, Durchschnittliche Versorgungspfadmethode und Ausspeisemethode.



Abbildung 3​: Detailtiefe der Zuteilungsmethoden​

Je nach Planungsstand und Planungsgenauigkeit variieren die Methoden hinsichtlich des Aufwands der Datenaufbereitung und der Genauigkeit der Ergebnisse. 

Auswirkungen auf Fernwärmepreise

Die Einbindung von Baukostenzuschüssen (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) beeinflusst unmittelbar das Preissystem des Fernwärmenetzes. Soweit auf ihre gesonderte Erhebung verzichtet wird, führt dieses auf Seiten der Kundinnen und Kunden zu niedrigeren Einstiegskosten, im Ergebnis erhöht sich der Grundpreis.

Eine anfängliche Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) auf Seiten des Fernwärmeversorgungsunternehmens sollte vor dem Hintergrund der Flexibilität bei der Reduzierung der Anschlussleistung intensiv mit dem Vertrieb diskutiert werden. Zwar können sich die mit der Netzerrichtung oder Netzerweiterung verbundenen Kosten auch über den Grund- und Leistungspreis amortisieren, die dahinterstehenden Kostenpositionen entstehen jedoch bereits im Zeitpunkt der Errichtung der Versorgungsstruktur. Die Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) kann den anfänglichen Kapitalbedarf und damit die Zinskosten eines Fernwärmeversorgungsunternehmens damit deutlich senken.

Weiterhin minimieren sie das finanzielle Risiko eines Fernwärmeversorgungsunternehmens für den Fall, dass bei einem Wechsel der Kundinnen und Kunden zu erneuerbaren Energien und der damit verbundenen Kündigung des Fernwärmeanschlusses (§ 3 Abs. 2 AVBFernwärmeV) die zu Beginn der Netzerrichtung oder Erweiterung entstandenen Kosten nicht refinanziert werden können. Die den Anschlussnehmer treffenden Kosten wurden bereits über den Baukostenzuschuss und die Hausanschlusskosten kompensiert. Entscheidet sich dieser somit für den Weggang aus der Fernwärmeversorgung, geht dieses nicht zu Lasten des Fernwärmeversorgungsunternehmens. Anders, wenn auf die Erhebung dieser Kosten zu Beginn des Versorgungsverhältnisses verzichtet und vielmehr über die Kalkulation von Grund- und Leistungspreis mit einem langfristigen Verbleib in der Fernwärmeversorgung gerechnet wurde.

Wichtig ist, dass es für die anfängliche Erhebung von Baukostenzuschuss (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) nicht bereits den Abschluss eines Versorgungsvertrags bedarf. Im Rahmen der einem Fernwärmeversorgungsunternehmen zustehenden Möglichkeiten der Absatzsicherung kann die Zahlung der erforderlichen Kosten vielmehr bereits im Rahmen eines Vor- oder auch Anschlussvertrags vereinbart werden.

Fazit

Durch die Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) bei neu hinzukommenden Anschlussnehmern können die dem Fernwärmeversorgungsunternehmen beim Netzausbau entstehenden Investitionskosten gezielt zugeordnet werden. Eine Erhöhung der im Versorgungsgebiet erhobenen Grund- und Leistungspreise ist nicht erforderlich. Ein solches Vorgehen ist nicht nur transparent, es führt gegenüber den Kunden auch zu einem angemessenen Interessensausgleich.

Baukostenzuschüsse (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) reduzieren den anfänglichen Kapitalbedarf und das Risiko einer fehlenden Refinanzierung für den Fall, dass sich der Kunde für den Wechsel zu einem anderen Heizsystem entscheidet (§ 3 Abs. 2 AVBFernwärmeV). Aus der Perspektive des Fernwärmeversorgungsunternehmen handelt es sich damit um eine strategische Option, im Transformationsprozess die Wirtschaftlichkeit des Netzausbaus mit Akzeptanz und Wettbewerbsfähigkeit zu vereinen. Bei der Berechnung des Fernwärmepreissytems sind diese Einnahmen und die Auswirkung bis hin zu den Preisgleitklauseln zu berücksichtigen.

Baukostenzuschüsse (BKZ) und Hausanschlusskosten (HAK) sind ein wichtiges Steuerungsinstrument für einen wirtschaftlich tragfähigen Fernwärmenetzausbau. Richtig ausgestaltet verbessern sie die Finanzierungsstruktur des Fernwärmeversorgungsunternehmens. Wer frühzeitig die Weichen stellt und, sofern die Einführung vertrieblich möglich erscheint, gezielt mit ihrer Erhebung arbeitet, sichert sich wirtschaftliche Handlungsfähigkeit, reduziert Finanzierungsrisiken und positioniert sich nachhaltig im Transformationsprozess.

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