Einschneidende Änderungen bei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen

PrintMailRate-it

​​​​​​​​​​​​​​​​

Schnell gelesen:

Ein wichtiger Teil unserer Beratungsleistungen besteht in einer spezialisierten Beratung im Zusammenhang mit der Identifizierung unternehmerischer Risiken, mit einer wirksamen Prävention einer Haftung durch juristische Personen und der hiermit verbundenen Corporate Compliance. Diesem aktuellen Thema war auch ein Runder Tisch gewidmet, den die Kanzlei Rödl & Partner in Prag am 26. Oktober im Zusammenhang mit einschneidenden Änderungen bei der rechtlichen Regelung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Person veranstaltete, die die Novellierung des Gesetzes Nr. 418/2011 Slg. der Tschechischen Republik über die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Person und Verfahren gegen diese mit sich bringt.  
​Ziel dieses Artikels ist eine Beschreibung der Änderungen, die mit Wirksamkeit zum 1. Dezember 2016 auf uns zukommen, als auch der Folgen, die sich hieraus für Gesellschaften und Genossenschaften ergeben.

Es steht außer Frage, dass aus Sicht juristischer Personen, vor allem von Gesellschaften, die strafrechtliche Verantwortlichkeit ein erhebliches Unternehmensrisiko darstellt, gleichwohl die Mehrzahl an Gesellschaften dieses Risiko entweder nur unzulänglich berücksichtigt oder gar völlig ignoriert. Dieser Zustand ist nicht weiter hinnehmbar, vor allem da die Novelle des tschechischen Gesetzes über die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen diesbezüglich grundsätzliche Änderungen bedeutet. Diese Änderungen bestehen zum einen in einer wesentlichen Ausweitung des Umfanges der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen, zum anderen in einer gleichzeitigen und scheinbar entgegengesetzt wirkenden Neuerung, die auf der ausdrücklich geregelten Möglichkeit einer juristischen Person basiert, sich von einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu befreien.

Ausweitung des Umfanges der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

Die erste grundsätzliche Änderung besteht in einer Ausweitung des Umfanges der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen, d.h. in der Definierung jener Straftaten (Verbrechen und Delikte) gemäß dem Sonderteil des Strafgesetzbuches Nr. 40/2009 Slg. der Tschechischen Republik, für die juristische Person und also auch Unternehmen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Anstelle der bisherigen Auflistung von ca. 80 Straftaten, für die juristische Personen strafrechtlich belangt werden können, kommt nun in § 7 des Gesetzes die Ausschlussmethode zur Anwendung, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen auf grundsätzlich alle Straftaten bezieht, die im Sonderteil des Strafgesetzbuches geregelt werden. In diesem Zusammenhang werden aus dieser strafrechtlichen Verantwortlichkeit ausdrücklich nur jene Straftaten ausgeschlossen, die eine juristische Person aus der Natur der Sache nicht begehen kann, wie Mord, Beteiligung an einem Suizid, Schlägerei etc.

Aus dieser großen Änderung folgt für die Unternehmenspraxis so das systemimmanente Risiko, dass der Umfang der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Gesellschaften ganz erheblich ausgeweitet wird, und zwar von den bisher ca. 80 Straftaten auf im Grunde alle Straftaten gemäß dem Sonderteil des Strafgesetzbuches mit taxativ angeführten Ausnahmen.

Entbindung von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

Eine zweite wichtige Änderung der gegenständlichen Novellierung und in gewisser Hinsicht ein Durchbruch bei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen ist der völlig neue § 8 Abs. 5 des Gesetzes über die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen, der erst im Zuge der Verhandlungen im Abgeordnetenhaus des Parlamentes der Tschechischen Republik in den Gesetzesentwurf Eingang fand.

Diese neue Regelung ermöglicht es nämlich ausdrücklich, dass sich eine juristische Person von einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit unter der Bedingung befreien kann, dass sich ihr ernst gemeintes präventives Wirken gegen das Begehen von Straftaten erweist, das auf eine wirksame Vorbeugung gerichtet ist. Gemäß der oben angeführten Bestimmung befreit sich nämlich eine juristische Person von ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eine Straftat, die ihr in Folge eines Begehens einer Straftat durch eine natürliche Person zugerechnet wird, konkret ein Mitglied des satzungsmäßigen Organs, eine Person in leitender Stellung, die zum Handeln für die juristische Person berechtigt ist oder die eine leitende oder Kontrolltätigkeit wahrnimmt, bzw. einen Arbeitnehmer bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben, „sofern sie alle erforderlichen Anstrengungen unternommen hat, die gerechterweise von ihr verlangt werden konnten”, damit eine widerrechtliche Tat durch diese Personen verhindert wird.

In dieser Hinsicht geht die neue Bestimmung des § 8 Abs. 5 des Gesetzes erheblich über die bisherigen Möglichkeiten einer „Befreiung” von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Fällen eines widerrechtlichen Handelns durch Arbeitnehmer hinaus, wie dies § 8 Abs. 2 lit. b) des Gesetzes verankert.

Nach der Novelle des Gesetzes über die strafrechtliche Verantwortlichkeit

Die neue Regelung einer möglichen Befreiung von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eine juristische Person bedeutet eine Zäsur im Verständnis und in der Bedeutung der strafrechtlichen Compliance in der Tschechischen Republik, da diese nun einen Widerhall im Gesetz findet und einen offenkundigen praktischen Sinn ergibt. Sie ermöglicht nämlich, dass sich Unternehmen im Fall einer Beschuldigung wirksam mit dem Verweis auf die Tatsache verteidigen können, dass sie im Rahmen eines funktionierenden Compliance Management Systems (CMS) sämtliche denkbaren vorbeugenden Maßnahmen getroffen haben, die berechtigterweise von ihnen verlangt werden können, damit eine widerrechtliche Tat durch Arbeitnehmer oder weitere Personen wirksam verhindert wird.

Keinesfalls bedeutet diese neue Regelung jene Folgen, die die zahlreichen Kritiker derselben befürchten, dass also das bloße Vorliegen eines allgemeinen Compliance Programms, eines Verhaltenskodex oder eines ethischen Kodex ohne Weiteres eine automatische Entbindung von einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit „garantiert”. Es ist offenkundig, dass in dieser Hinsicht stattdessen stets sehr detailliert geprüft werden wird, ob eine juristische Person die angenommenen systematischen und operativen Maßnahmen im Rahmen der präventiven Funktion der Compliance tatsächlich mit Blick auf die qualifizierte Bedingung gemäß § 8 Abs. 5 des Gesetzes über die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen umgesetzt hat.​

Kontakt

Contact Person Picture

JUDr. Pavel Koukal

Attorney at Law (Tschechische Rep.)

Associate Partner

+420 236 2637 10

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu